Zimmer mit Aussicht

Zimmer mit Aussicht (Foto: Klara Köhler)
Zimmer mit Aussicht (Foto: Klara Köhler)

In den letzten Wochen habe ich eine Sache festgestellt: Corona nimmt einem die Vorfreude. Es kann so viel schiefgehen, Pläne können in der letzten Minute gestrichen werden. Als ich im letzten Herbst die Nachricht von meinem Praktikumsbetreuer bekam, ich könne ihn auf der nächsten Polarstern-Expedition begleiten, war die Freude erst einmal groß. Das ist erst nächsten Sommer, bis dahin wird alles gut gehen. Weihnachten, Prüfungsphase, die Gedanken an die große Reise werden erst einmal hintenangestellt. Dann im März 2021: Norwegen hat weiter seine Grenzen dicht, der Austausch der Expeditions-Gruppen Anfang Juni über Tromsø wird möglicherweise nicht klappen. Schnell ist dann klar, dass aus den eigentlich zwei Fahrtabschnitten einer wird und aus zwei Gruppen eine. Ich war mich sicher, dass ich als Studentin meinen Platz abgeben muss – doch ich habe Glück, ich darf mitfahren. In den nächsten Wochen nehmen die Vorbereitungen für die Expedition Fahrt auf. Doch leider nimmt zur gleichen Zeit auch der Pandemieverlauf in Deutschland wieder Fahrt auf. Ich kaufe mir Reisetabletten und frage mich gleichzeitig, wann ich die sonst einsetzen könnte, wenn mir Corona wieder einen Strich durch die Rechnung machen sollte.

Letzten Freitag ging es dann los, die große Aufbruchsstimmung wollte sich aber trotzdem noch nicht einstellen. Auch wenn man seine Sachen für eine Arktisexpedition gepackt hat – erst einmal geht es für 10 Tage Quarantäne in ein Hotelzimmer in Bremerhaven. Bei der Ankunft konnte man schon einen kurzen Blick auf die zukünftigen Mitfahrer werfen. Schnell werden auch die ersten Nachrichten ausgetauscht: Bist du schon durch mit dem Test? Kurz danach: wie sieht dein Zimmer aus? (Hafenblick!) Wie wird wohl das Essen sein? (In Ordnung) Was hast du für die Quarantäne-Zeit mitgenommen? (Bücher und Snacks). Ich habe Glück, von meinem Zimmer kann ich direkt auf den Fischereihafen gucken und wenn sich die Sonne bequemt mal herauszukommen, scheint sie direkt in mein Zimmer. Und mit vielen Büchern, Videoschalten mit Freunden und Familie und der normalen Arbeit geht die Zeit erstaunlich schnell herum. Inzwischen wird wohl auch jeder hier in der Quarantäne festgestellt haben, dass wir uns für die Tage viel zu viel vorgenommen haben. Nur weil man allein in einem Zimmer sitzt, hat der Tag nicht auf einmal mehr Stunden. Aber wer weiß, vielleicht schaffe ich immerhin zwei von den sechs mitgebrachten Büchern!

Zwei Corona-PCR-Tests sind geschafft, einer kommt noch. Wenn alles glatt läuft, werde ich nächsten Montag mein Zimmer mit Aussicht verlassen und wir werden per Bus zur Polarstern gebracht. Und wenn wir an Bord sind und durch die Schleuse fahren, vielleicht stellt sich dann endlich das Gefühl ein, dass es jetzt losgeht.

Klara

Bücherstapel (Klara Köhler)
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