Bathymetrie – Bathywas? – Meeresbodenvermessung!

Unterwasserberg ‚Seamount‘ mit Krater . Quelle: P. Slabon

In Zeiten von Google Earth glauben viele, die Erde und ihre Ozeane wären komplett vermessen. Dabei ist bisher noch relativ wenig über die die Strukturen des Meeresbodens (Meeresbodentopographie = Bathymetrie) bekannt. So sind in aktuellen Karten der Ozeane weniger als 18 % der Fläche durch direkte Tiefenmessungen bestimmt, während der Rest genähert wird. So scheint es einem dann ein wenig sonderlich, dass beispielsweise die Topographie des weit entfernten aber nicht mit Wasser bedeckten Mars wesentlich genauer vermessen ist als der Boden unserer Meere. Aber das wollen unter anderem wir Bathymetriker hier an Bord von Polarstern ändern!

Unterwasserberg ‚Seamount‘ mit Krater auf dem Transit in Richtung Neumayer III Station. Der Berg ist ca 6 km im Durchmesser und ca 700 m hoch: Quelle: P. Slabon

Wenn wir an Bord gehen, haben wir im Vergleich zu anderen Gruppen den Luxus, dass wir keine Kisten schleppen müssen. Wir setzen uns einfach in unser komplett eingerichtetes Büro mit lauter Computern und zig Bildschirmen ringsum: die Lotzentrale. Die Bildschirme zeigen uns bei Betrieb des fest installierten Fächerecholotes in Echtzeit den Meeresboden, der unter uns liegt. Ähnlich einer Fledermaus sendet unser Echolot akustische Signale aus, die vom Meeresboden reflektiert und anschließend wieder empfangen werden. Aus der Laufzeit dieser Signale vom Schiff zum Meeresboden und zurück lassen sich so die Wassertiefen berechnen. Das Fächerecholot sendet mit einem ‚Ping‘ mehrere Signale gleichzeitig in einem Fächer rechtwinklig zur Fahrtrichtung aus – daher der Name. So kann gleichzeitig ein breiter Streifen am Meeresboden vermessen werden. Je nach Tiefe kann dieser Streifen am Meeresboden bis zu 15 Kilometer und mehr betragen.

Zusätzlich zum Fächerecholot benutzen wir auch noch ein sogenanntes Sedimentecholot. Dieses kann zwar nicht im Fächer eine größere Fläche vermessen, bietet dafür aber, wie der Name sagt, die Möglichkeit in die obersten Sedimentschichten des Meeresbodens direkt unter dem Schiff zu schauen. Dafür sendet es einen Ping mit niedrigerer Frequenz aus, der von den unterschiedlichen Schichten unter dem Meeresgrund je nach Zusammensetzung stärker oder weniger stark reflektiert wird. Unter optimalen Bedingungen können wir mit diesem System bis zu 200 m tief in den Meeresboden hinein blicken.

Wenn wir also hier in der Antarktis von wissenschaftlicher Station zu Station fahren, laufen unsere Echolote durchgehend mit und zeichnen neue Daten auf. Dieser Betrieb rund um die Uhr erfordert, während der gesamten Expedition im Schichtbetrieb die Lotsysteme zu betreuen, um eine gute Datenqualität zu gewährleisten und sicherzustellen, dass keine Daten verloren gehen. Zudem achten wir auch durchgängig darauf, möglichst viel in unkartierte Gebiete zu fahren. Dazu versetzen wir, wenn erforderlich und es die Eissituation, sowie die Zeitplanung zulässt, unsere Fahrtroute. Zudem fahren wir gelegentlich auch sogenannte Matratzen, bei denen das Schiff parallel zum alten Track versetzt hin und her fährt, um gezielt eine größere Fläche des Meeresbodens genauer zu erkunden.

Durch das Vermessen von unbekanntem Meeresboden gibt es für uns auch immer wieder neue Strukturen zu entdecken. Das fühlt sich ein wenig an, wie fremde Welten zu erkunden. So haben wir auf unserer Reise bereits mehrere kleine Seamounts – also Unterwasserberge – entdeckt. Leider sind die bisher von uns auf dieser Expedition gefunden Berge zu klein, um sie offiziell benennen zu dürfen, aber wer weiß, vielleicht finden wir ja noch etwas größere Berge.

Blick von unserem Zweit-Arbeitsplatz auf der Brücke von FS Polarstern. Foto: J. E. Arndt

Der eigentliche Grund unserer Arbeit ist aber ein anderer: Wir wollen auf dem Kontinentalschelf Strukturen kartieren, die vor langer Zeit durch Eisschilde entstanden sind. In der Vergangenheit, wie zum Beispiel der letzten Eiszeit vor rund 25000 – 19000 Jahren waren die antarktischen Eisschilde deutlich größer als heute. Sie reichten teilweise so weit hinaus, dass diese Gegenden heute nach dem Rückzug des Eises im Ozean liegen. Diese Eisschilde haben bei ihren Vorstößen den heutigen Meeresboden bearbeitet und Strukturen geformt, die wir heute mit unseren Loten kartieren können. Zum Beispiel der große Filchner Trog, mit Ausmaßen von über 1000 km Länge, mehr als 100 km Breite und Tiefen von über 1000 m, wurde über die Jahrtausende immer wieder von Eisströmen – quasi riesigen Gletschern – in den Boden gefräst. Neben diesen riesigen Strukturen interessieren uns aber vor allem auch kleinere Strukturen wie Endmoränen, Lineationen und Eisbergkratzer. Diese Strukturen können uns nämlich Aufschluss darüber geben, wo und in welche Richtung Eisströme flossen, wie weit diese reichten, wie deren Rückzugsverhalten am Ende der Eiszeit war und welche Größen von Eisbergen produziert wurden. In enger Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus der Geologie lassen sich einige dieser Prozesse anschließend auch noch mittels Datierung von Sedimentkernen zeitlich einordnen und erlauben somit eine Rekonstruktion der Eisschildentwicklung. Dies ist wichtig, um die Prozesse in einem Eisschild zu verstehen und um abschätzen zu können wie sich dieses System verhält, wenn sich die Umwelt verändert.

Zusätzlich zu der direkten wissenschaftlichen Auswertung der Daten werden die bathymetrischen Daten dieser Expedition in internationale Kartierungsprojekte eingebunden. Für die Antarktis heißt dieses Projekt IBCSO ‚International Bathymetric Chart of the Southern Ocean‘. Dort werden sämtliche Daten von allen in der Antarktis fahrenden Schiffen zusammengetragen und anschließend wird hieraus ein Meerestiefenmodell gerechnet. Dieses steht anschließend Jedermann zu Verfügung.

Leider bleiben, trotz des Aufwandes, viele weiße Flecken- selbst auf den neuesten Karten. Es gibt also noch einiges am Meeresboden zu entdecken und noch viele Wissenslücken zu schließen. Mit diesem Gedanken lassen sich dann auch die Nachtschichten hier an Bord besser ertragen.

Von: Patricia Slabon, Anne Braakmann-Folgmann, Jan Erik Arndt

Leser:innenkommentare (1)

  1. Monsebutter

    Micha Butter soll auch was posten!
    Wir lesen‘s!
    Monse

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