Das war ‘ne super Dredge

Die Stimmung an Bord ist erstklassig. Das Dredgen war überaus erfolgreich. Foto: Sophie Peschke

Von Sophie Peschke |

Das an Bord holen der Dredge lässt sich keiner entgehen. Vom Helideck lässt sich alles wunderbar beobachten. Foto: Sophie Peschke

Wir warten. Seit etwa einer halben Stunde schon sind wir auf dem Helideck und starren auf ein Drahtseil, dass eingeholt wird. Das Arbeitsdeck ist abgesperrt, weil das Seil unter enormer Spannung steht. Das Kommando „Dredgen mit 0,1 m/s“ hatte Wolfram soeben auf der Brücke gegeben. Gleich wird es so weit sein und die um 6 Uhr ins Wasser gelassene Dredge wird zurück an Bord geholt. Mittlerweile ist es 10 Uhr. Wir malen uns die verschiedenen Szenarien aus: Es kann sein, dass die Dredge nicht mehr hoch kommt, festhängt und dass das Drahtseil gekappt werden muss. Rund vier Stunden lang haben wir die baggerschaufelartige Dredge über den Meeresboden schleifen lassen, in der Hoffnung, uns Festgesteinproben hochzuholen. Das positivere Szenario wäre, dass die Dredge nach oben kommt, bestenfalls voll mit Gestein, welches dann studiert werden kann. Auf dem Helideck wird es voller und voller. Auch Kapitän Thomas Wunderlich und der 1. Offizier Felix Kentges stehen oben und schauen sich das Spektakel an, daneben stehen Marc und Andreas vom Arbeitsbereich Refraktionsseismik. Plötzlich taucht die Dredge auf. Wenige Minuten später hängt sie weit oben am Drahtseil und baumelt über dem Wasser. Die Crewmitglieder versuchen sie mit einem Haken einzufangen.

Nach vier Stunden dredgen kommt die Dredge zurück an Bord – inklusive Boden- und Festgesteinproben. Foto: Sophie Peschke

Nach ein, zwei Versuchen gelingt es und wir erhaschen einen Blick auf den Inhalt. Die Dredge ist vom unteren Teil des Eisennetzes bis nach ganz oben hin voll. Was für ein Erfolg! Die wissenschaftliche Crew atmet auf, während die Dredge auf den Boden am Achterschiff abgelegt wird. Sie wird geöffnet und das Absperrband entfernt, sodass die Wissenschaftler näher treten können. Zuerst stehen wir im Kreis um das Gestein herum. Es riecht nach Meer und ist ausnahmslos dunkel. Große und kleinere Brocken haben wir vor uns liegen. Nach einigen prüfenden Blicken treten wir noch ein Stück näher und die wissenschaftliche Crew beginnt die kleineren Steine einzutüten. Die großen werden auf Rollwagen gelegt. Jetzt können Sie ins Labor gebracht werden. „Das war ‘ne super Dredge“, sagt Martin mir, einen besonders großen Stein in der Hand haltend. Es ist schön, die Wissenschaftler so zufrieden zu sehen.

Aus 2500 Meter Tiefe wurde das Gestein an Bord von Polarstern geholt. Foto: Sophie Peschke

Die Uni Bremen, für die Max stellvertretend an Bord von Polarstern ist, untersucht die Geodynamik der Polargebiete. Was Max und seine Kollegen in Bremen interessiert, ist die tektonische Entwicklung von Nordostgrönland der letzten circa 80 Millionen Jahre und die damit verbundene Öffnung des Nordatlantiks. Das Dredgen wurde gestern im Bereich des Ostgrönlandrückens unternommen. Dieser ist mit einer Länge von 140 nautischen Meilen, also rund 260 Kilometer, erstaunlich lang. Das entspricht etwa der Strecke von Münster nach Hamburg. Die gedredgten Gesteinsproben wurden bisher noch nicht viel untersucht, sodass erst einmal geklärt werden muss, um welche Gesteine es sich handelt und woher diese stammen.„Das war hochspannend, als die Dredge so über den Boden fuhr“, sagt Max. Die Stimmung an Bord ist erstklassig. Alle freuen sich über das viele Material. „Diese Dredge war extrem erfolgreich,“ sagt auch Fahrtleiter Volkmar Damm während des abendlichen Meetings der gesamten wissenschaftlichen Crew.

Die Festgesteinproben werden eingetütet und können schon bald an der Uni Bremen untersucht werden. Foto: Sophie Peschke

Einen Tag später kann Max es nicht so richtig abwarten und möchte die Gesteine gleich untersuchen. Eine erste petrographische Analyse der Gesteine an Bord erlaubt bereits eine grobe Einordnung der Gesteine hinsichtlich deren Zusammensetzung und Herkunft. Mehr und genauere Analysen an den Proben werden dann aber erst in Bremen gemacht. Sobald die Untersuchungen an den Proben im Rahmen einer regionalen Studie abgeschlossen sind, gibt es eine Publikation mit allen Ergebnissen. „Voraussichtlich in drei Jahren“, sagt Max. Ein wenig müssen wir uns also noch gedulden bis wir wissen, wie der Ostgrönlandrücken aufgebaut ist und inwiefern er Aufschluss über die mögliche Öffnung des Nordatlantiks gibt, vor allem weil die Dredge nur eine Punktinformation liefern kann.

Mindestens genauso spannend war der Test des Schwimmverhaltens der Luftpulser, der kurz nachdem die Dredge erfolgreich zurück an Bord geholt werden konnte, vorgenommen wurde. Timo und Thomas, die den Trägerrahmen für die Luftpulser gebaut haben, sind gespannt. Rund 20 Crewmitglieder halten Seile und beobachten, wie die orangene Kugel mit den 6 Meter langen Ketten in die Luft gehievt wird. Langsam und bedacht wird das Gerät vom Achterschiff ins Wasser gelassen. Der von den zwei Kugeln gehaltene Luftpulserrahmen schwimmt. Der Floatation Test ist geglückt und die seismischen Untersuchungen können in einigen Tagen aufgenommen werden. Gleich zwei Vorhaben konnten heute also erfolgreich durchgeführt werden. Am Abend werden die Wärmestromsonde, das Schwerelot und der Multicorer erstmals eingesetzt. Diese erste Woche der Fahrt PS115/1 ist hochspannend und jeden Tag gibt es neue Untersuchungen und erste Ergebnisse. Worauf alle insgeheim noch hoffen, ist Eisberge zu sichten. Für die seismischen Untersuchungen wäre das nicht förderlich, da hierfür die Polarstern in ständiger Bewegung bleiben muss. Doch die Satellitenbilder, die Christian vom Deutschen Wetterdienst uns zeigt, machen insgeheim doch Hoffnung, dass wir schon bald auf die eine oder andere Eisscholle treffen könnten. Vor allem diejenigen, die zum ersten Mal auf Polarstern sind, hoffen darauf, bald Eisberge im arktischen Gewässer sehen zu können.

 

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