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Publications (Foto: J.-R. Lippels / Hereon)
Beitrag von Dr. Ulrich Callies, Leiter der Abteilung Modellierung zur Bewertung von Küstensystemen

Der mögliche Einsatz chemischer Dispergatoren im Falle eines Ölunfalls in der Deutschen Bucht ist eine umstrittene Maßnahme. In Deutschland wird sie nur in Ausnahmefällen in Erwägung gezogen. Dispergatoren, wie sie beim Deepwater Horizon Unfall im Golf von Mexiko in großem Umfang eingesetzt wurden, spalten einen Ölteppich in kleine Tröpfchen auf, welche danach leicht in die Wassersäule eingemischt werden können. Das Öl verschwindet so von der Wasseroberfläche, kann aber andere Komponenten des Ökosystems bedrohen. Vor- und Nachteile für unterschiedliche Teile des Ökosystems gegeneinander abzuwägen (z.B. weniger Bedrohung von Vögeln, evtl. aber Schädigung von Organismen im Sediment) ist außerordentlich schwierig.

Unbestreitbar hat die Dispersion eines Ölteppichs aber einen großen Einfluss auf die horizontale Ausbreitung des schädigenden Öls. An der Wasseroberfläche ist das Öl einem Windschub ausgesetzt, was nach Absinken des Öls nicht mehr der Fall ist. In der Folge wird dispergiertes Öl meist langsamer verfrachtet und oft auch in eine andere Richtung.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Effekt das Eindringen ausgelaufenen Öls in das äußerst sensible Wattenmeer verhindern würde? Diese Frage stellten sich HZG-Forscher in Kooperation mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Schwichtenberg, F., Callies, U., Groll, N., & Maßmann, S. (2017): Effects of chemical dispersants on oil spill drift paths in the German Bight – probabilistic assessment based on numerical ensemble simulations. Geo-Marine Letters 37, 163-170.

Sie generierten eine räumliche Karte der Wahrscheinlichkeiten positiver Effekte. Unsicherheiten entstehen durch die Abhängigkeit vom konkreten Wettergeschehen. Daher wählten die Autoren folgenden Ansatz: Sie ließen für die Jahre 2008-2017 in einem mathematischen Modell alle 28 Stunden einen hypothetischen Ölunfall geschehen und rechneten dessen Konsequenzen sowohl mit als auch ohne Anwendung des Dispergators durch. Diese Prozedur wiederholten sie für 636 verschiedene Positionen in der Deutschen Bucht.  Die insgesamt 2×1,4 Millionen betrachteten Verläufe bildeten dann die Basis für die erwähnte Karte von Wahrscheinlichkeiten.

In der nun erschienenen Arbeit wurde die vorangegangene Studie wieder aufgegriffen. Statt durch statische Karten wurden die Daten aber nun mittels einer interaktiven Software verfügbar gemacht. Mit diesem Werkzeug, einem sogenannten Bayesschen Netzwerk (BN), können Nutzer leicht und schnell spezielle Konstellationen untersuchen. Wie unterscheiden sich die Wahrscheinlichkeiten bei Unfällen im Dezember von solchen bei Unfällen im Juli? Welchen Einfluss hat die vorherrschende Windrichtung? Wie hängt die Reisezeit, bis sensible Regionen getroffen werden, von Windstärke oder auch Windrichtung ab? Diese Fragen können beantwortet werden, ohne dafür auf die sehr umfangreichen originalen Simulationen zurückgreifen zu müssen. Das entwickelte Werkzeug ist insbesondere auch bei den oben erwähnten Diskussionen über Nutzen und Schaden chemischer Dispergatoren hilfreich.

 

Liu, Z., & Callies, U. (2019): Implications of using chemical dispersants to combat oil spills in the German Bight – Depiction by means of a Bayesian network. Environmental Pollution, Volume 248, pp 609-620, doi:10.1016/j.envpol.2019.02.063

Abstract:

Application of chemical dispersants is one option for combatting oil spills, dispersing oil into the water column and thereby reducing potential pollution to coastal areas. Efficiency of dispersant application depends on oil characteristics, sea and weather conditions. Potential environmental impacts must also be taken into account. Referring to the German Bight region (North Sea), we show how probabilistic Bayesian network (BN) technology can integrate all these aspects to support contingency planning. Expected effects of chemical dispersion on oil spill drift paths are quantified based on comprehensive numerical ensemble simulations. Ecological impacts are represented just in simplified terms focusing on nearshore seabird distributions. The intuitive and interactive BN summarizes expected benefits from chemical dispersion depending on where and under which weather conditions a hypothetical pollution occurs.

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