SouthTRAC: HALO-Flüge in die Antarktis, polare Stratosphärenwolken und Biomassenverbrennung

Sonja Gisinger, DLR
HALO wird aus dem Hangar gezogen. Die APU springt gleich an. Foto: B.-M. Sinnhuber, KIT

Eine Reihe von Forschungsflügen mit HALO konnten jetzt schon erfolgreich von Rio Grande aus absolviert werden. Die ersten Flüge fanden dabei nachts statt, um für das ALIMA Lidarsystem gute Messbedingungen zu haben. Am frühen Abend wird HALO aus dem Hangar gezogen. Die Messgeräte laufen bereits seit einiger Zeit. Der kleine Schlepper fährt heran und die Schleppstange wird am Vorderrad von HALO eingehängt. Als letztes wird der Stecker der Stromversorgung von der Ground Power Unit, der GPU, abgezogen. Nun muss es schnell gehen, damit die Instrumente eine nur möglichst kurze Stromunterbrechung während des Aushallens haben. Der Schlepper setzt HALO langsam in Bewegung. Noch vor dem Verlassen des Hangars ertönt mit schnellem Dingdingding die Glocke, die vor dem Anfahren der APU warnt, der Auxilliary Power Unit, also der kleinen Gasturbine an Bord von HALO, die der Stromerzeugung dient, solange die großen Triebwerke noch nicht laufen.

Polare Stratosphärenwolken über Feuerland. Sie werden noch von der tiefstehenden Sonne beleuchtet, während die anderen Wolken schon im Schatten liegen. Foto: Stefanie Knobloch

Während wir vor dem Hangar stehen und auf den Abflug von HALO warten – die Sonne ist untergegangen, der Himmel im Westen aber noch hell – macht die Nachricht die Runde, dass im Westen über dem Horizont polare Stratosphärenwolken zu sehen sind. Schnell laufen wir zur anderen Hangarseite um ein paar Fotos zu machen. Die polaren Stratosphärenwolken sind typischerweise in 15 – 20km Höhe, viel höher als gewöhnliche Wolken. Daher werden sie noch von der Sonne, die sich bereits deutlich unterhalb des Horizonts befindet, angeleuchtet, während die gewöhnlichen Wolken bereits in der Dunkelheit sind. Die beiden mit bloßem Auge gut sichtbaren polaren Stratosphärenwolken bestehen sicherlich aus Wassereiskristallen, wie normale Zirren auch. Da die Stratosphäre sehr trocken ist können sich dort Wolken nur bei extrem niedrigen Temperaturen im polaren Winter bilden. Neben Eiswolken können polare Stratosphärenwolken auch aus Salpetersäurekristallen bestehen, oder aus Tröpfchen mit hohem Schwefelsäure und Salpetersäureanteil. Diese sind aber normalerweise dünner und für das bloße Auge nur schwer zu erkennen. Polare Stratosphärenwolken spielen eine entscheidende Rolle bei den chemischen Prozessen, die zur Bildung des antarktischen Ozonlochs führen. Dass wir sie jetzt hier von Rio Grande aus sehen hängt auch damit zusammen, dass der antarktische Polarwirbel, das Starkwindband in der Stratosphäre, das die extrem kalten antarktischen Luftmassen umschließt, aktuell durch eine Stratosphärenerwärmung stark gestört ist. Dadurch gelangen die antarktischen Luftmassen jetzt bis weit nach Norden. Plötzliche Stratosphärenerwärmungen sind aus der Nordhemisphäre gut bekannt und treten dort im Mittel in etwa jedem zweiten Winter auf. Innerhalb weniger Tage können dann die stratosphärischen Temperaturen über dem Nordpol um vierzig, fünfzig Grad ansteigen und die gesamte stratosphärische Zirkulation umkehren. Diese Stratosphärenerwärmungen haben mit dem Klimawandel zunächst mal nichts zu tun, sondern entstehen durch interne Schwankungen in der atmosphärischen Zirkulation. In der Südhemisphäre ist eine Stratosphärenerwärmung aber erst einmal vorher, nämlich im September 2002, beobachtet worden. Wir hatten dies damals durch Satellitenbeobachtungen und Modellrechnungen untersucht und beschrieben (Originalpublikation). Dieses Jahr haben wir nun unerwartet die Gelegenheit, die Abläufe und Auswirkungen einer Stratosphärenerwärmung mit unseren Messflügen zu untersuchen.

Messflüge in die Antarktis

Der erste Tagflug der Kampagne mit HALO führte nach Süden über die Spitze der antarktischen Halbinsel und das Weddellmeer. Wir wollen Luftmassen, die aus dem antarktischen Ozonloch abgesunken sind untersuchen. Das Lidar steht dabei weniger im Fokus, stattdessen wollen wir die chemische Veränderung  von Chlor- und Bromsubstanzen in der Dämmerung untersuchen. Mit den chilenischen und den argentinischen Kollegen der Forschungsstationen an der antarktischen Halbinsel haben wir vereinbart, dass jeweils eine Ozonsonde – eine Radiosonde mit einem zusätzlichen Ozonmessgerät – gestartet wird. Dies kann uns wichtige Vergleiche mit unseren Messungen liefern. Über der antarktischen Halbinsel liegt aber noch eine geschlossene Wolkendecke, erst weiter östlich über dem eisbedeckten Weddellmeer ist die Sicht klar.

