Big Data ist eine große Chance

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„Vogelschalen sind auch Big Data“, das wird wohl den meisten Besuchern der Wissensshow am 23. Juni in der Urania Berlin für immer im Gedächtnis bleiben. Per Videoeinspielung berichtete der Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums Johannes Vogel über zahlreiche Vogeleier in Museen dieser Welt, die von der Sammlerleidenschaft des vorigen Jahrhunderts zeugen. Wissenschaftlichen Wert hatten die Eier lange Zeit nicht, bis die Antwort auf eine Frage dringend wurde: Warum sterben verschiedene Vogelarten plötzlich aus? Das Ende der Geschichte ist bekannt. Es gelang der Nachweis, dass DDT, in den 1950er und 1960er Jahren flächendeckend als Insektizid eingesetzt, in der Nahrungskette bis zu den Raubvögeln weitergegeben wurde und dünnschalige Eier verursachte. Die Folgen: Die Eier zerbrachen beim Brüten, viele Raubvogelarten drohten auszusterben. DDT wurde verboten.

Nach der Veranstaltung bildeten sich viele kleine Diskussionsrunden. Hier: Prof. Joachim Mnich im Gespräch mit einer Besucherin. Foto: Astrid Blank
Nach der Veranstaltung bildeten sich viele kleine Diskussionsrunden. Hier: Prof. Joachim Mnich im Gespräch mit einer Besucherin. Foto: Astrid Blank

Auch für den Teilchenphysiker Joachim Mnich, einer der Live-Experten des Abends, ist Big Data kein neues Phänomen. In seiner Disziplin gehöre es dazu, ja es sei sogar Voraussetzung gewesen, um das Higgs-Boson – das Gottesteilchen – nachzuweisen. Für Mnich ist der Umgang mit Big Data eine neue Technologie, mit der vor allem die jüngere Wissenschaftlergeneration nahezu spielerisch umzugehen lernt. Dem Publikum wurde deutlich: Big Data enthält große Schätze, die es zu heben gilt – mit kreativen, wissenschaftlichen Fragestellungen. Joachim Mnich warnte dann davor, das zusätzliche Wissen, dass wir durch Big Data erlangen, als schädlich oder gefährlich anzusehen. Und der Journalist Dirk von Gehlen unterstützte ihn dabei von der Videoleinwand.

Auch Jürgen Neffe, Schriftsteller und Journalist und der andere Experte auf der Bühne, sieht in Big Data eine große Chance: „Die Riesendatenmengen sind wie ein neuer Kontinent, den wir gerade einmal am Rand betreten haben“, so sagte er. Große Entdeckungen stehen uns bevor. Open Access, Bürgerwissenschaften – beides wurde im Verlauf des Abends angesprochen – sind Wege, diesen Kontinent zu betreten.

Neffes Sinnbild wurde vom Publikum aufgegriffen: Bräuchte es dann nicht für diesen neuen Kontinenten Regelungen und Gesetze, genau wie beim Betreten und Kauf und Verkauf von echten Grundstücken? Und so konnte Jürgen Neffe auch seiner Skepsis Luft machen, und warnte vor der Monopolisierung des Wissens durch Google, YouTube und Co. Staatlich kontrollierte, juristische Regelungen müssten Wissen zugänglich machen – für jeden und im Interesse aller. Und es bräuchte vielleicht einen „digitalen Hauptschulabschluss“ – für den Anfang.

Und wie verändert diese Digitalisierung unser Denken?

Beide Live-Experten haben sich wunderbar ergänzt. Hier: Dr. Jürgen Neffe. Bild: Astrid Blank
Beide Live-Experten haben sich wunderbar ergänzt. Hier: Dr. Jürgen Neffe. Bild: Astrid Blank

Wir sollten uns nicht darauf verlassen, so Mnich, dass allzeit verfügbare Informationen uns das Denken abnähmen. Im Gegenteil: Es komme

nicht darauf an, alles zu wissen, sondern kreativ mit den Informationen umzugehen, sie zu hinterfragen und in neue Zusammenhänge zu bringen. Und, so ergänzte Jürgen Neffe, wir dürften die physische Welt, die reale Interaktion mit anderen Menschen nicht vernachlässigen. Intelligenz sei mehr als Informationen, so betonte er, es ist die Wahrnehmung der Welt mit allen Sinnen.

Am Ende stimmten beide Experten überein, bei allem technologischen Fortschritt und schlauen Rechenmaschinen, die Kreativität wird den Menschen vorbehalten bleiben. Und ihr Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Für die Zukunft bräuchte es eine andere Bildung, eine andere Erziehung. Und, wie Marina Weisband über Video ergänzte, ein anderes Verständnis von Partizipation.

Herr Vogel vom Naturkundemuseum kam am Ende noch einmal zu Wort: „Unsere Köpfe werden nicht mehr wachsen“, so sagte er, „doch das Internet gibt uns die Möglichkeit, Ideen auszutauschen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“ Vielleicht entsteht hier eine ganz neue Form von Kreativität und kollektivem Denken.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie sich hier ansehen.

 

Leser:innenkommentare (1)

  1. antoroblog

    Toll, danke für die pointierte Zusammenfassung!

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