The leaky pipeline
Stellen Sie sich vor: Eine Frau läuft auf dem Gang an Ihnen vorbei, mit einem Maßband in der Hand, das sie zu verstecken versucht, als Sie sich begegnen. Später sehen Sie sie, wie sie heimlich die Größe der Räume im Gebäude misst. Ist sie verrückt? Nein.
“Sie” ist Nancy Hopkins, eine Pionierin der Molekularbiologie vom MIT, die in 1994 beweisen wollte, dass ihr Labor kleiner verglichen mit denen ihrer männlichen Kollegen ist. Damit began der Kampf um Gender Equality in der Wissenschaft, einer männlichen dominierten Disziplin, die sich nicht schnell genug an den Wandel der Zeit anpassen konnte.
Wir spulen vor zum heutigen Tag: Ich selbst, auch eine Frau in der Wissenschaft, habe nie verstanden, welche Schwierigkeiten all jene Frauen vor mir hatten, habe es aber auch nie aktiv versucht. Doch, während ich mich langsam dem Ende meines Doktors annähere und das nächste Kapitel meiner Karriere ins Auge fasse, fange ich an das Phänomen der “Leaky Pipeline” z – Der Rückgang von Frauen in STEM mit jedem weiteren Schritt auf der Leiter – zu verstehen.
Der Film „Picture a Scientist“ von 2020, bringt etwas Licht in die Gründe für dieses Phänomen, indem er uns auf eine 30 Jahre lange (und andauernde) Reise durch Geschlechter- und Rassenvorurteile, Belästigung und institutioneller Diskriminierung mit nimmt und uns dabei verdeutlicht, dass selbst jene, die sich der Suche nach der wissenschaftlichen Wahrheit verschrieben habe, noch Opfer ihrer eigenen, irreführenden Vorstellungen werden.
Frauen wurden – und werden noch – als unterlegen angesehen, ihre Expertise zurückgewiesen, nicht aus Basis eines mangelnden Intellekts oder nicht ausreichender Leistung, sondern aufgrund ihres zugewiesenen Geschlechts. Doch ist diese Diskriminierung nicht immer offensichtlich. Die Dokumentation zeigt die Subtilität des Problems, und überrascht damit, wie raffiniert sich die Belästigung darstellt.
Man denke dabei nicht an sexuelle Belästigung oder Übergriffe, sondern eher konstante Exklusion – sich das Gefühl geben lassen, man gehöre nicht dazu.
Können Sie sich eine Welt vorstellen, in der Frauen gezwungen wurden, sich konform zu unbegründeten Geschlechterrollen zu verhalten und der Wissenschaft fernzubleiben? Die Struktur der DNA wäre vielleicht nicht in 1953 entdeckt worden, hätte Rosalind Franklin nicht das berühmte Photo 51 mithilfe von Röntgenstrahlen aufgenommen. Eine weitere erwähnenswerte Wissenschaftlerin ist Katherine Johnson, eine Amerikanische Mathematikerin, deren Arbeit essentiell für den Erfolg der Apollo 13 Mond-Mission war, und deren Geschichte erst durch den Film Hidden Figures von 2016 bekannt wurde. Mit nur einem winzigen Blick in die Beiträge von Wissenschaftlerinnen, die Antwort zu meiner eingangs gestellten Frage ist einfach: Nein. Eine Welt ohne Wissenschaftlerinnen kann, und sollte man sich nicht vorstellen.
In den letzten Jahren gab es einen signifikanten Anstieg von Frauen im MINT-Bereich, die als Technikerinnen, Doktorandinnen, Post-Docs und Gruppenleiterinnen arbeiten. Die Zahl der Frauen mit festen Positionen ist jedoch viel langsamer gestiegen, da viele Frauen aussteigen oder auf den höchsten Ebenen übersehen werden. Von einem Bachelor-Abschluss bis zur Graduiertenschule liegt das Gesamtverhältnis von Frauen zu Männern in MINT-Feldern bei ~50%, wobei diese Zahl langsam und stetig sinkt, sobald sie in das Berufsleben eintreten. Frauen sind in akademischen Führungspositionen extrem unterrepräsentiert und besetzen weniger als ein Drittel der Positionen. Auch im MINT-Bereich dominieren weltweit nach wie vor Männer, während in der Technologiebranche und in der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung ein Mangel an Frauen in Führungspositionen herrscht. In Deutschland selbst sind nur 33% der Wissenschaftler und Ingenieure Frauen. In den USA machen Frauen nicht nur bloß 28 % der Belegschaft in Wissenschaft und Technik aus, sondern sind auch mit einer weiteren Ebene der Diskriminierung konfrontiert – Abstammung. Farbige Frauen (Asiaten, Schwarze, Hispanics, American Indian/Alaskan Native) machen nur 11,5 % dieser Gruppe aus, während sie einen Anteil von 27 % zur US-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter beitragen.
Die Problematik der Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts hat verschiedene Ursachen, die von tief verwurzelten gesellschaftlichen Vorurteilen, Sexismus am Arbeitsplatz, Diskriminierung aufgrund der Kinderbetreuung und dem Mangel an weiblichen Vorbildern reichen.
Die Zukunft kann aber immer noch rosig aussehen. Die Kluft zwischen den Geschlechtern schließt sich dank der langen und anhaltenden Bemühungen all der Frauen in der Wissenschaft, die versuchen, das Spielfeld für die nächste Generation von Wissenschaftlern , unabhängig von ihrem Geschlecht, zu ebnen.
Allerdings müssen wir das Tempo erhöhen.
Frauen, ein großer Teil der Verantwortung liegt jetzt bei uns! Wir müssen unsere Stimmen nutzen, um die Veränderungen, die bereits geschehen, voranzutreiben und fortzuführen, und uns gegenseitig unterstützen.
Da sich immer mehr Frauen für eine Karriere in MINT entscheiden, ist das Umfeld gezwungen, entgegenkommender zu werden, indem es Kinderbetreuungsmöglichkeiten anbietet, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie voranstellt, das geschlechtsspezifische Lohngefälle beseitigt und andere Themen offen anspricht. Allerdings braucht es auch mehr weibliche Vorbilder in diesen Bereichen, sodass der jungen Generation von Wissenschaftlern die Neugier für die Wissenschaft beigebracht wird – ohne die zugrunde liegende Diskriminierung.
Nachdem wir vor kurzem Frauen in der Wissenschaft gefeiert haben und da heute Weltfrauentag ist, bitte ich Sie Geist über Geschlecht zu stellen und das Leck zu schließen.
PS: Falls es Ihre engen Zeitpläne zulassen, schauen Sie sich Picture a Scientist an. Sie werden gleichermaßen fasziniert und verstört sein.