Die Elefanteninsel

Shackletons Schiff Nimrod (ähnlich der Endurance) im Eis. (S4F Nr. 31/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung

Von Thomas Ronge |

Sir Ernest Shackleton vor… (S4F Nr.33/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung
Sir Ernest Shackleton vor… (S4F Nr.33/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung

Am 8. August 1914 verließ die unter britischer Flagge segelnde Bark Endurance den Hafen von Plymouth mit Kurs auf die Antarktis. Der britische Entdecker Sir Ernest Shackleton plante mit seiner 27-köpfigen Mannschaft die Antarktis im Weddellmeer zu erreichen um von dort aus eine Transantarktisexpedition zu starten.

Nach einem Zwischenstopp in der Walfängersiedlung Grytviken auf Südgeorgien segelte die Endurance Anfang Dezember in antarktische Gewässer. Über Monate kämpfte sich das Schiff durch schweres Eis und blieb am 21. Februar 1915 bei 76°S stecken. Ohne die Möglichkeit, das Schiff frei zu bekommen, mussten Shackleton und seine Männer den Südwinter 1915 an Bord der eingeschlossenen Endurance verbringen. Obwohl der Winter ohne größere Probleme überstanden werden konnte, nahm im Oktober der Eisdruck auf das Schiff so zu, dass die Endurance aufgegeben und verlassen werden musste.

Die Männer waren gezwungen mit drei Rettungsbooten das Packeis zu überqueren und zu versuchen, zu Fuß eine der antarktischen Inseln zu erreichen, auf denen Nahrungsdepots vergangener Expeditionen existierten. Vier Monate lang kämpften sich die Männer unter widrigsten Bedingungen über das zugefrorene Weddellmeer und erreichten Anfang April 1916 offenes Wasser. Bei Temperaturen von bis zu -30°C erreichten die Boote am 15. April 1916 Elephant Island (die Elefanteninsel erhielt ihren Namen von britischen Robbenjägern aufgrund der großen Anzahl dort lebender Seeelefanten).

Jetzt, fast auf den Monat genau 100 Jahre nach Shackleton, liegen auch wir vor Elephant Island, lassen die Arbeit kurz ruhen und gedenken unglaublichen Taten von Shackleton und seinen Männern.

…und während einer Expedition (Zweiter von links). (S4F Nr. 49/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung
…und während einer Expedition (Zweiter von links). (S4F Nr. 49/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung

Während wir die Annehmlichkeiten der Polarstern genießen können, war die Odyssee der Männer der Endurance noch längst nicht vorüber. Elephant Island war unbewohnt und Hilfe von Außen nicht zu erwarten. Shackleton traf die Entscheidung zwei von drei Booten zu Gunsten des dritten Bootes, der nur 6 m langen James Caird, auszuschlachten und selbst Hilfe zu holen. Am 24. April segelten Ernest Shackleton und fünf seiner Männer in Richtung Südgeorgien und erreichten die mehr als 1.300 km entfernte Insel nach zweiwöchiger stürmischer Überfahrt.

Doch selbst jetzt waren die Männer noch nicht gerettet. Da die James Caird an der unbewohnten Südküste Südgeorgiens landete, mussten die entkräfteten Schiffbrüchigen noch die schneebedeckten mehr als 1000 m hohen Berge der Insel überqueren um endlich in der Walfängerstation Husvik Hilfe zu erhalten. Umgehend setzte Shackleton alle Hebel in Bewegung um den Rest der Mannschaft von Elephant Island zu retten. Nach zwei gescheiterten Versuchen gelang es ihm am 30. August 1916 die verbliebenen Männer mit Hilfe des chilenischen Wachbootes Yelcho zu retten.

Die Nimrod bei einer stürmischen Überfahrt. (S4F Nr. 32/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung
Die Nimrod bei einer stürmischen Überfahrt. (S4F Nr. 32/ADP). Quelle: Archiv für deutsche Polarforschung

Allen Gefahren und Unwägbarkeiten zum Trotz verlor Shackleton nicht einen Mann und brachte allesamt sicher zurück in die Heimat. Dort hatte, zu ihrem Entsetzen, der bei ihrer Abfahrt ausgebrochene Erste Weltkrieg Europa immer noch im Würgegriff. Noch bevor der Krieg endete waren zwei Männer der Endurance gefallen, zahlreiche andere verwundet.

Shackleton brach 1921 zu seiner letzten Antarktisexpedition auf. Während der Überfahrt erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb, wieder zurück in Grytviken, am 5. Januar 1922.

Vielen Dank an Herrn Dr. Christian Salewski (Archiv für deutsche Polarforschung), dass er mich die fragilen original Glasplatten nach den hier gezeigten historischen Shackletonbildern hat durchsuchen lassen.

 

 

 

Leser:innenkommentare (6)

  1. Hebi

    Anerkennenswert, dass sie sich der historischen Orte,
    an denen sie wissenschaftlche Forschung betreiben,
    bewusst sind und der Blogger trotz anstrengender
    Arbeit die Zeit findet, die Leistung Shackletons zu
    würdigen.
    Danke.
    Für mich wäre ein Traum wahr geworden:
    Einmal auf Elephant Island zu stehen.

  2. Gerto Bal

    Ich lese im Moment die Niederländische Ausgabe der Geschichte zum zweiten Mal. Unwiderstehlich. Ich plane eine kleine Unterrichtsreihe für die Klassen 6 bis 10 der Realschule. Jugendliche lieben diese Geschichte! Toll das Sie sich im selben Zeitraum mit demselben Thema befassen Frau Mehrtens! Zufälle gibt es…..

  3. Christian Salewski

    Leider gibt es zu den Scans in Pangea keine näheren Informationen. Jedoch können sich die Nutzer in der Internet-Suche des Archivs für deutsche Polarforschung (AdP) unter http://adpsrv1.awi.de/ immerhin 21 qualitativ hochwertige Scans mit beschreibenden Metadaten ansehen. Sie brauchen dort in der einfachen Suche z. B. nur die Stichworte „Shackleton“, „Murray“, „Wild“ oder „Endurance“ eingeben.

    Den Blog selbst finde ich ziemlich gelungen. Bemerkenswert ist m. E. nicht nur, dass die Ereignisse der Endurance-Expedition gut zusammengefasst, sondern auch, dass quellenkritisch vorgegangen wurde. D. h., dass klargestellt wurde, dass es sich bei den Bildern um Aufnahmen aus dem AdP bzw. um Fotos von der Nimrod-Expedition Shackletons handelt.

  4. Rainer Sieger

    Die 97 Scans der Fotos, die unter https://doi.org/10.1594/PANGAEA.667192 verfügbaren gemacht wurden, wurden uns lange Zeit vor dem AdP durch Reinhard Krause ohne weitere Quellenangabe überreicht.

    1. Christian Salewski

      Das AdP wurde u. a. deshalb eingerichtetet, damit die bei der Übergabe von Archivalien häufig fehlenden Kontextinformationen (Titel, Verfasser o. ä. Entstehungszeitpunkt usw.), recherchiert, die diesbezüglichen Recherchergebnisse fixiert und auf diese Wese die Archivalien sinnvoll benutzt werden können.

Schreibe einen Kommentar zu Rainer Sieger Antworten abbrechen

Verwandte Artikel