Die unsichtbare Mehrheit – Wie Einzeller unsere Welt bewohnbar machen

Sea ice algae below snow cover. Photo: Roland Sarda Esteve
Micrographs of algae. Photo: Maxime Fradette.
Micrographs of algae. Photo: Maxime Fradette.

Wir arbeiten auf unserer sechsten Eisstation und es herrscht Nebel. Wenn man auf dem Achterdeck steht, fühlt man sich fast wie in einer klassischen Schneekugel: Die Umgebung ist Schnee bedeckt und die Polarstern von Nebelschwaden umhüllt. Blickt man über die Reling in die Tiefen des Arktischen Ozeans, erkennt das bloße Auge kaum Spuren von Leben. Könnte man jedoch all das Leben sehen, dass sich in einem einzigen Tropfen Seewasser tummelt, erinnerte es an eine über und über mit Sternen bedeckten klaren Nachthimmel. Zwar sind sie Unbekannte für die meisten Menschen, aber unzählige Lebewesen sind klitzekleine Einzeller.

Obwohl sie so klein und nahezu unsichtbar sind, treiben diese Einzeller gemeinsam viele wichtige Prozesse an, die die biologische Produktivität, geochemische Stoffflüsse und schlussendlich das Klima auf der Erde bestimmen. Wie können so kleine Organismen so große und weitreichende Prozesse steuern? Wir sind hier um nach Antworten zu suchen, die uns besser zu verstehen helfen, welche Lebewesen und Prozesse im arktischen Frühjahr wichtig sind – also ind er Saison, wenn nach langer Zeit das Eis zu schmelzen beginnt und nach einem langen dunklen Winter wieder Licht zur Verfügung steht. Zu dieser Jahreszeit untersuchen wir das Erwachen dieser Organismen – und wenn sie blühen, sind sie auch nicht länger unsichtbar! Wir aber können sie auch in geringer Dichte mit einer Reihe von Sensoren im Wasser, auf und unter dem Eis aufspüren. Auf den ersten Blick mag es nicht besonders beeindruckend erscheinen, einen Eisblock zu finden, der leicht trüb bis hell grünlich-braun ist. Aber in diesem Eis und im Ozean darunter befinden sich die Grundbausteine für das gesamte arktische Nahrungsnetz!

Aber: Die Alge lebt nicht vom Licht allein. Genau wie wir Menschen, brauchen sie eine Reihe essentieller Nährstoffe, um ihre Biomasse aufzubauen und zu wachsen. Der Arktische Ozean ist nicht besonders nährstoffreich, so dass die Primärproduktion, also das Wachstum von Algen, ziemlich schnell zum Erliegen kommen sollte – tut es aber nicht. Bakterien erneuern die Nährstoffverfügbarkeit im Wasser, indem sie absterbende Algen abbauen und so den Kreislauf in Gang halten. Mit diesem einfachen Prozess sorgt diese große Masse von Einzellern in den Weltozeanen dafür, dass die Erde bewohnbar ist.

 

Übersetzung des Mittwochs-Blogger-Teams: Allison Fong, Monika Kędra, and Christian Mӓrz

Leser:innenkommentare (3)

  1. Anke Belter

    Cooler Blog! Am liebsten würde ich jeden Tag etwas Neues lesen…

    Wie viele Algenarten habt Ihr schon im Eis gefunden? Bestimmt stoßt Ihr auch auf jede Menge noch unbekannte Arten? Als (Molekular-)Biologin interessieren mich besonders Eure Bestimmungsmethoden. Schreibt doch darüber mal einen Blog.
    Und was machen eigentlich die Meereis-Physiker?

    Good luck!

    1. Folke Mehrtens

      Liebe Anke Belter – herzlichen Dank für das Feedback, das ich auch schon an die fleißgen Blogger an Bord weitergeleitet habe. Unsere Meereisphysiker sind übrigens auch auf anderen Expedition ganz in der Nähe der Polarstern unterwegs. Einen Bericht von den Arbeiten gibt es im Meereisportal.

  2. T. Enderle

    Interessanter Post! Vielleicht habt Ihr ja Lust einen Gastbeitrag auf dem AlgaeObserver zum Thema Algen am Polarkreis zu machen? Wäre sicherlich spannend für meine Leser. Bei Interesse gerne einfach Kontakt aufnehmen…

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