Dreifach hält besser – Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt

Ein Eisbär schaut neugierig der Polarstern hinterher. Foto: Marc Hiller

Von Viktoria Timkanicova |

Eine Ringrobbe kurz bevor sie ins Wasser springt. Foto: Marc Hiller

Ich stehe mit meiner Teamkollegin Maria auf dem Brückendeck und wir schauen auf das Heli-Deck hinunter. Die Sonne begleitet uns schon seit zwei Tagen und verbreitet gute Stimmung auf dem Schiff. Wir ziehen an den schneeweißen Eisschollen vorbei, eine einzigartiger als die andere, und ich beobachte ihre Spiegelungen an der Meeresoberfläche. Ein Teil der wissenschaftlichen Crew und der Besatzung entspannt sich in der Sonne. Auf einmal höre ich eine Stimme rufen: „Eisbär! Ein Eisbääär!“. Sofort stürmen die Fahrtteilnehmer von dem Heli-Deck zur Reling und versuchen mit zusammengekniffenen Augen, den sich bewegenden Punkt am Horizont zu erkennen. Die Einen finden den arktischen Bär mithilfe eines Fernglases, die Anderen versuchen es mit dem bloßen Auge. Ich habe das Glück und erkenne den Polarbären auf den ersten Blick und das obwohl das blendende Gegenlicht nur seine Umrisse sichtbar macht. Ich muss meine Augen stark anstrengen, aber in etwa einem Kilometer Entfernung erkenne ich seinen kräftigen Körperbau und das gelblich-weiße Fell. Der Polarbär steht prächtig auf seiner Eisscholle und schaut neugierig, wie sich Polarstern langsam aus seinem Reich entfernt.

Michel sichtet die Meeressäuger und Seevögel mit einem Fernglas und Teleobjektiv. Foto: Sophie Peschke

Es ist jetzt schon zwei Tage her, als ich das erste Mal einen Polarbären gesichtet habe und trotzdem lässt die Faszination nicht nach. Das Thema Eisbär lässt mich nicht los und ich besuche Michel Watelet vom Brüsseler Laboratory for Polar Ecology an seinem gewohnten Arbeitsplatz auf der Brücke. Ich möchte mehr über die Polarbären erfahren. Von hier aus hält Michel in einer 4-Stunden Schicht gemeinsam mit seinen Kollegen Henri und Theresa rund um die Uhr Wache, um innerhalb eines eigenständiges Langzeit-Beobachtungsprogramms die Verteilung und Häufigkeit der Seevögel und Meeressäugetiere in den Polarregionen zu erfassen. Er verrät mir, dass die Polarbären in der Entfernung meistens nur als gelbe Punkte in der sonst so weißen Landschaft hervorstechen. „Polarbären sind Einzelgänger. Wenn man einen gesichtet hat, ist die Wahrscheinlichkeit relativ niedrig, dass sich in seinem Territorium noch ein weiterer befindet,“ sagt er. Ein anderes Indiz für die Anwesenheit von Polarbären sind Robben, denn diese sind die Hauptnahrungsquelle der weißen Raubtiere. In der arktischen Region gibt es hauptsächlich vier Robbenarten: die Ringelrobbe, Bartrobbe, Sattelrobbe und Mützenrobbe. Vor allem die Ringelrobbe sucht sich Eisschollen mit Löchern ihrer Körpergröße als Ruheplätze aus, damit sie im Falle eines Polarbärangriffs schnell in diese Verstecke reinschlüpfen kann. Auf den Eisschollen kann man die Säugetiere mit langgestreckten plumpen Körpern und flossenartigen Gliedmaßen relativ gut erkennen. Tauchen sie jedoch in ihre Löcher oder aber ins Wasser ein, erschwert das die Sichtung der Robben. Zum Glück gibt’s an Bord von Polarstern das neuangebrachte Infrarotsystem, das die Detektion von Meeressäugern erleichtert. „Ich werde heute noch einen Polarbären sichten!“, sagt Michel entschlossen und setzt das Fernglas wieder an.

Mareen und Stefan können im MMO-Raum mithilfe des Infrarotsystems Meeressäuger in der Umgebung detektieren. Foto: Viktoria Timkanicova

Eine Etage unter der Brücke besuche ich Mareen im „Marine Mammal Observation Room“. Hier werden die zwei Systeme AIMMMS (Automatic Infrared-based Marine Mammal Mitigation System) und PAM (Passive Accoustic Monitoring) als Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt während der seismischen Messungen eingesetzt und überwacht. Sie erklärt mir, wie das Infrarotsystem funktioniert: „Die Infrarotkamera ist am Krähennest angebracht und dreht sich knapp 10 Mal pro Sekunde um 360 Grad. So ermöglicht sie die Temperaturunterschiede in der Umgebung auf große Entfernung zu erkennen. Dadurch ist es einfacher Lebewesen auf Wasser oder Eis zu detektieren.“ Wenn ein Wal beispielsweise zum Atmen an der Meeresoberfläche auftaucht und eine Atemluft ausbläst, kann die Wärmebildkamera das Reflektionsverhalten der Wassertröpfchen beobachten. Mareen zeigt mir drei große Monitore auf denen sie die Meeressäuger als helle weiße Punkte bis hin zum Horizont finden kann. Eine grüne Linie auf jedem Bildschirm zeichnet die „Exclusion-Zone“ an. Sichtet Mareen einen Meeressäuger innerhalb der Exclusion-Zone kann sie per Funkgerät Michel und den anderen MMO’s, also Marine Mammal Oberservers, an Bord Bescheid geben. Die wiederum, können optisch überprüfen, ob der Meeressäuger sich innerhalb der 500 Meter Exklusionszone befindet. Ist die Detektion des Meeressäuger bestätigt, wird die Seismikarbeitsgruppe umgehend per Funk informiert und die Luftpulser werden abgeschaltet. Stefan, Verantwortlicher für das Infrarotsystem an Bord von Polarstern, setzt sich zu Mareen und überprüft nochmal die Detektion der letzten Minuten. „Das Ziel mit dem neuen System ist, dass wir die Tiere früher als bislang rund um das Schiff erkennen und die MMO’s darauf hinweisen können, sodass die Anwesenheit der Meeressäuger dann entweder visuell oder mithilfe von PAM bestätigt werden kann. AIMMMS ist also eine Methode, die sich mit den anderen ergänzt,“ erklärt Stefan.

