Frostschutzmittel im Blut

Ein Eisfisch namens Pagetopsis. Diese Art besitzt kein Hämoglobin und hat daher durchsichtiges Blut. Foto: Emilio Riginella

Von Hanna Scheuffele & Henrik Christiansen |

Foto 1: Die Ronne-Schelfeiskante. Foto: Henrik Christiansen
Foto 1: Die Ronne-Schelfeiskante. Foto: Henrik Christiansen

10. Januar 2016. Die 51 Wissenschaftler von Polarstern-Fahrt 96 feiern Bergfest. Pünktlich zum Erreichen der Halbzeit rückt eines der Hauptziele der Fahrt in greifbare Nähe: das Erreichen eines Depots am Ronne-Schelfeis – soweit südlich, dass wir nur noch per Iridium Satellit erreichbar sind, Internetzugang und E-Mail-Volumen also zurückgeschraubt werden müssen.

Zeit für einen kleinen Blick zurück. Wir haben bisher berichtet von fliegenden Begleitern, von Eis in allen seinen Varianten, von wagemutigen Abenteurern, die wir allein auf dem Eis ausgesetzt haben, von Eisphysikern, die am liebsten Helikopter fliegen und von bisher unbeschriebenen Arten.

Foto 2: Ein Fang des Grundschleppnetzes. Foto: Santiago Pineda Metz.
Foto 2: Ein Fang des Grundschleppnetzes. Foto: Santiago Pineda Metz.

Im letzten Eintrag wurden zwei Geräte beschrieben, die zum Sammeln diverser wirbelloser Tiere benutzt werden: Das Agassiz Trawl und das Grundschleppnetz. Mit ins Netz gehen gewollter Maßen auch Fische. Der obige Blick zurück beweist: hier dreht sich irgendwie immer alles ums Eis. Auch die Fische sind da keine Ausnahme. Die bekanntesten Fische der Antarktis heißen – natürlich – Eisfische. Ihre Kiemen sind weiß, ihr Herz gelb und ihr Blut durchsichtig. Ihnen fehlt der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, das ansonsten alle Wirbeltiere auf Erden auszeichnet. Sie fühlen sich in -1 bis -2 ° C kaltem Wasser wohl und besitzen spezielle Proteine, die sie vor dem Gefrieren schützen. Einige von ihnen betreiben aufwändige Brutpflege, andere haben es trotz fehlender Schwimmblase geschafft, nahezu komplett austariert im Wasser zu schweben, es werden immer noch neue Arten entdeckt, … Wir könnten ewig so weiter schreiben.

Foto 3: Ein Eisfisch namens Pagetopsis. Diese Art besitzt kein Hämoglobin und hat daher durchsichtiges Blut. Foto: Emilio Riginella
Foto 3: Ein Eisfisch namens Pagetopsis. Diese Art besitzt kein Hämoglobin und hat daher durchsichtiges Blut. Foto: Emilio Riginella

An Bord kümmert sich ein internationales Team, um die gefangenen Fische. Einige von ihnen werden in einen Aquariencontainer mit allen Bedingungen, die sie benötigen, gesetzt. Gewicht, Länge, Geschlecht und weitere Daten werden aufgenommen und ein umfangreiches Probennahme-Protokoll durchexerziert. Um mal mit Fachwörtern herumzuwerfen: Wir haben Experten für Reproduktionsbiologie, für Ökophysiologie und –toxikologie, für Transkriptomik und Populationsgenomik. Ach ja, und Material für trophische Analysen, Otolithen und morphometrische Studien wird auch gesammelt.

Letztendlich drehen sich alle Arbeiten um eine zentrale Frage: Werden die Fische der Antarktis mit ihren speziellen Anpassungen auf aktuelle Veränderungen (Temperatur, Versauerung, Verschmutzung, Fischerei, …) reagieren können? Und wenn ja, wie? Diese Fragen werden sich nur mit viel Geduld und Arbeit, sowohl an Bord, als auch zurück in den Heimatinstituten, klären lassen.

Foto 4: Ein Antarktisfisch der Gattung Artedidraco. Diese Art hat rotes Blut. Foto: Felix-Christopher Mark
Foto 4: Ein Antarktisfisch der Gattung Artedidraco. Diese Art hat rotes Blut. Foto: Felix-Christopher Mark

So viel zu den Fischen. Trotzdem bleiben noch viele Themen offen. Was genau versuchen die Ozeanographen uns Biologen seit Anbeginn der Fahrt immer wieder über die Besonderheit dieses Gebiets mitzuteilen? Was hat es mit dem Ronne Depot auf sich? Was ist „the magic gear“? Und was machen Wissenschaftler eigentlich, wenn sie mal nicht arbeiten? Ungetaufte Antarktisfahrer hätten vielleicht auch besser Frostschutzmittel im Blut…

Wir melden uns wieder.

Bis dahin viele Grüße von Bord,

 

Hanna Scheuffele (AWI & Uni Bremen) und Henrik Christiansen (Uni Leuven)

 

 

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