Ein neuer am HZG entwickelter Ansatz zur Probennahme von Nanoplastik-Partikeln

Publications (Foto: J.-R. Lippels / Hereon)
Beitrag von Lars Hildebrandt und Dr. Daniel Pröfrock, Abteilung Marine Bioanalytische Chemie

Jeder Deutsche produziert pro Jahr laut Plastikatlas 2019 mehr als 38 Kilogramm Kunststoffmüll. Es wird geschätzt, dass die Menschheit bisher mehr als 8 Mrd. Tonnen (8.000.000.000.000 kg !) Kunststoffmüll produziert hat. Ein erheblicher Teil dieses Mülls verlässt das Abfall-Management-System und wird letztlich in Flüsse und Meere eingetragen, wo verschiedene Mechanismen wie mechanische Beanspruchung und UV-Degradierung (Sonneneinstrahlung) eine Zerkleinerung des Abfalls bewirken. Hierbei entsteht Mikroplastik (1 µm bis 5 mm Teilchen) und bei weiter fortschreitender Zerkleinerung auch Nanoplastik mit Teilchengrößen kleiner als 1 µm. Bei diesen Prozessen entstehen Partikel aus synthetischen Polymeren im Nanometer-Bereich, sprich mit einer Größe bzw. einem Durchmesser zwischen 1 milliardstel und 1 millionstel Meter.

Sowohl Mikro- als auch Nanoplastik werden aber auch direkt in Dingen des alltäglichen Lebens wie Kosmetika und anderen Produkten eingesetzt und über diesen Weg nach der Verwendung über Abwässer in die Umwelt eingetragen. Mikroplastik ist mittlerweile in fast allen Ökosystemen der Welt – teilweise in erschreckenden Konzentrationen von über 1 Mio. Partikel pro m3 – und auch in der Atmosphäre durch Wissenschaftler nachgewiesen worden, es handelt sich mithin um einen „ubiquitären“ Schadstoff. Mikroplastik ist insofern problematisch, als die Partikel und Fasern von diversen Spezies in der marinen Umwelt aufgenommen und auch in Geweben und Organen verschiedene Effekte auslösen können (Entzündungsreaktionen, oxidativer Stress, Störung des Fettstoffwechsels etc.). Außerdem können die Partikel vor der Aufnahme noch andere Schadstoffe anreichern, wodurch sie einen ganzen „Cocktail“ an unterschiedlichsten Stoffen mit sich führen können. Je kleiner die Partikel sind, desto größer ist das Potential, dass diese auch biologische Barrieren bzw. Schranken wie Zellmembranen innerhalb eines Organismus überwinden. In Laborstudien wurde Nanoplastikpartikeln schon ein deutlich höheres Gefährdungspotential als Mikroplastikpartikeln attestiert.

Je kleiner die Partikel jedoch werden, desto größer werden auch die chemisch-analytischen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, um die Partikel in der Umwelt zuverlässig und methodisch valide nachzuweisen. Verfahren, die zur Mikroplastik-Analytik Verwendung finden (von der Probennahme über die Probenbehandlung bis zum instrumentell-analytischen Nachweis), lassen sich leider nicht mehr auf die Untersuchung von Nanoplastik übertragen. In Bezug auf Nanoplastik steckt die Forschung gewissermaßen noch in den „Kinderschuhen“. Für den Nachweis der Partikel in aquatischen Systemen ist eine erhebliche Anreichung notwendig, die nicht durch Filtrationsansätze erfolgen kann, wie sie typischerweise für die Mikroplastikprobennahme eingesetzt werden. Es braucht alternative Herangehensweisen und den Transfer von Know-How aus anderen Wissenschaftsbereichen.

Die Abteilung Marine Bioanalytische Chemie, die sich schwerpunktmäßig mit der Multielement, Speziations- und Isotopenanalytik sowie seit geraumer Zeit auch mit der Mikroplastikanalytik befasst, nutzt schon lange unterschiedliche Verfahren zur Fraktionierung und Anreicherung verschiedener partikulärer Matrices. Daher konnten wir im Labor ein Verfahren entwickeln und erfolgreich testen, um sogenannte Nanoplastikpartikel aus Flusswasser zu gewinnen, sowie diese von Mikrometerpartikeln zu trennen und anzureichern.

Das Verfahren basiert auf der Durchflusszentrifugation, die es ermöglicht, aus einem kontinuierlichen Flüssigkeitsstrom durch das Anlegen eines sehr starken Zentrifugalfeldes orthogonal zur Flussrichtung, das ca. dem 24.000-fachen der Erdbeschleunigung entspricht, sehr kleine Partikel abzuscheiden. Hierbei haben wir speziell von unseren Kooperationspartnern in der Schweiz, der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) und der EAWAG (Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz), entwickelte Nanoplastikpartikel mit einem definierten Fremdmetallgehalt verwendet, um diese dann in unserem Testsystem quantitativ zu verfolgen und so die Eignung des Verfahrens näher zu charakterisieren.

Im ersten Schritt konnten wir die Nanoplastikpartikel mithilfe einer einzelnen Zentrifuge bei optimaler Flussrate nahezu vollständig aus Wasser extrahieren (> 92%). Im zweiten Schritt gelang es uns, mithilfe eines sequentiellen Aufbaus basierend auf zwei Zentrifugen auch über 75% der Nanopartikel von natürlichen Partikeln mit einer Größe von wenigen Mikrometern abzutrennen. Die Durchflusszentrifugation birgt dementsprechend ein enormes Potential für die Anreicherung von anthropogenen Nanoplastikpartikeln aus der aquatischen Umwelt, wofür es bis dato kein geeignetes Verfahren gab. Sie soll in Zukunft zu eben diesem Zweck eingesetzt werden.

 

Hildebrandt, L., Mitrano, D.M., Zimmermann, T., & Pröfrock, D. (2020): A Nanoplastic Sampling and Enrichment Approach by Continuous Flow Centrifugation. Front. Environ. Sci., 30 June 2020, doi:10.3389/fenvs.2020.00089

Abstract:

Substantial efforts have been undertaken to isolate and characterize plastic contaminants in different sample matrices in the last years as the ubiquitous presence of particulate plastic in the environment has become evident. In comparison, plastic particles <1 µm (nanoplastic) in the environment remain mostly unexplored. Adequate techniques for the enrichment, as well as the detection of nanoplastic, are lacking but are urgently needed to assess the full scope of (potential) nanoplastic pollution. Use of Pd-doped nanoplastic particles constitutes a powerful tool to develop new analytical approaches, as they can be traced accurately and with ease in a variety of complex matrices by highly sensitive, time-efficient and robust ICP-MS(/MS) techniques. In this lab-scale study, for the first time, the capability of continuous flow centrifugation to retain nanoplastic particles (∼160 nm) from ultrapure water, as well as from filtered and unfiltered water from the German Elbe River was evaluated. Depending on the pump rate, the retention efficiency for the nanoplastic particles in ultrapure water ranged from 92% ± 8% (1 L h−1) to 53% ± 5% (5 L h−1) [uc (n = 3)] and from 75% ± 5% to 65% ± 6% (uc) (2.5 L h−1) in river water. Recirculating the water through the system two and three times at the highest tested flow rate led to retention efficiencies >90%. In a proof-of-principle setup, it was demonstrated that operating two continuous flow centrifuges sequentially at different rotational speeds bears the potential to enable size- and density-selective sampling of the colloidal fraction. A significant fraction of the spiked nanoplastic particles [76% ± 5% (uc)] could be separated from a model mixture of natural particles with a well-defined mean size of approximately 3 µm. While the certified reference plankton material used here was quantitatively retained in the first centrifuge rotor together with 23.0% ± 2.2% of the effective dose of the spiked nanoplastic, the remaining fraction of the nanoplastic could be recovered in the second rotor (53% ± 5%) and the effluent [24.4% ± 2.4% (uc)]. Based on the good retention efficiencies and the demonstrated separation potential, continuous flow centrifugation has proven to be a very promising technique for nanoplastic sampling and enrichment from natural water samples.

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