Stephanie von der Firma Seiche kann mithilfe des Fernglases und PAM-Systems die Meeresumgebung sichten. Foto: Viktoria Timkanicova

Schräg gegenüber im Raum sitzt Stephanie von der Firma Seiche. Sie ist eine der zwei MMO’s an Bord der Expedition PS115.1, die für die Reise unter Vertrag genommen wurden. Zusammen mit ihrer Kollegin Eva ist sie als Meeressäugerbeobachterin mithilfe des Passive Accoustic Monitorings für die frühzeitige Erkennung der Tiere verantwortlich. Genauso wie Michel ist Steph stets mit ihrem Fernglas anzutreffen. Meistens läuft sie zwischen der Brücke, dem Deck und dem MMO-Raum hin und her, damit sie den größtmöglichen Überblick der Umgebung behalten kann. Nun treffe ich Steph im MMO-Raum, sodass sie mir die PAMGuard-Software erklären kann. Jedes Mal bevor das Streamerkabel abgetrommelt wird, wird auch das 200 Meter lange Kabel mit den 4 Hydrophonen eingesetzt. „Das Ziel des Detektors ist es, beispielsweise in dieser Region, die Narwal-Laute aufzunehmen,“ erläutert sie. Die Mischung aus Quietschen und Klick-Lauten, die der Narwal produziert, kennt Steph mittlerweile nur zu gut. Sie zeigt mir die zwei Monitore mit denen sie arbeitet: Auf dem rechten werden mithilfe verschiedener Spektogramme die hohen und auf dem linken die niedrigen Frequenzen aufgezeichnet. So kann Steph mithilfe von Kopfhörern die akustische Signale des PAM-Systems empfangen, während sie gleichzeitig visuell auf dem Deck die Meeresumgebung sichten. Das nenne ich Multitasking!

Diese Zusammenarbeit der visuellen Beobachtung von Meeressäugern und Seevögeln, der hydroakustischen Überwachung der Meeresumwelt, sowie des Infrarotsystems erleichtert und beschleunigt die frühzeitige Erkennung der Tiere in der Umgebung des Schiffes.

Bereits am ersten Arbeitstag des seismischen Messbetriebs hat das Infrarotteam gemeinsam mit den MMO’s und den Meeressäuger– und Seevögelbeobachtern, 16 Robben frühzeitig gesichtet. So konnte als Vorsorgemaßnahme zum Schutz der Meeresumwelt die Intensität der Luftpulser rechtzeitig heruntergefahren werden. Was es mit den Luftpulsern und dem seismischen Streamer auf sich hat und warum die seismischen Untersuchungen während unserer Expedition unternommen werden, werde ich im nächsten Blogeintrag verraten. Bis dahin halte ich Ausschau nach gelben Punkten in der Eislandschaft.

Leser:innenkommentare (4)

  1. Mamina

    Supeer

  2. Mamina

    Tvoj prvý blog :)))) teším sa . Niektoré slova mi musíš preložiť :)))

  3. Luftpulser und Eiserkundung – Woche 3 auf Polarstern – Polarstern-Blog

    […] Kai und ich haben einen wunderbaren Ausblick auf das dunkelblaue Wasser und die vereinzelten Eisschollen, an denen Polarstern vorbeizieht. Wäre das Eis dichter, könnte der 3 Kilometer lange Streamer nicht so gut hinter dem Schiff geschleppt werden. Vor allem wenn das Schiff aufgrund von zu dickem Eis stoppen müsste, wäre das für die seismischen Untersuchungen ungünstig. Im schlimmsten Fall könnte das Streamer-Kabel bei einem Stopp Schaden nehmen, wenn es auf das Schiff oder womöglich die Schiffsschraube trifft. Bei dieser Ausfahrt ist aber zum Glück bisher alles gut verlaufen. Damit das so bleibt, werden auch weiterhin die MMO’s Ausschau nach marinen Säugetieren halten, damit die Luftpulser im Falle einer Sichtung, auf die Mitigation umgestellt werden können (mehr dazu gibt es im letzten Blogartikel). […]

  4. Die Highlights der Reise PS115.1 – Polarstern-Blog

    […] Die Sichtung des Eisbären war auch für Stefan von Besonderheit, da er ihn erfolgreich mit dem Infrarotsystem detektiert hat. „Das war hochspannend“, erzählt er mir. Er habe auf dem Bildschirm einen Punkt angezeigt bekommen und die Detektion gleich per Funk an die Marine Mammal Observer (MMO) weitergegeben, sodass diese den Eisbären visuell bestätigen konnten. Daraufhin haben die MMOs die Seismikarbeitsgruppe informiert, damit die seismischen Untersuchungen auf Mitigation umgestellt wurden (Vorsorgemaßnahmen zum Schutz). […]

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