Eis in Sicht

Love. Foto: Natalie Prinz

Von Natalie Prinz |

Narwale. Foto: Natalie Prinz
Narwale. Foto: Natalie Prinz

Nun sind wir bereits drei Wochen im Namen des ‚G.R.I.F.F.’ Projektes auf der PS 100 Expedition zwischen Spitzbergen und Grönland unterwegs. Nachdem wir uns seit der zweiten Woche im Eis befinden, hat sich einiges getan, denn mit dem Eis kommen sowohl viele Herausforderungen, als auch erfreuliche Überraschungen. Hier im arktischen Ozean erstreckt sich die minimale Ausdehnung des Eises im Sommer der Nordhalbkugel in den letzten Jahren zirka 7 Millionen km2 (im Vergleich zu bis zu maximal 15km2 im Winter). Wir liefen also direkt auf die Eisgrenze zu und, da die Polarstern mit der höchsten deutschen Eisklasse ARC3 perfekt für die Konfrontation mit den kalten Schollen gemacht ist, genau in das Eis hinein. Für viele von uns war das erste Eisbrechen sehr spannend. Da nahe an der Eisgrenze die See abschwellt und mit unserer Route auch der Wind nachließ, ist das Gefühl mit dem Schiff das Eis zu durchbrechen nicht wirklich mit Seegang zu vergleichen. Die Polarstern hat 11 m Tiefgang und ihr Bug ist sehr steil geformt. Damit schiebt sie kleinere Eisschollen, einfach aus dem Weg. Seit die Eisdecke dicker wurde und die Offiziere auf der Brücke die Schollen nicht mehr so leicht umfahren konnten, schiebt sich die Polarstern sozusagen auf das Eis und bricht es mithilfe ihres Gewichts und der Fahrtgeschwindigkeit einfach durch. Wenn Eis und Schiff kollidieren ist dies nicht nur an den unberechenbaren Bewegungen des Schiffes zu spüren, sondern auch zu hören.

Eisbaerenjungen. Foto: Natalie Prinz
Eisbaerenjungen. Foto: Natalie Prinz

Als studentische Hilfskraft des Biologie Teams bin ich hauptsächlich daran beteiligt, Zooplankton mit einem Multinetz zu fangen, die Tiere auszuwerten und bei den Experimenten zu helfen. Da uns vor allem interessiert, wer wen frisst, beginnen wir ganz unten im Nahrungsnetz bei der Analyse von Eisalgen. Am 3. August haben wir mit dem Schiff an einer großen Eisscholle „angelegt“ und sind mit einem Kran vom Schiff aus auf das Eis gehoben worden, um dort einen Eiskern zu bohren. Diesen Kern haben wir an Bord geschmolzen und das Wasser nach Eisalgen gefiltert, um zurück an der Universität herausfinden zu können, inwiefern sich die Bestandteile der Eisalgen in den verschiedenen Kleintieren als Nahrungsgrundlage zeigen. Ein weiterer Teil unseres Projektes ist, größere Tiere, wie Seevögel, Meeressäuger und Eisbären, zu zählen, denen wir auf unserer Route begegnen. Wir haben uns daher mit den zwei südafrikanischen Wissenschaftlern zusammengetan, die als Maschinenbaustudenten die Vibrationen des Schiffes untersuchen, wenn es durch Eis fährt. Da die beiden in Schichten von der Brücke aus das Eis beobachten, schlossen sich die sechs Mitglieder unseres Teams ihnen an. Die Kooperation besteht darin, dass wir Daten über das Ausmaß und die Verteilung des Eises rund ums Schiff aufnehmen sowie dabei nach Tieren Ausschau halten und jede Sichtung ebenfalls notieren.

Polarstern. Foto: Natalie Prinz
Polarstern. Foto: Natalie Prinz

Unser Untersuchungsgebiet bildet eine ‚Box’, die wir zwischen dem 0° Meridian und 7° West, sowie 79° Nord bis 80,5° Nord abfahren. Die Polarstern ist mit zwei Helikoptern ausgestattet und diese werden für Eisbeobachtungen, Tierzählflüge, Transport und weitere wissenschaftliche Zwecke verwendet. Dass ich gestern bei einem der Tierzählflüge über das innere der ‚Box’ mitarbeiten konnte hat mich sehr gefreut. Die Anblick des unendlichen Meereises aus ca. 70m Höhe erfüllte mich mit Demut: Als die Polarstern kleiner und kleiner wurde und irgendwann nicht mehr zu sehen war, wurde mir wieder mal bewusst, wie winzig wir Menschen doch sind in den Weiten der Natur. Nichtsdestotrotz haben wir so große Bestrebungen, unsere Umwelt besser zu verstehen. Auf dem Flug sahen wir eine Schule Narwale, die gemächlich durch eine etwas größere eisfreie Fläche zogen und sogar vier Finwale, die zweitgrößten Wale im Meer. Nicht nur die Tiere im Wasser, sondern auch diejenigen, die sich auf dem Eis aufhalten sind von Bedeutung für die Studie. Bisher haben wir auf dieser Reise vom Schiff aus, sowie aus der Luft insgesamt über dreizehn Eisbären gesehen, die entweder über das Eis schlenderten, sich wälzten oder im Wasser schwammen. Diese Anblicke sind natürlich für jeden der Wissenschaftler immer wieder etwas sehr Besonderes.

Dass man auf 80°N nur noch limitierte Emails schreiben kann und wir alle von sozialen Medien komplett abgeschottet sind, ist eine sehr angenehme Erfahrung. Dadurch lernte sich die Gruppe sofort gut kennen und es ist eine Freude das Leben an Bord, neben vielen Arbeitsstunden, zu teilen. Alles in allem kann ich sagen, dass sich meine große Motivation für die wissenschaftliche Arbeit, die ich hier miterleben darf noch verstärkt hat. Jeden Abend gibt es beim offiziellen Zusammentreffen der Wissenschaftler die neuen Informationen über Wetter, Eisbedingungen, Operationen die am Tag durchgeführt wurden, Pläne für die nächsten Tage, sowie Präsentationen der verschiedenen Arbeitsgruppen. Die Faszination für ‚Meer’ lässt mich nicht mehr los, und ich versuche- dankbar für diese Möglichkeit hier zu sein- so viel ich kann von allem aufzunehmen. Eine hoch interessante Expedition aus der hoffentlich zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse resultieren!

Natalie Prinz, Master Studentin der Universität Bremen

Leser:innenkommentare (2)

  1. Andreas Tober

    schade dass diese Seite nicht aktualisiert wird. Gibt es wirklich seit dem 9. August nichts zu berichten? Wenn man die Schiffspositionen verfolgt und auf der Webseite von Woods Hole O.I. die Bojendaten auftauchen kann man sich ein bisschen zusammenreimen, aber es wäre schön da etwas mehr Informationen zu bekommen wie es da am 79Nord Gletscher aussieht.
    Die Angabe das Mehreisminimum der letzten Jahr sei etwa 7Mio Quadratkilometer ist schon recht erstaunlich. Vielleicht können sie bei den Kollegen in Hamburg nachfragen die das seit zehn Jahren eher unter 6Mio und zur Zeit auf die 4Mio zulaufend angeben.

  2. Zwischen Zufriedenheit und Wehmut - Polarstern-Blog

    […] hatten wir unsere arbeitsreichste Zeit während der dritten und vierten Wochen der Expedition (s. Blogbeitrag von Natalie Prinz). Teile meiner eigenen Dissertation waren in diesem Projekt angesiedelt. Während der […]

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