Überraschungen

Eisbären-Besuch. Foto: Brücke Polarstern

Von Franz Schroeter |  

Die Polarstern auf dem Weg in die Randeiszone (marginal ice zone). Foto: Franz Schroeter
Die Polarstern auf dem Weg in die Randeiszone (marginal ice zone). Foto: Franz Schroeter

Wir befinden uns zurzeit mitten in der „marginal ice zone“ – der Randeiszone: der Bereich, der vor dem mächtigeren mehrjährigen Meereis liegt. Seit wir das Eis am 21.8.15 erreicht haben, fahren wir langsamer. Zunächst zeugten lediglich vereinzelte Eisschollen vom nahenden Meereis. Schließlich näherten wir uns einer weißen Front. Mit ordentlich Wind um die Ohren und der arktischen Sommersonne im Rücken stießen wir ins kristalline Weiß vor und waren plötzlich von einer Eiswüste von bizarrer Schönheit umgeben. Mit dem Eis hat sich die Geräuschkulisse sowohl im Schiff als auch draußen verändert: Wenn Eis gebrochen wird, durchfährt ein Beben und tiefes Wummern den Bauch des Schiffes, und das Brechen der Eisoberfläche, sowie das Klirren der kleineren Eisbruchstücke machen die Fahrt „spürbar“ zu einem Klangerlebnis. Nachdem wir bis heute Vormittag für 24 Stunden auf der gleichen Stelle ausgeharrt haben und alle Wissenschaftler endlich ihre Proben genommen haben, sind wir wieder aufgebrochen – immer weiter Richtung Norden.

Eisbären-Besuch. Foto: Micha Rijkenberg
Eisbären-Besuch. Foto: Micha Rijkenberg

Vorgestern gegen Mitternacht sorgte eine neugierige Eisbärin mit ihrem recht großen Jungen für reichlich Aufsehen. Sie kamen so nahe ans Schiff heran, dass man die beiden unterm Bug der Polarstern nicht mehr sehen konnte. Gestern beehrte uns ein weiterer Bär; auch dieser kam sehr nahe ans Schiff. Die Nachricht verbreitete sich auf sämtlichen Decks wie ein Lauffeuer – und schließlich standen zahlreiche staunende Wissenschaftler und einige Mannschaftsmitglieder (!) zumeist mit Kamera an der Reling! – Auch die sich aneinanderdrängenden Menschen waren ein großartiger Anblick! Dieser Bär war eher verhalten neugierig; unentschlossen, ob er seiner Nase folgen sollte oder das riesige Ungetüm vor sich lieber doch hinter sich lässt. Schließlich hat er kehrt gemacht und ist bäuchlings übers Eis davongerutscht. Es ist erstaunlich, wie agil das größte Landraubtier der Erde sich auf dem Eis bewegt und wie selten es dabei schwimmen muss.

Apropos Eis: Gestern begann die „Eiswache“. Dabei werden stündlich Parameter wie Eisbedeckungsgrad, -art, -dicke sowie meteorologische Daten im Monitoringsystem erfasst. Da diese Überwachung rund um die Uhr stattfindet, sind die Meereisphysiker auf Hilfe von anderen Wissenschaftlern angewiesen, die im Gegenzug während ihrer „Wacht“ die Aussicht von der Brücke der Polarstern genießen dürfen!

Der marine Mikrokosmos in zehnfacher Vergrößerung: Ruderfußkrebschen (Copepode). Foto: Plankton-Gruppe Imke Petersen, Jule Riedel, Franz Schroeter
Der marine Mikrokosmos in zehnfacher Vergrößerung: Ruderfußkrebschen (Copepode). Foto: Plankton-Gruppe Imke Petersen, Jule Riedel, Franz Schroeter

Eine kleine Polarstern-Anekdote: Weil wir seit gestern so lange auf Station waren, haben meine Laborkolleginnen und ich ein Handnetz ins Wasser gelassen, um Plankton zu fangen und anschließend zu mikroskopieren. Jede Station besteht aus aufeinanderfolgenden Durchgängen von Untersuchungen – in jedem Durchgang wird ein Gerät zu Wasser gelassen und von der Brücke im Logbuch verzeichnet; einer nach dem anderem. Die Fahrtleiterin legt die Reihenfolge der Geräte vor Erreichen der Station fest, sodass jeder Bescheid weiß, wann wer an der Reihe ist. Als wir also mit unserem kleinen Handnetz aufs Arbeitsdeck marschierten, wurde das Ausbringen des Netzes von einem Matrosen der Brücke gemeldet (diese Meldung ist offenbar Pflicht, wenn ein Gerät/ Netz etc. ins Wasser geht, auch wenn es noch so klein ist und nicht tief heruntergelassen wird – in unserem Fall lediglich 10 m). Nun ja, damit haben wir die Reihenfolge der Durchgänge durcheinandergebracht, weil sie chronologisch im Logbuch vermerkt werden. Das hat natürlich ordentlich für Verwirrung gesorgt, weil sich alle Durchgangsnummern um eins nach hinten verschoben („Bin ich nun zum 5. Durchgang dran?!?!“)!!! Außerdem mussten viele Wissenschaftler folglich die Beschriftung ihrer Probegefäße korrigieren… Es wurde genervt aufgestöhnt, aber auch gelacht! =) Wenigstens haben wir im Zuge unserer unbedarften Aktion ein paar sehr anschauliche Bilder des marinen Mikrokosmos geschossen! :)

An Bord der Polarstern muss man also stets auf Überraschungen gefasst sein!

 

 

Leser:innenkommentare (1)

  1. Elisabeth Erbe

    Wow, was für ein toller Bericht. Ich konnte beim Lesen das Eis knacken hören und die kalte, windige Luft wehte mir um die Ohren. Was gäb ich dafür, dass ich dabei sein könnte, als die Eisbären dem Schiff nahe kamen.

    Wenn mal ein Job frei auf dem Polarstern frei wird, ich bin dabei!

    Gruß an alle da draußen! Tolle Arbeit! Und danke fürs „Mitnehmen“

    Elisabeth Erbe
    Journalistin und Arktisverliebte aus Remscheid

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel