PS134: Expeditionsbrief Nr. 3 – Sedimentproben aus dem Bellingshausenmeer

Arbeiten mit dem Schwerelot (Robert Larter)

Seit fast drei Wochen forschen wir bereits im Bellingshausenmeer und sind der Entwicklungsgeschichte des westantarktischen Eisschildes auf der Spur. Die verschiedenen Arbeitsgruppen der Geophysik, Geologie, aber auch der Biologie sind wechselseitig mit ihren jeweiligen Beprobungs- und Messmethoden im Einsatz. In dieser Ausgabe wollen wir die Arbeit der Meeresgeologie etwas genauer erläutern.

Die meeresgeologische Arbeitsgruppe an Bord vereinigt zehn Kollegen acht unterschiedlicher Nationalitäten – Großbritannien, Chile, Südafrika, USA, Belgien, Frankreich, Marokko und Deutschland. Die Grundmotivation unserer Arbeiten auf dem Kontinentalschelf des Bellingshausenmeeres ist die Rekonstruktion des Eisschildrückzugs im Anschluss an die letzte Phase der maximalen Vereisung vor etwa 20.000 Jahren. Hierfür arbeiten wir eng mit den beiden hydroakustischen Arbeitsgruppen an Bord – der Bathymetrie und der Sedimentechographie – zusammen, um hochgenaue Karten und Profile des Meeresbodens sowie des Untergrunds zu erstellen (Abb. 1). Beide hydroakustische Methoden arbeiten nach demselben Messprinzip: Ein Schallsignal wird ausgesendet und dessen Reflexion am Meeresboden und an den obersten Sedimentschichten registriert. Bei der Bathymetrie wird ein ganzer Fächer an Signalen von ca. 15 kHz ausgesendet und damit ein dreidimensionales Bild des Meeresbodens gewonnen. Das Sedimentecholot hingegen generiert nur einen akustischen Ping mit einer niedrigeren Frequenz von 4 kHz, der dafür bis zu 150 m in den Meeresboden eindringt. Dort wird er an den verschiedenen Schichten im Untergrund reflektiert und liefert somit ein Bild der oberen Sedimentlagen.

Abb.1: Aufnahmen der Morphologie des Meeresbodens mit dem Fächer-Echolot (oben) und der obersten Sedimente mit dem Sedimentecholot (unten) mit eingezeichneten Kernstationen.

Auf Basis dieser Karten und Profile definieren wir die vielversprechendsten Lokationen für die Entnahme von Sedimentkernen. Hierfür werden vorrangig zwei unterschiedliche Geräte genutzt – der sogenannte Großkastengreifer (Abb. 2), um eine ungestörte Probe der oberen ca. 60 cm des Meeresbodens zu erhalten, und im Anschluss das Schwerelot, welches durch seine 1,5 Tonnen Eigengewicht mehrere Meter in den Untergrund eindringen kann (Abb. 3 und 4). Im Idealfall erreichen wir mit dieser Methode die vor tausenden von Jahren durch Eisauflage stark verfestigte Schicht, erhalten dadurch die Möglichkeit, die Ablagerungsbedingungen diese weit zurückliegenden Zeiten zu charakterisieren und können ein genaues Alter für den Eisrückzug festlegen. Diese Methode wenden wir jedoch nicht nur für eine Lokation an, sondern für mehrere entlang eines langen Transekts vom inneren auf den äußeren Kontinentalschelf. So erstellen wir eine zeitliche Abfolge des Eisrückzuges von seiner maximalen Ausdehnung vor etwa 20.000 Jahren bis heute. Gleichzeitig bewerten wir den Einfluss morphologischer Strukturen auf dem Meeresboden und geologischer Strukturen im Untergrund in Hinblick auf die Dynamik des Eisrückzugs in der Vergangenheit.

Die Kombination dieser Untersuchungen stellt eine wertvolle vierdimensionale Grundlage dar, um Eisschildmodelle zu überprüfen und zu verbessern, wodurch genauere Abschätzungen des zukünftigen globalen Meeresspiegelanstiegs möglich werden. Der Kontinentalschelf des Bellingshausenmeeres ist hierfür eine Schlüsselregion, da hier in den letzten ca. 20.000 Jahren vermutlich bereits viel Eis verloren gegangen ist, aber es eben auch eine der Regionen ist, die derzeit und in Zukunft sehr sensibel auf äußere Einflüsse, wie etwa den verstärkten Zustrom wärmeren Ozeanwassers, reagieren werden.

 

Abb.2: Der Großkastengreifer zur Beprobung der oberen 60 cm des Meeresbodens (Foto: Robert Larter).

 

Abb. 3: Das Schwerelot zur Beprobung von Sedimenten in den oberen mehreren Metern des Meeresbodens (Foto: Robert Larter).

 

Abb. 4: Arbeiten an Deck im direkten Anschluss an die Beprobung des Meeresbodens mit dem Schwerelot, um gewonnene Proben in 1 m lange Kernsegmente zu teilen, bevor sie dann im Labor weiterverarbeitet werden (Foto: Robert Larter).

Wie auch schon bei unseren Arbeiten zuvor sind wir auch hier sehr dankbar für die unglaublich kompetente, effektive und freundliche Unterstützung durch alle Bereiche der Schiffsbesatzung vom Küchen- und Service-Team über Decksmannschaft, Maschinentechnik, Elektro- und Kommunikationstechnik bis zur Brücke und Schiffsführung. Wir freuen uns auf die weitere wunderbare Zusammenarbeit während der restlichen 3 Wochen im Arbeitsgebiet.

 

Mit herzlichen Grüßen und Wünschen,

Johann Klages, Estella Weigelt und Karsten Gohl

 

Weitere Informationen von PS134:

Die Polarstern App: https://follow-polarstern.awi.de/

125-jähriges Jubiläum der Belgica-Expedition: https://125yearsbelgica.com/

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