Wind oder kein Wind? Das war die Frage!

130918_titel (Foto: Jochen Horstmann / HZG)
Beitrag von Daniel Blandfort, Abteilung Atmosphäre-Ozean-Wechselwirkungen

Sonntag, 9:00 Uhr auf dem HZG Gelände: Ingenieure und Techniker treffen sich zu einer “Minikampagne” vor der Annex Halle. Mit dem vollgepackten Bulli mit seltsamen mehr oder weniger gelb lackierten Stangen, Haltern und Alukisten sowie dem Ranger, der auf der Ladefläche eine monströse Stahlkiste trägt, geht es los Richtung Osten. Das Ziel ist das Oderhaff an der deutsch-polnischen Grenze.

Zusammen mit unserem Forschungsschiff “Ludwig Prandtl” soll im Oderhaff ein Messpfahl aufgebaut werden. Das Problem an der Sache: Das Schiff ist nur wenige Tage verfügbar und das Setzen des Pfahls ist nur bei wenig Wind möglich – aber die Vorhersage schwankte in der Woche zuvor zwischen Sturm und “nur” heftigem Wind. Daher auch die Abfahrt am Sonntag, jede Chance soll genutzt werden, um den Pfahl aufzubauen.

Direkt nach der Ankunft im Hafen von Ueckermünde beginnen die Vorbereitungen zum Aufbau bei teilweise heftigen Böen. Der komplette Messpfahl ist zu lang, um an einem Stück auf der “Ludwig Prandtl” transportiert zu werden. Er ist also in vier Haupt- und mehrere Anbauteile zerlegbar:

  • 3 Pfahlelemente mit jeweils rund einem halben Meter Durchmesser und zwischen 4 und 7 Metern Länge,
  • die Plattform, auf der die Messgeräte und Hilfssysteme aufgebaut werden,
  • die Leiter, um überhaupt hochzukommen,
  • und der “Fahrstuhl”.

Leider ermöglicht der Fahrstuhl es uns nicht, bequem nach oben zu fahren. Er ist ausschließlich für Messgeräte vorgesehen, die damit ins Wasser gefiert und wieder herausgehievt werden. So verbleiben sie nicht im Wasser, und Biofouling stellt nur noch ein untergeordnetes Problem dar. Als Biofouling wird das Zuwachsen von Messinstrumenten unter Wasser mit aller Art von Biologie bezeichnet. Algen und Seepocken stellen zum Beispiel ein großes Problem dar und können Instrumente bis zur völligen Unbenutzbarkeit überwuchern.

Dank des eingespielten Teams, bestehend aus der Schiffsbesatzung und Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen des Forschungszentrums, gehen die Vorbereitungen im kalten Wind zügig vonstatten: Zwei Pfahlelemente werden schon an Land verbunden und sind von nun an nur noch seitlich am Schiff hängend transportierbar, die Plattform ist bereits mit einem 4m langen Pfahlsegment verbunden; hier muss nur geprüft werden, dass alles noch da ist, wo es hingehört. Jetzt noch schnell alles, was erst draußen auf See montiert werden kann, an Bord verladen und dann noch einmal eine kurze Wetterbesprechung. Die Windvorhersage ist für uns nun deutlich günstiger und entgegen aller Unkenrufe wird verabredet, am Montag Morgen früh hinauszufahren.

 

Teil des Messpfahls außenbord des Schiffs befestigt
(Foto: Daniel Blandfort / HZG))

 

Frühmorgens geht es bei sehr grauem und ungemütlichem Wind und Regen raus auf das Haff. Kapitän Heiko verspricht uns, dass es bald aufbricht und besser wird. Kaum auf Position angekommen, wird der Anker geworfen, das Schlauchboot zu Wasser gelassen und ein Feuerwehrschlauch angeschlossen.

Aber wie wird so ein Pfahl eigentlich “gesetzt” und sicher verankert? Erstaunlich simpel: Im Inneren der Pfahlsegmente sind Rohrleitungen, durch die Wasser gepumpt wird. Am unteren Ende befindet sich eine Düse, durch die das Wasser mit hoher Geschwindigkeit wieder austritt. Mit dem Kran wird der Pfahl auf Position gehalten und das Wasser aufgedreht: Das durch die Düse austretende Wasser “gräbt” quasi ein Loch, und der Pfahl wird in den schlammigen Boden “eingespült”.

