Eiszeit: Autonomer Multicopter-Flug in der Arktis

Sascha mit Multicopter. Foto: Tobias Mikschl

Von Thorben, Michael, Tobias und Sascha |

Seit dem 20. Juli 2015, also gut zwei Wochen, sind wir nun an Bord der Polarstern in der Arktis unterwegs. Wer den ersten Blog-Beitrag „Flugroboter auf Polarstern“ gelesen hat weiß, dass eine unserer Aufgaben auf dieser Expedition das Testen und Weiterentwickeln von Flugrobotern (Multicopter) ist. Multicopter besitzen vier bzw. sechs einzelne Rotoren, die kreisförmig um eine zentrale Elektronikeinheit angeordnet sind.

Tobias und Michael. Foto: Tobias Mikschl
Tobias und Michael. Foto: Tobias Mikschl

Zusammen mit Michael Strohmeier und Tobias Mikschl, dem zweiköpfigen Team der Universität Würzburg, das wie wir AWI-Forscher Teil der Helmholtz-Allianz Robotische Exploration unter Extrembedingungen (ROBEX) ist, arbeiten wir an der Aufgabenstellung Multicopter für Einsätze unter den schwierigen arktischen Umweltbedingungen fit zu machen.

Da unter anderem die Landung der Multicopter auf dem Eis geplant ist, ist eine der zentralen Herausforderung, die Roboter auch nach stundenlanger Standzeit auf dem Eis und Temperaturen unter Null noch flugtauglich zu halten. Ein weiteres komplexes Problem ist der autonome Flug der Geräte. Auch wenn bereits Steuerungen mit der Möglichkeit des autonomen Fliegens auf dem Markt zu finden sind, bildet deren Einsatz an Nord- und Südpol einen für die Hersteller – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – relativ unwichtigen und daher wenig getesteten Extremfall. Ein kurzer Hinweis in der Betriebsanleitung, dass in diesen Regionen mit Problemen beim Einsatz gerechnet werden muss, ist da schon das Höchste der Gefühle.

Multicopter beim Einsatz auf der Scholle. Foto: Tobias Mikschl
Multicopter beim Einsatz auf der Scholle. Foto: Tobias Mikschl

Der Grund für diese Schwierigkeiten liegt in dem Aufbau des Navigationssystem der Multicopter, in denen standardmäßig ein Magnetometer zur Bestimmung des Kurses zum Einsatz kommt. Da magnetischer und geographischer Pol nicht aufeinanderliegen kommt es zur sogenannten „Missweisung“. Magnetisch Nord ist eben nicht gleich geographisch Nord. Die Feldlinien des Erdmagnetfelds weisen in diesen Breiten (wir sind bei 79 bis 80°N) zudem nahezu senkrecht in den Erdboden. Die Erfassung der horizontalen Komponente des Erdmagnetfelds, die für eine Richtungsbestimmung ausschlaggebend ist, ist daher nur schwer möglich.

Polarstern selbst bildet den wohl größten Störfaktor bei magnetischen Messungen: Ein großer Stahlklotz der das Erdmagnetfeld in seiner Nähe biegt und verzerrt. Um diesen Störfaktor auszuschalten stand für uns ein Highlight dieser Expedition auf dem Programm: Ein Helikopterflug in ein Eisfeld und die Landung auf einer Scholle. Ungestört durch die Anwesenheit des Schiffes und in einiger Entfernung zum Helikopter konnte die Navigation mit Hilfe von Magnetometern ungestört getestet werden.

Neben diesen Messungen führten wir ebenfalls einen ersten „kleinen“, autonomen Flug mit einem der Multicopter durch. Manuell gesteuert flog der Multicopter bis zur Sichtgrenze in etwa 3 km Entfernung. Hier wurde ein Programm gestartet, welches mittels vorher programmierter Koordinaten den Rückflug übernahm. Nach einigen Minuten konnten wir dann beobachten, wie der Multicopter langsam auf uns zu kam und sicher vor uns landete.

Glücklich den Multicopter wieder mit an Bord nehmen zu können, stiegen wir nach 45 Minuten „Eiszeit“ wieder in den Helikopter und traten den 30-minütigen Rückflug zum Schiff an. Es war sicherlich nur ein erster Schritt und viele weiter müssen noch folgen. Aber auch der längste Weg braucht eben einen Anfang.

Viele Grüße aus der Arktis

Thorben, Michael, Tobias und Sascha

 

Leser:innenkommentare (4)

  1. Christoph Rapp

    Spannender „1. Schritt“. Mir ist beim Lesen nicht klar geworden, wie Sie der Missweisung per Magnetometer begegnen. Und können/wollen Sie etwas zum Batterie-Thema („stundenlange Standzeiten“) sagen?

    1. Folke Mehrtens

      Hallo Christoph,
      Zur Korrektur der magnetischen Missweisung verfolgen wir zwei Lösungsansätze:
      1. Das UAV hat permanenten Kontakt zu einer Bodenstation, die basierend auf der GPS Position des UAVs die Missweisung berechnet. (Modell: http://ngds.noaa.gov/geomag/WMM)
      2. Das UAV bestimmt sein wahres Heading mit Hilfe von zwei GPS Empfängern.

      Zum Batterie-Thema
      Die Temperaturen denen wir hier in den Sommermonaten in der Arktis begegnen, liegen knapp unter Null bis 8C. Diese Temperaturen sind, mit Leistungseinbußen, gut beherrschbar. Das UAV wird direkt nach der Landung in ein Schlafmodus versetzt, um den Energiebedarf zu gering wie möglich zu halten.

      Viele Grüße von Bord
      Sascha
      [gepostet über die AWI-Pressestelle, da mailen von Polarstern aus gut funktioniert, die Internet-Verbindung jedoch im Hohen Norden problematisch ist]

  2. Martin Müller

    Vielleicht sind autonome Flächenflugzeuge für das Ausbringen geeignet, die haben mehr Reichweite, landen ggf. auf dem Helideck.

  3. Bernhard

    Temperaturen von 0 bis 8 Grad sind bei Batterien noch beherrschbar. Bei tieferen Temperaturen dürften jedoch Leistungseinbußen auftreten. Dies ist bei den Tesla-Fahrzeugen im Winter ganz gut zu beobachten.

    In den letzten Jahren gab es jedoch schon erste Entwicklungen für den professionellen Einsatz Multicopter mit Wasserstoff-Brennstoffzellen zu betreiben. Diese erreichten schon Flugzeiten von mehreren Stunden und Flugstrecken von über 100 km.

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