Jedem Tierchen sein Plaisirchen …

Lynn Moldaenke vom IOW in Warnemünde arbeitet mit Biofilmen.

Im Trockenlabor III treffe ich auf Lynn Moldaenke, wissenschaftliche Hilfskraft am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde – IOW. Während sich andere Menschen bei einer Pazifiküberquerung auf ein Sonnendeck mit Hängematte wünschen mögen, träumt die Studentin von einer glitschig-schleimigen Matrix, in der Mikroorganismen eingebettet sind – dem sogenannten Biofilm. Lynn ist gerade dabei, ihre bereits in Deutschland vorpräparierten Petrischalen zu untersuchen. „Ich muss sicherstellen, dass in der Zwischenzeit keinerlei Verunreinigungen wie Bakterien oder Pilze in die Schalen gelangt sind“, erklärt sie. In Warnemünde hatte die junge Forscherin in den Schalen bereits einen speziellen Nährboden angesetzt, der für die Kultivierung von marinen, plastikassoziierten Bakterien bestimmt ist. „Die Nährstoffmischung habe ich dabei so gewählt, dass sie die Bedingungen im Pazifischen Ozean nachstellt, etwa hinsichtlich seines Salzgehaltes.“ In jeder von Lynns vorpräparierten Schalen entdecke ich darüber hinaus noch mehrere kleine Steine sowie zwei „klassische Vertreter“ maritimer Plastikverschmutzung: PE (Polyethylen) und PS (Polystyrol).

„Hoffentlich  finden wir im Pazifik jetzt bald mit Biofilm besiedelte Plastik-Partikel, die ich dann in die Schalen legen kann. Ich möchte beobachten, ob, wo und wie sich dieser Film ausbreitet“, erläutert sie. „Ich hoffe wirklich, dass wir in diesem Prozess Bakterienarten entdecken, die sich bevorzugt auf einer bestimmten Plastikart, dem PE oder PS, ansiedeln, damit wir anschließend ihre Genetik und Stoffwechselwege untersuchen können.“ Und was würde es bedeuten, wenn sich der Biofilm auch auf einem der Steine festsetzen würde? „Dies würde uns zeigen, dass es sich wahrscheinlich nicht um ein spezifisch plastikassoziiertes Bakterium handelt, sondern vielmehr um Mikroben, denen diverse Arten von Oberflächen als Biotop behagen.“

TTS-Pflaster hinter den Ohren vieler Expeditionsteilnehmer*innen

Auch hinter den Ohren vieler unserer Wissenschaftler hat sich in den letzten 24 Stunden etwas festgesetzt. Ein kleines rundes Pflaster. Belladonna oder „schöne Frau“ – zumeist wird dieser volkstümliche Name der schwarzen Tollkirsche auf ihren giftigen Saft zurückgeführt, der pupillenvergrößernde Wirkung besitzt und früher zu Schönheitszwecken von Frauen eingesetzt wurde. Eine vergleichbare Substanz, Scopolamin, wandert seit einigen Stunden aus den TTS-Pflastern in unsere Blutbahn. Flach und friedlich präsentierte sich der Pazifik seit unserem Abschied aus Vancouver, und doch könnte die Anzahl der Seekranken, die in das Hospital von Bord-Doc Rüdiger Schmidt strömen, einen wilden Orkan vermuten lassen.

 

 

Bord-Arzt Rüdiger Schmidt

Für den Chirurgen ist es die zweite Fahrt auf dem Forschungsschiff SONNE. Doch wie kommt ein Chirurg aufs Wasser? „In meinem früheren Leben, vor über 30 Jahren, habe ich zweimal in der Antarktis jeweils für 13 Monate als Stationsarzt überwintert“, erzählt Rüdiger. „Damals war ich in einer Bremerhavener Klinik angestellt, zu einer Zeit, als dort das Alfred-Wegener-Institut aufgebaut wurde. So bin ich auf deren Stellenanzeige aufmerksam geworden.“ Ab 1992 führte er dann zwar eine eigene Praxis in der Wesermarsch (Brake). Die prägenden Erinnerungen an die Zeit am Südpol ließen ihn aber nicht mehr los. „Als sich dann im Jahr 2015 die Möglichkeit auftat, auf der Kohnen-Station in der Antarktis zu arbeiten, gab ich meine Zulassung ab und zog wieder in die Ferne.“ Es folgte noch eine Fahrt auf dem Forschungsschiff Polarstern, bevor er dann im Jahr 2018 zum ersten Mal auf der SONNE anheuerte.

Um eine Drohne zu kalibrieren, gibt es wohl kaum einen verlockenderen Platz als das Helikopter-Deck. Philipp Klöckner, Doktorand am UFZ, hat seine unbemannte Honigbiene mitgebracht, um schwindelerregende Fotos von der SONNE zu schießen. Aber schon nach wenigen Minuten ist klar: Zu viel Stahl und Bewegung aufgrund des Seegangs bringen den elektronischen Kompass um den Verstand, interferierende Magnetfelder geben ihm den Rest. Zum Glück gibt es auf einem Forschungsschiff einen schwingungsentkoppelten Tisch! Im Nu ist die Drohne startklar. Morgen beim Aussetzen unseres Katamarans soll sie ihre Premiere feiern.

 

Während das Scopolamin in unseren Körpern arbeitet, muss die Sonne ganz alleine untergehen. Die Forscher haben sich bereits in ihre Betten verkrochen und hoffen auf baldige Genesung von der Kinetose.

Eine umfassende Foto-Dokumentation der Expedition siehe: https://www.instagram.com/roman.kroke/

Leser:innenkommentare (2)

  1. Miteinander (Teil I)

    […] der SONNE so begehrte Biofilm, von dem mir vor ein paar Tagen bereits die junge Wissenschaftlerin Lynn Moldaenke erzählt hatte: „Wir möchten erforschen, ob sich auf den Plastikoberflächen eine eigene […]

  2. Miteinander (Teil II)

    […] vornehmen, also insbesondere das Wachstum des Biofilms beobachten möchten. Hierzu gehört neben Lynn Moldaenke noch Tatjana Gaudl, die auf dem Schiff für ihre Masterarbeit forscht und zum Department […]

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