Das Meereisphysik-Team – Von einfachen Werkzeugen zur Hochtechnologie

A highly sophisticated instrument: The Remotely Operated Vehicle (ROV). Photo: Christian Katlein

Vielen Menschen (inklusive Teilen dieses Blog-Teams) ist der Physikunterricht in der Schule in böser Erinnerung. Physik – oft in Kombination mit Mathe – ist allzu oft sehr abstrakt. Auf einer Polarexpedition sind die Physiker jedoch weit entfernt vom stereotypen Bild des Theoretikers, der am Rechner hochkomplexe Gleichungen knackt. Unsere Meereisphysiker schlüpfen in ihre Überlebensanzüge, beladen die Nansen-Schlitten mit schwerem Gerät und starten ihre Skidoos. Ihr Arbeitsgerät reicht dabei von extrem klassischen Holzstöcken bis hin zu hochentwickelten Unterwasserrobotern. Sie nutzen die am abgefahrensten aussehende Technologie auf der ganzen Expedition. Ziemlich überraschend, dass ihre Physik nicht nur im Kopf stattfindet, sondern sehr physisch und angewandt ist.

The sea ice physics team on the move. Photo: Monika Zabłocka
The sea ice physics team on the move. Photo: Monika Zabłocka

Mit den photogrammetrischen Messflügen über die Eisschollen rund um die Polarstern liefert das Team auch einen der wichtigsten Services für die gesamte Expedition. Die Messungen sind einerseits fundamental für ihre Wissenschaft, um Satellitendaten mit der Realität auf der Erde abzugleichen. Andererseits liefern sie eine wichtige Orientierung fürs Schiff, um unseren Weg voraus zur nächsten Station zu planen. Das Meereisphysik-Team arbeitet mit der Helicrew sowie dem Kapitän, der Fahrtleiterin und der Besatzung eng zusammen, um die beste Route durchs Eis zu finden.

Wissenschaftlich fokussiert sich die Meereisphysik darauf, Meereisdicke und –verteilung sowie Schneebedeckung mithilfe verschiedener Analysewerkzeuge zu messen und zu vergleichen. Diese Geräte reichen von Sensoren auf Fernerkundungssatelliten über elektromagnetische Geräte, die mit dem Helikopter übers Eis geschleppt werden bis hin zum Holzstock, den man in den Schnee rammt. Die Bandbreite der Messgeräte spiegelt die unterschiedlichen Skalen wider, auf denen die Kollegen das Eis qualitativ und quantitativ untersuchen. Der sogenannte EM-Bird (das elektromagnetische Messgerät) erinnert an einen Torpedo, ist jedoch mit jeder menge Sensoren vollgestopft, die entlang ausgedehnter Transsekte die Dicke und Rauheit des Meereises messen. So ist es möglich, große Eisschollen zu vermessen. Auf einer Eisscholle ausgestiegen, kommt das ROV (Remotely Operated Vehicle) zum Einsatz: Der Unterwasserroboterhängt an einem Kabel und der Pilot kann ihn direkt unter das Eis lenken. Gesteuert wird er aus dem Kontrollraum auf der Scholle, der sogenannten Bockwurstbude. Das ROV produziert großartige Fotos und Videos unter dem Eis und zeigt uns viel stärker strukturierte und zerklüftete Strukturen als man unter dem Eis erwarten würde. Gleichzeitig messen nch oben gerichtete Sensoren das Sonnenlicht, das durch das Eis gelangt. Die Menge durchscheinenden Lichts ist von vielen Faktoren abhängig, wie beispielsweise Dicke und Beschaffenheit von Eis und Schnee.

Nichtsdestotrotz ist es immer noch die direkteste Methode die Eigenschaften von Schnee zu bestimmen, wenn man sie direkt misst. So bohren die Meereisphysiker Löcher, um Tiefe, Temperatur und Teilchengrößen zu bestimmen. All diese Datensätze aus vielen Jahren durchlaufen komplexe Analysen und liefern den beweis dafür, dass das arktische Meereis insgesamt schrumpft. Diese Beobachtungen und Ergebnisse sind eine wichtige physikalische Grundlage für Diskussionen über den Klimawandel.

[Übersetzung vom Mittwochs-Blog-Team: A. Fong, M. Kędra, and C. Mӓrz]

 

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