Schollenkartierung

MOSAiC Team auf der Scholle

An Bord 10. Oktober 2019, von Stefan Hendricks für die ICE und Remote Sensing Teams |

Wie wir eine Scholle für die Eisdrift durch das Nordpolarmeer gefunden haben

Das erste Erkundungsteam macht sich auf den Weg ein Kandidat für die MOSAiC Eisscholle zu untersuchen. Der hintere Schlitten enthält einen elektromagnetischen Eisdickensensor. Foto: Sebastian Grote

Zum einen muss die Eisscholle die typischen Bedingungen in unserer Region wiederspiegeln, dies ist für aussagekräftige Wissenschaft unerlässlich. Zum anderen muss die Scholle stabil genug sein, um für ein ganzes Jahr darauf arbeiten zu können. Diese Anforderungen sind nicht leicht ein Einklang zu bringen, da wir als typisches Meereis nur dünne stark geschmolzene Schollen vorfinden.

Die Suche beginnt mit Auswertung von Satellitendaten. Auf Polarstern werten die Meereis- und Fernerkundungsgruppen tagesaktuelle Satellitenbilder aus, genauso wie unsere Kollegen auf unserem Partnerschiff Akademik Fedorov. Diese Untersuchungen laufen bereits seit einiger Zeit, allerdings brauchen wir den aktuellen Zustand und Position von Eisschollen. Dafür benutzen wir tagesaktuelle Radarbilder von den Satelliten Sentinel-1 (ESA/Copernicus) und TerraSAR-X (DLR), da diese unabhängig von Bewölkung oder dem wenigen verbleibenden Tageslicht als Eiskarten benutzt werden können. Auf diesen Karten werden Kandidaten bestimmt, welche Grundvoraussetzungen von Struktur und Größe erfüllen müssen. Gerade die Anforderung an die Größe lässt die Anzahl der Kandidaten auf eine Handvoll zusammenschrumpfen, obwohl wir ein Gebiet mit weit über 100 Kilometer im Auge haben.

Eisdicke gemessen auf den ersten Erkundungen über ein Satellitenbild gelegt. Helle Grautöne auf der Satellitenkarte zeigen eine raue Oberfläche an, welche auf dickeres Meereis schliessen lässt. Die Eisdickenmessungen von 2 und mehr Metern (gelbe Farbtöne) entlang dem Weg der Erkundungsteams bestätigen dies. Satellitenkarte: Gunnar Spreen, Eisdickenkarte: Stefan Hendricks, Synthese: Markus Rex

In der nächsten Stufe fahren wir Kandidatenschollen gezielt an um diese direkt zu untersuchen. Polarstern und Fedorov teilen sich diese Arbeit. Ziel der ersten Erkundungen ist es einen ersten Überblick über die Eisdicke der jeweiligen Scholle zu beschaffen. Dazu benutzen wir alles was wir an wissenschaftlicher Ausrüstung zur Verfügung haben, z.B. einen Schlitten mit einem elektromagnetischen Eisdickensensor. Kombiniert mit den Radarbildern der Satelliten erhalten wir so einen ersten Überblick über die derzeitige Eissituation in unserer Region. Die überwiegende Anzahl der untersuchten Eisschollen besteht aus sehr dünnen (30 – 70 cm) Meereis und weist einen großen Flächenanteil an mittlerweile zugefrorenen Schmelztümpeln auf, ein deutlicher Hinweis auf ein starkes Schmelzen im Sommer. Schollen dieser Art können leicht brechen oder zusammengeschoben werden, was langfristige und kontinuierliche Messungen deutlich erschwert. Eine der von Polarstern untersuchten Schollen weist allerdings einen deutlich dickeren und stabileren Teil zusätzlich zu dünnem Eis aus. Der dicke und stabilere Teil ist sowohl in den Satellitendaten als auch in den Eisdickenmessungen deutlich sichtbar. Nach dem Vergleich mit den Ergebnissen unserer Kollegen auf der Akademik Fedorov entscheiden wir uns für diese Scholle, welche nun Polarstern und viele weitere Wissenschaftler für das kommende Jahr beherbergen wird.

(Links) Polarstern Bordhelikopter für Laserscanner-Erkundungsflüge (Rechts) Blick auf einen Monitor mit Echtzeitdarstellung von der Abdeckung der Lasermessungen auf der Eisoberfläche (unten rechts) Ansicht des geflogenen Profils mit fast vollständiger Abdeckung am Ende des Fluges. Fotos: Stefan Hendricks (links), Gunnar Spreen (rechts).

Nun beginnt die Phase der detaillierten Schollenkartierung, da wir Orte für alle wissenschaftlichen und logistischen Installationen finden müssen. Dies muss in einer Art und Weise geschehen, welche einen minimalen Einfluss auf die Scholle selber hat.  Für diese Zwecke setzen wir einen Sensor von einem der zwei Bordhelikopter von Polarstern ein. Der sogenannten Airborne Laserscanner (ALS) erfasst kleinskalige Höhenänderungen in einem Streifen unterhalb des Helikopters. Wir können einen Streifen von etwa 300 m Breite erfassen, daher müssen wir allerdings mehrere Linien über die Scholle für eine vollständige Kartierung fliegen. Dies ist über dem sich bewegenden Meereis kein einfaches Unterfangen, da GPS Koordinaten schnell an Bedeutung über dem driftenden Meereis verlieren. Die Wissenschaftler in der Kabine können in Echtzeit die Abdeckung des Laserscanners auf der Meereisoberfläche erkennen. Mit Hilfe dieser Anzeige und dem guten Auge des Piloten fliegen wir die gesamte Scholle und unmittelbare Umgebung mit fast vollständiger Abdeckung ab. Später werden wir diese Messungen wiederholen um Änderungen des Eises und dessen Schneeauflage zu untersuchen.

Karte der Scholle aus den Laserdaten mit Markierungen der Scholle, der Position von Polarstern. Blaue Farben zeigen ebenes dünnes Eis und heller Farben die dickere „Festung“. Abbildung: Stefan Hendricks / Matthew Shupe

Der Laserscanner erzeugt auch erhebliche Datenmengen, aber wir können an Bord eine vorläufige Karte der Eisoberfläche mit deutlich mehr Detail als die Satellitenbilder erstellen. Anhand der Karte können wir einschätzen, welche Gebiete für bestimmte wissenschaftliche Untersuchungen interessant sind und welche wir für logistische Installationen wie z.B. Wege oder Stromleitungen reservieren müssen. Eine Karte ist aber auch nur eine Karte mit Ortsnamen. So hat der stabile Teil der Eisscholle bereits früh den Namen „Fortress“ („Festung“) bekommen.

In den letzten Tagen hat ein stürmischer Wind mit einigen kleineren Rissen aber auch schon dafür gesorgt, dass die Karte nicht mehr ganz aktuell ist. Genau diese Ereignisse wollen wir in dem kommenden Jahr untersuchen und so beginnt unser Kartierungsarbeit wieder von neuen.

Leser:innenkommentare (19)

  1. Ulrich Dzieran

    Jeden Tag lese ich die Berichte von der Polarstern , Ich freu mich sehr darüber, das man von der Expetion und den Themen die sie behandelt soviel erfährt.

  2. Inga Chinnery

    Irre interessant,wünsche gutes Wetter.

  3. Erwin Peichl

    Mit großem Interesse verfolge ich Ihre Expedition. Ich habe vor einigen Jahren das Buch über die Expedition von Fritjof Nansen mit dem Schiff „Fram“ gelesen. Ziel seines Unternehmens war es ja, mit der Eisdrift den Nordpol als Erster zu erreichen. Die Eisdrift führte ihn aber weit südlich am Nordpol vorbei. Am 14.03.1895 verließ er deshalb mit Hjalmar Johansen die *Fram“ und sie versuchten mit Hundeschlitten über das Packeis den Nordpol zu erreichen. Sie erkannten bald, dass dies auch nicht möglich war, weil die Eisdrift die Annäherungskilometer zum Nordpol fast gänzlich wieder zunichte machte. Am 08.04.1895 kehrten sie deshalb um und hatten mit 86 Grad 14 Minuten die höchste nördliche Breite erreicht.
    Ich bin gespannt, welche nördliche Breite Sie mit Ihrer Eisscholle erreichen (mit dem heutigen Equipment und dem deutlich dünnerem Packeis).
    Viel Erfolg für Ihre Expedition

  4. Anne Stöckert

    Sehr spannend. Ich wünsche allen Beteiligten alles Gute, viel Geduld und Ausdauer bei den aufkommenden Hindernissen solch einer Expedition. Ich bin auf die Auswertungen und Schlussfolgerungen gespannt.

  5. Sybille Pischel

    Ich verfolge diese Berichte mit großem Interesse, da ich schon immer vom Eis fasziniert war. Die Arktis ist für mich ein magischer Ort. Bis Spitzbergen bin ich schon gekommen, wo ich auch einen Hauch von Polarlicht und die Polarnacht erleben durfte.
    Es hat mich gefreut, auf den ersten Bildern von euch die Eisbären zu sehen. Noch sind sie da.
    Ich wünsche euch maximale Erfolge auf dieser wichtigen Expedition.

  6. Holger Heusner

    Wenn ich mir mal wieder in das Expeditionstagebuch von Nansen schaue, finde ich dort sehr viel mehr Informationen zur Arbeit und zum Leben an Bord während des Winters. Da würden einige Vergleiche nicht schaden. Wenn man die Möglichkeiten der heutigen Informationsgesellschaft bedenkt, sind die Infos von der Polarstern doch recht überschaubar. Wenigstens schießen sie keine Eisbären und Robben und essen Ihre Hunde nicht auf. Ich hoffe doch sehr. :)

  7. Regine Richter

    Ich bin auch völlig gebannt von dieser Expedition. Am meisten beeindruckt mich, dass bereits vor 8 Jahren (so habe ich gehört) die Planung startete, und in diesem Jahr die Expedition mittlerweile ein solch wichtiges Vorhaben darstellt angesichts der Klimasituation und -diskussion. So beunruhigend all die Meldungen sind, die wir aus dieser Region zu hören und zu sehen bekommen, so wichtig ist es, dass ihr jetzt da seid!

  8. Philipp Hausdörffer

    Moin Polarstern,
    bei der täglichen „Kontrolle“ eures Standortes, damit automatisch auch der Drift, ist mir aufgefallen, dass die Ausdehnung des arktischen Eisfeldes nicht mit aktualisiert wird!

    Ist nicht Aufgabe der Schiffsführung bitte deshalb um Weiterleitung meiner Frage: Kann man die Ausdehnung der arktischen Eisbedeckung aktualisieren?

    Liebe Grüße aus Minden/Westfalen und erfolgreiche Arbeiten.

    Philipp Hausdörffer

    1. Folke Mehrtens

      Hallo Philipp Hausdörffer

      in unserer WebApp passen wir die Meereisausdehnung aus technischen Gründen nicht täglich an. Dafür sind die Kolleginnen und Kollegen von meereisportal.de hierzu aber sehr aktiv!

      Viel Vergnügen beim Stöbern und herzliche Grüße aus dem AWI-Presseteam

      Folke Mehrtens

  9. Elke Hermanick

    Alles sehr spannend!!
    Ich freue mich auf neue Beiträge!!

  10. Kamran gharabaghi

    Schade dass ich erst jetzt von der Expedition erfahre….. hätte gerne ein Kunst- Wissenschafts Filmprojekt im Sinne des großen Polar Forschers Julius Payer mit euch auf gemacht….(hab vor 1 einhalb Jahren gemeinsam mit dem Herrn dr.brandstaetter Markus das Projekt“Expedition Tegetthoff“…. Abenteuer in Kälte und Dunkelheit, zeichnen und Malen in Eis und Schnee…,begonnen…)….die Erbswurst reicht zum Sieg noch nicht viel Kraft und Glück (und natürlich auch Erfolg) bei euren Bemühungen

  11. ute Peine

    Ich finde dieExpedition Mosaic sehr interessant,aber sie verlangt auch viel Verständnis
    von den Angehörigen, Großfamilie (Kinder, Ehefrau, Eltern Geschwistern) derBeteiligten.
    Ich würde mich daher über noch mehr aktuelle Berichte freuen. Mutter eines Teilnehmers.