Heiko Bozem von der Uni Mainz und Valentin Lauther von der Uni Wuppertal an Bord von HALO während des Fluges über die antarktische Halbinsel. Ich verfolge den Flug vom Boden und kann – genau wie die Kollegen an Bord – die Position von HALO und einige wichtige Messparameter per Telemetrie beobachten. Zusätzliche Einstellungen müssen die Kolleginnen und Kollegen während des Fluges direkt an den Instrumenten in der Kabine vornehmen. Foto: Valentin Lauther

 

Erik Kretschmer vom KIT bedient das GLORIA Infrarot-Spektrometer, Bernd Kaifler vom DLR das ALIMA Lidar. Foto: Valentin Lauther

 

Eis auf dem Weddellmeer, von HALO aus gesehen. Foto: Valentin Lauther

Der Blick aus dem Fenster zeigt das mit Meereis bedeckte Weddellmeer. Valentin Lauther berichtet mir nach dem Flug kurz: „Über der antarktischen Halbinsel war alles noch in Wolken. Erst über dem Packeis hatten wir freie Sicht nach unten. Die Berge auf einigen der Bilder im Hintergrund gehören zu Coronation-Island.“  Ich bin überrascht, wie viel offenes Wasser um diese Zeit des Jahres dort zu sehen ist. Interessiert betrachte ich mir auch die etwas dunkleren Bereiche auf den Eisschollen. Ist das nasser Schnee? Ich weiß, dass das antarktische Meereis oft durch eine dicke Schneelast unter die Wasseroberfläche gedrückt werden kann. Von dem was uns hier eigentlich interessiert, nämlich die Chemie und der Transport von klimarelevanten Spurengasen aus dem antarktischen Ozonloch lässt sich mit bloßen Augen leider nichts sehen. Dazu müssen wir erst die vielen Messungen auswerten, die mit den verschiedenen Geräten während des langen Fluges aufgenommen wurden.

Beobachtung von Biomassenverbrennung

Mittlerweile bin ich selber wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Die Kampagnenleitung vor Ort hat Markus Rapp vom DLR übernommen, inzwischen sind auch Martin Riese vom Forschungszentrum Jülich und Andreas Engel von der Uni Frankfurt in Rio Grande. Ich werde dann den ganzen November über wieder in Rio Grande vor Ort sein.

Auf der Heimreise fliege ich nachts über Brasilien im Linienflug von Buenos Aires nach Frankfurt. Eine der Flugbegleiterinnen steht am Fenster des Notausganges und winkt mich herbei: „Schauen Sie, da unten alles Feuer“.  Eine große Anzahl von Feuerkreisen ist zu sehen, die Feuerfronten breiten sich anscheinend mehr oder weniger kreisförmig aus. Die Durchmesser müssen jeweils mehrere Kilometer betragen, sind aber schwer zu schätzen. Wir befinden uns hier gerade etwas nördlich von Brasilia, also noch nicht über dem Amazonasregenwald. Aber aus Satellitenbeobachtungen wissen wir, dass diese vielen Feuer weit verteilt sind, auch bis in das Amazonasgebiet. Von HALO aus, während des Transferfluges, konnten wir die Feuer nicht direkt beobachten. Absichtlich sind wir über dem Atlantik geflogen. Denn wir wussten aus früheren Satellitenmessungen, dass sich über dem Atlantik in der oberen Troposphäre zu dieser Jahreszeit Luftverschmutzung durch Biomassenverbrennung aus Südamerika, aber auch aus Afrika, ansammelt. Tatsächlich zeigen erste Auswertungen unserer Messungen vom Transferflug auch deutlich erhöhte Konzentrationen von Verschmutzungsgasen aus Biomassenverbrennung.

Eine Substanz an der wir interessiert sind ist Carbonylsulfid, COS, auch Kohlenoxidsulfid genannt. COS ist in mancher Hinsicht sehr ähnlich wie Kohlendioxid, CO2, nur dass es statt eines zweiten Sauerstoffatoms ein Schwefelatom trägt. Entsprechend wird COS auch von Pflanzen während des Wachstums aufgenommen. COS ist auch ein Treibhausgas und eine der wichtigsten Quellen von Schwefel in der Stratosphäre. Aus welchen Quellen das COS in der Atmosphäre stammt – wieviel stammt aus industriellen Quellen, wieviel aus natürlichen, wieviel aus Biomassenverbrennung – und wie es wieder aus der Atmosphäre entfernt wird ist noch nicht gut genug verstanden. Vor einigen Jahren konnten wir anhand von Satellitenmessungen zeigen, dass COS über dem tropischen Südatlantik in deutlich geringeren Mengen auftritt als erwartet, höchstwahrscheinlich, weil es durch den Amazonasregenwald aus der Atmosphäre aufgenommen wird (Originalpublikation). Durch die im Gegensatz zu den Satellitenmessungen viel detailierteren HALO-Messungen wollen wir nun unter anderem herausfinden, ob COS durch Biomassenverbrennung wieder freigesetzt werden kann. Die nächsten Transferflüge werden dazu interessante Vergleiche liefern.

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