Bye bye Beruf – hier kommt das Programm!

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Der Physikstudent und Webentwickler Michel Smola sagt im Interview einen denkwürdigen Satz: In Zukunft werde es für die sogenannten Arbeitgeber nicht mehr darum gehen, jemanden zu finden, der eine bestimmte Tätigkeit qualifiziert verrichten kann, sondern jemanden, der eine Maschine darauf programmieren kann, diese Tätigkeit auszuüben. Dazu bedarf es zwar einer Anfangsinvestition, doch sie amortisiert sich schnell, da man für die Maschine keine Sozialabgaben zahlt und sie Jahre ohne Pause durcharbeitet – und das in aller Regel schneller und präziser als ein Mensch.

Die Rede ist dabei nicht mehr nur von leicht automatisierbaren Arbeitsvorgängen in Fertigungs- und Lagerhallen, wie Michel klarstellt: Sein Beispiel sind die Börsen. Etliche Banken und Finanzinstitute stellen keine Broker mehr ein, sondern kaufen Software, die ihre Rechner befähigt, an der Börse zu spekulieren. Dirk Helbing, von Hause aus Physiker, heute Professor für Soziologie an der ETH Zürich, teilt diese Einschätzung. Meine Frage, ob Computer Menschen auch zunehmend in kreativen Berufen ersetzen werden, bejaht er. „Viele sagen, Computer werden niemals so intelligent sein wie Menschen. Dafür würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen. Ich denke, dass Computer in der Lage sein werden, Kreativität zu entwickeln.“

Dazu werde man Zufallselemente einprogrammieren, wie man sie in heutigen genetischen evolutionären Algorithmen bereits verwende. Welche Tätigkeiten dann noch dem Menschen vorbehalten bleiben? Wenige, meint Helbing. Bei der ersten muss er selber lachen: Tourismus. Ferien machen kann nur der Mensch. Dann noch die Altenpflege, an deren Horizont allerdings schon die Pflegeroboter auftauchen. Und zuletzt eben die – ebenfalls bedrohten – kreativen Tätigkeiten.

Kreativität muss man sich in Zukunft also als computergestützte vorstellen. Im Grunde ist sie das in vielen Bereichen jetzt schon. Auf unserer Interviewreise treffen wir auch Reimo, Musiker der Elektroband Jeans Team. Seinen Schaffensprozess beschreibt er als endlose Stunden am Rechner. Das Spielen von Instrumenten kommt darin praktisch nicht vor. Reimo spielt Klavier, aber als Musiker im hergebrachten Sinne würde er sich nicht beschreiben. Im Probenraum ein bisschen mit den Bandkollegen jammen? Findet kaum statt. Alle Sounds und Beats werden am Rechner erzeugt. Reimos Leistung besteht darin, die Parameter zu bestimmen.

Während ich ihm zuhöre, wird mir bewusst, dass dasselbe natürlich auch in meinem Bereich, der Literatur, Realität werden wird. Es wird Programme geben, die literarische Texte erzeugen. Der Autor, wenn er dann noch so heißen wird, wird lediglich die Parameter festlegen. ‚Lediglich’ ist vermutlich das falsche Wort, weil diese Arbeit irgendwann so elaboriert sein wird wie die eines heutigen Techno-DJs oder sonstigen Musikproduzents. Aus Pop-down-Menüs wird der Autor Namen und Geschlecht seiner Hauptfigur wählen, den Ort des Geschehens und das Genre. Den Anteil des Liebesgeschehens erhöhen? Es wird am Regler gedreht. Eine Verfolgungsjagd? Der Autor wählt nur noch die Stelle im Text. Der Rechner produziert den Text über Nacht, der Autor wird ihn lesen und die Parameter neu justieren, bis er mit dem Ergebnis zufrieden ist.

Das gleiche gilt natürlich für den Film. Leicht zu bedienende Programme werden‚ das Drehbuch nach den Wünschen des Regisseurs verfassen und ihm den Produktionsplan gleich mitliefern, angepasst an die Finanzierung, wenn nötig die Low-budget-crowd-funding-Version zum Selberdrehen mit iPad und Smartphone. Je nach Wetterlage empfiehlt die Software den Dreh von Außen- oder Innenszenen. Die Qualität des Romans und des Films hängt dann von der Güte des Programms und dem Fingerspitzengefühl seines Besitzers beim Bedienen der Regler ab. Applaus bekommen werden Features, die vorangegangene Programme nicht kannten.

Zukunftsmusik? Mitnichten. Eine US-Firma namens Narrative Science brachte jüngst eine Software auf den Markt, die Sportberichte über Drittliga-Baseballspiele verfasst. Die ersten Sportreporter haben angeblich bereits ihre Jobs bereits verloren. Auf die Frage, was angesichts solcher Entwicklungen die Zukunft des Journalismus sei, sagt der Journalist Dirk von Gehlen, den wir in München treffen: „Programmieren lernen.“ Das gleiche, denke ich, wird auch für die Literaten gelten. Independent-Autoren, die sich außerhalb der Schemata der großen Literatur-Softwares bewegen wollen, werden nicht umhin kommen, programmieren zu lernen und sich eigene Schreibsoftware zu basteln.

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