Von Ulrich Küster |
Als gebürtiger Norddeutscher hatte ich bisher den Begriff „Beluga“ immer mit den großen Airbus Transportflugzeugen in Verbindung gebracht, die bei passendem Wind im Landeanflug auf Finkenwerder über den Garten meiner Eltern flogen. Unfassbar große Maschinen, bei denen es mir schwer fiel zu glauben, dass so etwas überhaupt fliegen kann.
Ähnlich ging es mir lange Zeit mit Helikoptern. Ab und an sieht man mal einen ADAC Hubschrauber in mittlerer Höhe über die Stadt flitzen, selten kommt man aber mal nah an einen Helikopter heran, geschweige denn kann man einfach mitfliegen.
Ganz anders ist da die Arbeit auf der Polarstern. Hier gehören die Helikopter D-HARK und D-HALT zum wissenschaftlichen Equipment, fast schon wie die CTD oder das Fischernetz, welches auf dieser Reise verwendet wird, um die Population des hier lebenden Polardorsches zu erforschen. Mehrmals täglich hört man ein Brummen um kurz darauf einen orange-blauen Helikopter an seinem Bürofenster vorbeifliegen zu sehen. Hauptsächlich fliegt der Helikopter vom Typ BK 117 von Lars Vaupel und Jan Kendzia, zwei Piloten der Firma Heli Service. Gemeinsam mit den Mechanikern Jan Gregalis und Roland Richter betreuen sie jegliche Forschung, bei der der Helikopter benötigt wird.
Unter anderem werden sogenannte Schmelztümpel auf dem Eis untersucht. Wenn im Sommer die Temperaturen steigen, bilden sich an manchen Stellen auf dem Eis kleine Tümpel, die mit der Zeit wachsen und teilweise auch komplett durchschmelzen. Da diese dunkler als das Eis sind, können sie mehr einfallende Sonnenstrahlung absorbieren und beschleunigen so das Tauen des Eises. Um die Tümpel und deren optische Eigenschaften besser einschätzen und quantifizieren zu können, sind in der BK117 zwei Kameras eingebaut, mit denen die Schmelztümpel aus 600 Meter Höhe abgescannt werden können. Aufgrund des Gewichtes der Messelektronik muss neben der Person, die die Messung steuert immer noch eine „Ballastperson“ auf dem Copilotensitz mitfliegen, um die Flugstabilität beizubehalten. Ein Job, für den sich erwartungsgemäß immer jemand findet. Am Montag den 26.06. war es dann auch endlich für mich so weit, als die zuständige Wissenschaftlerin Gerit Birnbaum an mir vorbei lief und fragte, ob ich nicht auch mal im Heli mitfliegen wolle.
Lange Zeit zum Überlegen gab es nicht (brauchte ich auch nicht), denn in einer halben Stunde sollte es bereits los gehen. Einchecken und Sicherheitskontrolle ist zum Glück nicht nötig, allerdings muss für den Notfall vor jedem Flug ein Überlebensanzug angezogen werden. Dazu gibt es noch einen Helm mit eingebauter Funkanlage für die Verständigung an Bord und eine Sicherheitseinweisung für das Verhalten im Notfall. Auf dem Helideck ist dann schon immer reger Betrieb. Die Rotorblätter müssen ausgefaltet werden und entsprechend der Flugdauer und Beladung wird der Helikopter betankt. Währenddessen kann man sich schon mal auf seinem Fensterplatz setzen und sich mit dem überraschend geringen Platz vertraut machen. Beinfreiheit gibt es nicht wirklich, da im Fußraum des Copilotensitzes die zwei Pedale für den Heckrotor eine Menge Spielraum einnehmen.
Das alles ist verkraftbar, sobald die Turbinen gestartet werden und die Rotoren zu drehen beginnen. Mit unerwarteter Leichtigkeit lässt Lars Vaupel den Heli dann abheben und innerhalb weniger Minuten ist die Polarstern nur noch als kleiner Punkt am Horizont zu erahnen. Während des zweistündigen Fluges wird dann dauerhaft die Eis- und Meeresoberfläche gemessen und über markanten Punkten Schleifen geflogen, um die gleiche Stelle aus verschiedenen Blickwinkeln zu messen. Das Eis von oben ist alles andere als nur weiß. Die vielen Schmelztümpel sind meist türkisblau, teilweise tiefgrün, wenn Algen im Wasser leben. Höhepunkt waren schließlich nach knapp einer Stunde Flugzeit mehrere Schulen eben jener, mir bis dahin vom Namen ironischerweise nur aus der Luft bekannten, Belugas, die in Gruppen von jeweils über zehn Tieren um eine Scholle im offenen Wasser schwammen. Fast sah es aus, als würden sie gemeinsam überlegen, wohin als nächstes geschwommen wird, so wie sie da in Formation zwischen dem Eis lagen. Ihre beige-farbene Oberfläche schien für den Lebensraum eher fremdartig. Von unserem Überflug ließen sie sich scheinbar nicht beirren. Kurz darauf begann auch schon der Rückflug und ebenso sanft wie beim Start landeten wir wieder auf dem Helideck der Polarstern.
- Bordhelikopter. Foto: Ulrich Küster
- Helikopterstart. Foto: Ulrich Küster
- Schmelztümpel. Foto: Ulrich Küster
- Beluga-Wale. Foto: Ulrich Küster
- Beluga-Wale. Foto: Ulrich Küster
- Polarstern wird rasch kleiner. Foto: Ulrich Küster
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