Aber als wir testweise das Wasser aufdrehen, bleibt die Düse trocken –  es kommt kein Wasser durch die im Inneren des Pfahls verlaufenden Rohre! Erst nach dezenten Überredungsversuchen von Marco mit Hammer und Schraubenzieher vom Schlauchboot aus schießt das Wasser aus der Düse.

Und damit kann es losgehen. Der Pfahl kommt an den Kranhaken und wird nach außen geschwungen und abgelassen. Und hier macht sich wieder der Wind bemerkbar: Der Pfahl pendelt, das Schiff wackelt und selbst als er schon anfängt, sich im Boden festzusetzen, bekommt er immer wieder Schlagseite und steht krumm. Aber mit ein bisschen Geduld, ständigem Prüfen aus allen möglichen Winkeln, ob er gerade steht, kann er schließlich “vom Haken” gelassen werden.

Und dann funktioniert plötzlich alles wie am Schnürchen: Der untere Teil steht und die Plattform mit ihrem bereits fest verbundenen Segment schwebt heran und wird mit 36 dicken Edelstahlschrauben von Marc und Detlef an ihrem “Fuß” angeschraubt.

 

Messpfahl wird am Kran zu Wasser gelassen
(Foto: Daniel Blandfort / HZG)

 

Als nächstes klettert Jurij flugs eine Leiter hoch auf die Plattform, von wo aus er den Anbau der eigentlichen Leiter dirigiert und nach kurzer Verwirrung, an welcher Seite der Fahrstuhl denn nun gebraucht wird, ist auch dieser schnell montiert. Und damit kann auch schon die monströse Stahlkiste, die der Ranger transportierte, von Deck auf die Plattform umgeladen werden. Darin verbirgt sich der Generator mit seinen Batteriepaketen, welche von nun an die Messgeräte mit Energie versorgen werden. Dann folgt noch eine weitere große Alukiste, in der der Strom verteilt wird und die Datenerfassung stattfindet. Alle gesammelten Daten können bequem über das Internet von den Wissenschaftlern abgerufen werden und alle Messgeräte können aktiviert oder deaktiviert werden.

Es werden noch ein paar Rohre für die spätere Verwendung angebaut und hier und da noch Geräte verschraubt, und damit ist dann auch schon alles, was so früh im Jahr auf den Pfahl sollte, verbaut: Generator zur unabhängigen Energieversorgung, Datenerfassung für diverse Messgeräte, eine Wetterstation, eine Webcam und natürlich ganz wichtig: eine Positions- und Warnleuchte!

Weitere Experimente und Messgeräte werden erst im Sommer aufgebaut, wenn noch einiges an Entwicklung und Optimierung durch die Wissenschaftler und Ingenieure der Abteilung “Ozean-Atmosphäre-Wechselwirkungen” erledigt wurde. Dann werden zusätzlich zu der vorhandenen Wetterstation noch zwei empfindliche Ultraschallwindmessgeräte, Wellenhöhenmesser und das Kernstück, zwei leistungsfähige Laser mit mehreren Kameras, installiert. Mit dieser Messausstattung können Windströmungen bis in die Grenzschicht zwischen Atmosphäre und Wasseroberfläche erfasst werden. Das Wissen und Verständnis um die genauen Begebenheiten in diesem Bereich wird es ermöglichen, die komplexen Austauschprozesse zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen zu beschreiben und dann auch vorherzusagen.

Bei einem letzten Blick von der Pfahlplattform fällt dann plötzlich noch auf: Der Tag ist wunderschön geworden, die Sonne scheint, das Haff ist spiegelglatt und es ist frühlingshaft warm geworden! Beste Voraussetzungen, um noch ein paar beinah kitschige Aufnahmen von unserem Pfahl und der “Ludwig Prandtl” zu machen, bevor es wieder zurück geht.

Alles in allem ist die Antwort auf die eingangs gestellte Frage also: Gerade genug Wind!

 

Messpfahl im Oderhaff
(Foto: Daniel Blandfort / HZG)

 

==> Abteilung “Ozean-Atmosphäre-Wechselwirkungen”

==> Die Messinstallation im Oderhaff

==> Fernsteuerung

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel