Welcome on bord

Schaulustige auf dem Arbeitsdeck bei der Ausfahrt (Foto: Sophie Peschke)

Von Sophie Peschke

Auf diesen Moment haben wir alle gewartet. Aufgereiht stehen wir an der Reling und schauen gespannt in Richtung Achterschiff, Crewmitglieder und Wissenschaftler gleichermaßen. Unsere Kameras und Smartphones haben wir griffbereit. Der eine oder andere telefoniert noch mit den Liebsten und berichtet quasi live vom Ort des Geschehens. Erst schauen wir nach links und entdecken wie die Gangway mit einem Kran eingeholt wird. Dann schauen wir nach rechts. Alle Blicke sind auf den „Lineboy“ gerichtet. Er hebt die dicke, schwarze Leine hoch und wirft sie ins Wasser. Die Leinen sind los! Blitzschnell werden sie eingeholt und aufgerollt. Jetzt kann es losgehen.

Schaulustige auf dem Arbeitsdeck bei der Ausfahrt (Foto: Sophie Peschke)
Schaulustige auf dem Arbeitsdeck bei der Ausfahrt (Foto: Sophie Peschke)

Zwei Tage hat die Polarstern in Tromsö verbracht. Zuvor war sie am 10. Juli in Bremerhaven für die erste Expedition in diesem Sommer ausgelaufen. Für die Fahrt PS115/1 sind viele der 48 Wissenschaftler extra bis nach Norwegen angreist, um in Tromsö auf die Polarstern zuzusteigen. Am gestrigen Tag war auch die wissenschaftliche Crew bereits mit an Bord um auszupacken. Im Gegensatz zu einigen Koffern, die auf dem Flug nach Norwegen verloren gegangen waren, konnten die Container mit den Gerätschaften und Laboreinrichtungen bereits ausgeladen werden. Der Heliservice Mechatroniker Victor stand bei rund 13 Grad in kurzen Hosen auf dem Helideck des Schiffes. Bei 35 Grad war er in den Flieger in Deutschland gestiegen und ohne seinen Koffer im kühlen Norden Norwegens angekommen. Die vierwöchige Expedition ohne Wechselklamotten? Zunächst sah es für Victor nicht besonders gut aus. Kurz vor dem Auslaufen der Polarstern kam jedoch der Anruf vom Flughafen und Victor konnte seinen Koffer doch noch abholen.

Mit Victor und seinem Koffer an Bord schippert die Polarstern nun Richtung Grönlandsee. Unser Ziel: Vom Westteil des nördlichen Nordatlantik bis in die Wandelsee und dann nach Longyearbyen. Dort wird die Expedition am 3. September enden. Mit einer Geschwindigkeit von 10 Knoten bewegt sich die Polarstern derzeit fort. In vier Tagen sollen wir im Arbeitsgebiet sein. Auf dem Weg dahin gibt es allerdings auch schon erste Stationen.

„GREENMATE“ heißt das Hauptprojekt der Expedition, welches die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in diesem Sommer an Bord der Polarstern unter der Leitung von Dr. Volkmar Damm durchführt. Damit wird die letzte einer Reihe von Expeditionen im Rahmen eines 8-Jahres-Programms der BGR unternommen. Der Name der Expedition ist lediglich eine Abkürzung für „Greenland Margin Tectonic Evolution Project“. Hinter dem Begriff versteckt sich eine multidisziplinäre geowissenschaftliche Untersuchung. Die Wissenschaftler an Bord tragen zur Klärung des strukturellen Aufbaus und der tektonischen Entwicklung der Kontinentränder vor Nordost- Grönland bei. Dazu gibt es noch die Projekte ECHONEG, Mammals & Birds, YOPP, Hydroacoustics und Professional Mammal Observing Service. Die verschiedenen Arbeitsgruppen haben sich für die 30 Tage auf dem Schiff viel vorgenommen.

Bathymetrie, Nina und Mona (Foto: Sophie Peschke)
Bathymetrie, Nina und Mona (Foto: Sophie Peschke)

Da die Lotzentrale bereits eingerichtet ist, kann die Bathymetrie-Arbeitsgruppe gleich am ersten Tag loslegen. Gleich nachdem die Polarstern aus der 12-Meilen-Zone heraus ist, bekommt Anna mit ihrem Team mithilfe des Fächerecholotes in Echtzeit den Meeresboden angezeigt, der unter der Polarstern liegt. Zunächst zeigt das Fächerecholot rot und orange an. Die Meerestiefe beträgt also 1500 Meter, erklärt mir Anna. Ein paar Stunden später zeigt der breite Streifen uns hauptsächlich blau an, was bedeutet, dass die Meerestiefe nun um die 1700 Meter beträgt. Das Meer unter uns scheint tiefer und tiefer zu werden. In ein paar Tagen soll es um die 3 Kilometer tief sein. Besonders würde sich das Bathymetrie-Team freuen, wenn sie „Seemounts“, also Berge unter Wasser detektieren würden.

Aufbau der Wärmestromsonde (Foto: Sophie Peschke)
Aufbau der Wärmestromsonde (Foto: Sophie Peschke)

Ein erstes Highlight war bisher eine Hangrutschung, die mit dem Sedimentecholot festgestellt werden konnte. Fächer- und Sedimentecholot sind fest auf der Polarstern installiert. Anders sieht es mit den Gerätschaften aus, die die Mitarbeiter der BGR aus Hannover mitgebracht haben. Während die Arbeitsgruppe der Bathymetrie also schon voll im Einsatz ist, packt der Großteil der Wissenschaftler erst einmal ihre Zarges-Boxen aus und richtet die Labore und Geräte ein. Hans-Otto und Ingo sind auf dem Arbeitsdeck und kümmern sich gemeinsam mit einigen Crew-Mitgliedern um den Aufbau der Wärmestromsonde. Diese liegt zunächst noch waagerecht an Bord. Mit einem Kran wird sie aufgerichtet und einsatzbereit gemacht.

Marc, Andreas und Thomas bereiten den Releaser-Test für den morgigen Tag vor. Kabelgeführt sollen die Releaser zusammen in einem Korb beim Tiefentest in 1500 Meter runter gelassen werden. Allein das Runterlassen wird etwa eine halbe Stunde dauern. Erst dann können die Releaser akustisch angesteuert werden und auf Funktionsfähigkeit überprüft werden.

Ein paar Labore weiter treffe ich auf Martin und Manuel vom Arbeitsbereich Sedimentgeologie. Ihre erste Probennahme ist für übermorgen geplant. Mit Schwerelot, Multicorer und Dredge sollen Sediment- und Festgesteinproben zur Untersuchung an Bord geholt werden. Martin ist nicht zum ersten Mal dabei und berichtet mir von der Ausfahrt von vor zwei Jahren: „Das war richtig spannend, weil wir Karbonate gefunden haben, die uns Aufschluss über Gase und Flüssigkeiten im Boden liefern konnten“. Auch für diese Fahrt hofft der Bereich Sedimentgeologie auf aufschlussreiche Bodenproben.

Sichtung von Okras (Foto: WALOG)
Sichtung von Okras (Foto: WALOG)

Über der Brücke ist immer eine der Wahlbeobachterinnen anzutreffen. Schon in der ersten Nacht sind fünf Orkawale ganz nah an unserem Schiff vorbei geschwommen. „Der eine hat sich sogar auf die Seite gedreht“, berichtet Theresa vom Laboratory for Polar Ecology morgens beim Frühstück. Die Polarstern ist mittlerweile längst aus dem norwegischen Fjord heraus und um uns herum ist ausschließlich Wasser. Dass die Walbeobachter schon Wale gesichtet haben, ist für alle ein echtes Highlight. Stephanie, die Walbeobachterin von der Firma Seiche ist optimistisch, dass es noch viele weitere Sichtungen geben wird. „Dass wir schon gleich in der ersten Nacht Orkas gesehen haben, ist ein echter Jackpot, denn wir sind ja eigentlich erst auf dem Weg in deren Lebensgebiet“, erzählt sie mir. Während wir weiter und weiter Richtung Norden fahren, sehe ich hier und da

Wahlbeobachterin Stephanie (Foto: Sophie Peschke)
Wahlbeobachterin Stephanie (Foto: Sophie Peschke)

Anti- Seekrankheitspflaster hinter den Ohren oder Armbänder an den Handgelenken, die die Seekrankheit vorbeugen sollen. Seekrank scheint jedoch noch keiner geworden zu sein. Als Polarstern-Neuling hoffe ich, dass es nicht nur an dem bis jetzt noch ruhigen Seegang liegt. Alle freuen sich auf die erste Station und den Releaser-Test morgen und darauf eventuell gerade dann auf dem Deck zu sein, wenn wieder ein paar Wale vorbei schwimmen. Der erste Tag auf der Polarstern macht Hoffnung auf viele weitere spannende Momente an Bord.

Leser:innenkommentare (7)

  1. Sylviapeschke@aol.com

    Hallo Sophie,
    dein Artikel ist für jedes Greenhorn gut lesbar:)
    Weiter so!
    Deine stolze Mama:)

  2. Harry Hole

    This is an amazing article. Even when translated to English through google it turned out brilliant! Great writing Ms Peschke.

  3. Matina Lütjens

    Liebe Sophie,

    vielen Dank für den sehr ausführlichen Bericht und die anschaulichen Fotos.! Man bekommt so eine gute Vorstellung über die Arbeiten und das Leben an Bord und kann die Reise wunderbar mitverfolgen.
    Mit liebem Gruß aus dem „heißen“ Norden Deutschlands (Hamburg) von der Mutter von Mona ( Matina Lütjens)

  4. Nicole Bings

    Toller Artikel – man hat das Gefühl dabei zu sein! Weiter so!

  5. Jürgen Peschke

    Hallo Sophie, Liebe Grüße aus Marbach am Neckar von deinem Onkel Jürgen. Ich wünsche Dir noch eine gute Zeit auf dem Schiff. Toller Artikel. Weiter so.

  6. Roland Kurth

    Hallo Nina – Marie, wünsche dir und der ganzen Crew unvergessliche, tolle Eindrücke von der Exploration und drücke alle Daumen, dass alle gesund und unversehrt zurückkehren – und immer aufpassen – nicht gegen den Wind spucken.

  7. Manfred Hilgers

    Ich bewundere Euren Mut bei einer solchen Aktion teilzunehmen. Ein bis`chen kann ich es nachvollziehen da ich selbst mal Seemann war bei der Bundsmarine. Nur soweit in den Norden sind wir damals nicht gekommen. Lang lang ist`s her.

    Schöne Grüße und kommt gesund wieder nach Hause

    Manfred

Schreibe einen Kommentar zu Harry Hole Antworten abbrechen

Verwandte Artikel