    1. Folke Mehrtens

      Liebe Ute Peine
      das gebe ich gerne an das Schiff weiter. Tägeliche Meldungen und Fotos von der Expedition gibt es zusätzlich in der MOSAiC WebApp.
      Viele Grüße aus dem AWI-Presseteam
      Folke Mehrtens

  12. Reinald Jursch

    Hallo zusammen,
    Ich hab nur mal eine Frage;
    Die Expedition ist sehr nah an den Rand des Driftkorridors gekommen. Welche Auswirkungen hat das auf den Verlauf der Expedition wenn der Driftkorridor zu eng wird?
    Ganz viele liebe Grüße an alle Beteiligten
    Reinald Jursch

    1. Folke Mehrtens

      Hallo Reinald Jursch
      vielen Dank für die Anfrage! Sie hat uns dazu animiert, den Driftkorridor demnächst in der Grafik zu aktualisieren, denn uns ist aufgefallen, dass wir auf der Projektwebseite und in der App derzeit noch den Driftkorridor für das ursprünglich angedachte Startgebiet abbilden. Die Position der tatsächlich gewählten Scholle ist Grundlage neuer Berechnungen der Drift, so dass der prognostizierte Korridor bald ein anderer sein wird.
      Die Darstellung insgesamt soll die mögliche Route veranschaulichen, ein Verlassen des Korridors hat jedoch keine direkten Auswirkungen auf die MOSAiC Expedition.
      Herzlichen Dank für die Anregung, uns mit dem Thema nochmals genauer auseinanderzusetzen und viele Grüße aus dem AWI-Presseteam!
      Folke Mehrtens

  13. Ranga Yogeshwar

    Liebe Crew!
    Mit Respekt und Leidenschaft verfolge ich diese einzigartige MOSAIC-Expedition. Gerade in Zeiten wo viele am Klimawandel zweifeln, ist es wichtig mit Fakten und wissenschaftlichen Methoden die Entwicklung auf unserem Planeten präzise zu dokumentieren. Eure Daten sind dabei weit mehr als das Ergebnis wissenschaftlicher Experimente. Sie sind ein Kompass für einen zukünftigen weltweiten Wandel und schenken uns klare Orientierung. Danke für die engagierte Arbeit. Es obliegt unseren Gesellschaften mit diesen Ergebnissen verantwortungsvoll umzugehen….
    Cheers
    Ranga Yogeshwar

  14. Dr.rer.nat. Lück, Andreas H.

    Moin und Ahoi an Crew & Forscher!

    Ich möchte Ihnen meine allergrößte Anerkennung und tiefen Respekt für Ihren Einsatz und Ihr Engagement aussprechen. Selbst in Zeiten, da man sich quasi dank Spitzentechnik und hochprofessioneller Logistik jederzeit überall aufhalten kann, bleibt Ihre Mission zweifellos etwas Besonderes.
    Als ehemaliger Polarforscher und Geowissenschaftler erhoffe auch ich mir fundamentale Erkenntniszuwächse aus Ihrer Arbeit und den angegliederten Forschungsinitiativen.

    Ich bin stolz auf diese Mission – sie ist bedeutsam und besitzt für die Deutsche Polarforschung Flaggschiffcharakter.

    Danke dafür – ich reise in Gedanken mit.

  15. Jürgen Meyer

    Hallo an die gesamte Crew,mit sehr grossem Interesse verfolge ich diese Expedition,wie schon die vorherige von der Überwinterung am südpo
    Ich wünsche Ihnen allen ein gutes Gelingen Bin sehr begeistert und bin gespannt wie sich unser.e klimatschen Bedingungen weiter verändern.
    Wünsche Ihnen allen eine tolle Vorweihnachtszeit im ewigen Eis .Grüsse an meinen Neffen Christoph Sterbenz

  16. Gabriele

    Liebe Crew,
    seit Beginn Eurer phantastischen Expedition
    begleite ich Euch und lese täglich die spannenden Kommentare.
    Euch allen ein ganz, ganz tolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch
    ins neue Jahr… mit Sicherheit, wie mir scheint.
    Liebe Grüße aus dem viel zu milden NRW.

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