Sauerstoff bedrohlich niedrig in der Elbe rund um Hamburg

140722_titel (Foto: Jonas Walzberg)

Beitrag von Dr. Tina Sanders, Dr. Götz Flöser, Rhiannon Breider, Eva Husmann, Dr. Yoana Voynova und Anderen aus dem Institut für Kohlenstoff-Kreisläufe

Toter Fisch im Hamburger Hafen (Foto: Jonas Walzberg)

 

Wie wenig ist zu wenig? Das ist die Frage, die sich beim Sauerstoff im Wasser stellt, denn unter einem bestimmten Level können zum Beispiel Fische (4 mg/L) nicht mehr atmen. Im Sommer kann die Sauerstoffkonzentration im Wasser geringer werden, weil wärmeres Wasser weniger Gase, u.a. auch Sauerstoff lösen kann. Das 22° C warme Wasser der Elbe nimmt also deutlich weniger Sauerstoff auf als das 10° C warme Wasser im Winter. Außerdem werden, wenn der Sauerstoff gering ist oder ganz fehlt, die Treibhausgase Methan (CH4) und Lachgas (N2O) gebildet und können in die Atmosphäre entweichen. Sie kommen zwar in viel geringeren Konzentrationen als Kohlenstoffdioxid (CO2) vor, sind aber um ein Vielfaches klimawirksamer.

An den Messstationen im Laufe des Elbe-Ästuars wurden gerade (Juni 2022) dramatisch niedrige Sauerstoffwerte gemessen, so auch in Bunthaus oder Seemannshöft.

Die Sauerstoffkonzentrationen sind seit Mitte Juni sehr stark gefallen und lagen Ende Juni deutlich unter 2 mg/L. Damit ist das Minimum für die Fische im Wasser unterschritten. Bereits ab Mitte Mai deutete sich an, dass der Sauerstoffgehalt sinken und sich das Sauerstoffloch im Hamburger Hafen in diesem Jahr sehr früh entwickeln würde. Auf regelmäßigen Fahrten mit unserem Forschungsschiff “Ludwig Prandtl” untersuchen wir am Institut für Kohlenstoff-Kreisläufe des Helmholtz-Zentrums Hereon die Wasserqualität vor allem im Hinblick auf  Nährstofffrachten sowie auf Sauerstoffkonzentrationen und Kohlenstoffgehalt.

In der Hoffnung, das sich abzeichnende Sauerstoffminimum erfassen zu können, unternahmen wir ein ad hoc Sampling, das Daten für die komplette Hamburger Elbe liefern sollte. Mit zwei Schiffen, der “Ludwig Prandtl” und der “Zwergseeschwalbe”, untersuchten wir am 29. Juni das Elbe-Ästuar von Glückstadt bis Oortkaten und von da aus elbaufwärts bis Artlenburg.

Probennahme auf der “Ludwig Prandtl” (Foto: Jonas Walzberg)

 

Die Ergebnisse bestätigten, was sich angekündigt hatte. Ab dem Geesthachter Wehr sank die Sauerstoffsättigung kontinuierlich, sodass sie am Zollenspieker Fährhaus bereits auf 50 % und bei Oortkaten auf 30 % Sättigung reduziert war. Die Sauerstoffsättigung lag im Elbe-Hauptstrom unter 9 %, im Bereich der Süderelbe im Tiefenwasser sogar unter 4 %, was einer Konzentration von weniger als 0,5 mg/L entspricht – eindeutig zu wenig zum Überleben für bodenlebende Tiere, wie z.B. Plattfische.

Sauerstoffverteilung im Verlauf der Elbe gemessen mit CTD von der “Ludwig Prandtl” und der “Zwergseeschwalbe” (Grafik: Hereon)

 

Neben der kontinuierlichen Messung von Wasserparametern mit der FerryBox wie Sauerstoff, Salzgehalt und Trübung haben wir auch an ausgewählten Stationen in der Elbe Tiefenprofile (s. Grafik oben) erfasst. Nachdem das Schiff stoppte, ließen wir eine Sonde mit Sensoren und Probenschöpfern ins Wasser, um so die Verteilung der Parameter mit der Tiefe zu messen. An drei Stationen im Hauptstrom der Elbe war das Wasser komplett durchmischt, sodass wir keine Abhängigkeit der Parameter mit der Tiefe messen konnten. Anders sah es aber in den durchfahrenen Hafenbecken und der Süderelbe aus. Dort fanden wir eine auffallende Schichtung des Wasserkörpers in Temperatur und Sauerstoffgehalt: ein klares Zeichen dafür, dass im Bodenwasser und im Sediment vermehrt Sauerstoff verbraucht wurde.

Wenn aber innerhalb kurzer Zeit viele Algen sterben, kann spontan der gesamte Sauerstoff verbraucht werden. Wie kann es also zu solch einer verheerenden Situation kommen?

Im Oberlauf der Elbe wird das Algenwachstum durch den landwirtschaftlichen Eintrag von Nitrat und Phosphat gefüttert. Die zudem frühzeitig andauernden Trocken- und Wärmeperioden sorgen für einen Anstieg der Wassertemperatur, was das Wachstum der Algen noch beschleunigt. Auch wenn Mikroorganismen und Tiere vorerst davon profitieren, so sorgt die erhöhte Biomasse jedoch für ein Aufbrauchen des vorhandenen Sauerstoffs.

Durch das tiefere Wasser im Hafen kommt es für die Algen zu Lichtmangel, was sie bräuchten für ihre Photosynthese. Die Sauerstoffzehrung überwiegt die Sauerstoffproduktion, zusätzlich werden die Algen noch durch das Zooplankton weggefressen.

Und warum ist die Situation gerade in diesem Jahr so zugespitzt? Ganz genau können wir das noch nicht sagen, aber folgende Punkte spielen in ihrer Gesamtheit eine wichtige Rolle bei der Ausbildung des Sauerstoffloches im Hamburger Hafen:

  • ausgeprägtes Algenwachstum im Oberlauf der Elbe
  • weniger Niederschlag und damit reduzierter Abfluss in der Elbe
  • warmes Wasser schon früh im Sommer
  • Absterben der Algen ab dem Wehr in Geesthacht

Einiges davon (Niedrigwasser der Elbe, hohe Temperaturen) sind Vorzeichen der Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels, diese Extreme könnten in Zukunft die neue Norm sein.

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