Mit Gummistiefeln auf Schmetterlingsjagd – Eindrücke von einer Exkursion in die Moore Lettlands

Hochmoor in Lettland

Im Nordosten Lettlands zählen Moore – häufig in einer Ausdehnung, von der wir uns in Deutschland kaum einen Begriff machen können – zu den landschaftsprägenden Elementen. 16 Lepidopterologen hatten sich verabredet, Anfang Juni 2017 den Lebensraum des Baltischen Samtfalters und des Silberfleck-Perlmuttfalters zu erkunden.

Vom Flughafen Riga aus waren es nur wenige Fahrminuten bis zum Melna Ezera Purvs. Eingezwängt zwischen riesigen Flächen, die trockengelegt und abgetorft sind (Exportware u.a. für deutsche Gärtner!), liegt dort ein Restbereich des Moores. Das Scheidige Wollgras und die Moltebeere setzen weiße Punkte im Grün; vom Sumpfporst geht ein intensiver Duft aus, der einen mit der Zeit regelrecht benebelt. Hier fliegen schon viele Exemplare vom Silberfleck-Perlmuttfalter (Boloria euphrosyne).

Tags darauf geht es in das weiter östlich gelegene Aklais Purvs. Wir sehen Sonnentau (Drosera rotundifolia und D. anglica), die Raupe der Trinkerin, einer Eulenart (Euthrix potatoria), und allgegenwärtig wieder Libellen. Im Randbereich des Moores gingen uns der Nagelfleck (Aglia tau) und das Braunscheckauge Lasiommata petropolitana ins Netz.

Schneller als man denkt, verliert man im Moor die Orientierung, insbesondere, wenn der Himmel bedeckt ist und/oder Landmarken fehlen. Da ist es empfehlenswert, in Ruf-/Sichtweite der Gruppe zu bleiben, bzw. die Koordinaten des Startpunktes orten zu können. Bevor es dann zu sumpfig wurde, nahmen wir uns einen blütenreichen Hang am Ufer der Daugava (Düna) vor. Lettlands großer Strom entspringt in Weißrussland und mündet nach 1020 Kilometern in den Rigaer Meerbusen. Dem Bauern, der die Wiese bewirtschaftete, erklärten wir, dass wir nach Schmetterlingen suchten, worauf er erwiderte, dass es dort eigentlich nichts gäbe. Nun, es dauerte nicht lange und die ersten Schwarzen Apollos (Parnassius mnemosyne) flogen uns vor die Linse. Wie so viele Artnamen von Faltern, ist auch dieser der griechischen Mythologie entnommen. Mnemosyne ist die Göttin der Erinnerung.

Ein nächstes Etappenziel war das Aizkraukles Purvs. Mitten im Moor hatte ein Fischadler seinen Horst und beschwerte sich über die Störung. Auch ein Bruchwasserläufer (Tringa glareola) versuchte lautstark, uns von seinem Nest abzulenken. Kontrastprogramm zum Ende des Tages war der südexponierte Saum eines Kiefern-Eichenwaldes. Hier dauerte es nicht lange, bis wir die Raupen von Satyrium ilicis, Neocephyrus quercus, Limenitis camilla, Zygaena viciae und weiterer Arten entdeckt hatten.

Tag vier brachte uns an das Ufer der Gauja in der Nähe der Stadt Sigulda. Auf einer Auenwiese flogen geschätzte 250 Schwarze Apollos. Um das richtig einordnen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass es in Deutschland nur noch Restvorkommen in den Alpen, der Rhön und auf der Schwäbischen Alp dieser sog. FFH Anhang IV-Art gibt. Sobald es sich bewölkte, ließen sich die Tiere auf der Vegetation nieder und konnten ausgiebig fotografiert werden. Es ist gut möglich, dass solche Bilder schon bald der Vergangenheit angehören. In Lettland, wie in vielen anderen ehemaligen Ostblock-Staaten, gehen wertvolle Grünland-Habitate in raschem Tempo verloren, weil entweder die Nutzung intensiviert und große Mengen Dünger eingesetzt werden oder weil die Mahd bzw. Beweidung aufgegeben werden und die Flächen verbuschen.

Das Teiču Purvs ist mit einer lebenden Hochmoorfläche von 15.000 ha das größte Hochmoor des Baltikums. Hier beobachteten wir eine Kopula des Baltischen Samtfalters (Oeneis jutta). Das (abgeflogene) Männchen packte das (frische) Weibchen im Flug und das Paar landete an einer Kiefer.

Von dort führte uns die Exkursionsroute in die Region um Valmiera, unweit der Estnischen und der Russischen Grenze. Auf einer am Fluss Gauja gelegenen Weide machten wir Bekanntschaft mit einer Rinderherde. Ein wachsamer Leitbulle stürmte voran und ließ uns Schutz hinter Bäumen suchen – respekteinflößend und gleichzeitig schön, solch natürliches Verhalten zu erleben.

Highlight in der Nähe war eine Auen-Waldweide, die mit Eichen von beeindruckender Größe bestanden war. Noch vor Kurzem drohten 70% dieses Habitattyps in Lettland durch Nutzungsaufgabe und Verbuschung verloren zu gehen. Durch Unterschutzstellung und Pflegemaßnahmen mit Hilfe von EU-Mitteln wird nun zumindest ein Teil solcher Flächen erhalten.

Schon auf dem Rückweg zum Flughafen sammelten wir noch ein paar kurze Eindrücke von Riga, das alleine für sich eine Reise wert ist. In der lebendigen Metropole leben 700.000 Menschen, die Hälfte davon mit russischen Wurzeln.

Abschließend sei erwähnt, dass die im Text genannten Tier- und Pflanzenarten nicht die vollständige Exkursionsliste wiedergeben, da dieser Bericht ja nur Eindrücke vermitteln möchte. Ein besonderer Dank geht an Steffen und Ronny, die beiden Organisatoren dieser Reise.

Leser:innenkommentare (2)

  1. Jürgen Uckelmann

    Tolle Fotos und ein gelungener Bericht

  2. Rolf Hohmann

    Ich glaube, eine Exkursion mit so vielen Leuten, da könnte ich nicht teilnehmen (zu wenig anpassungsfähig).
    Ich laufe meistens alleine (auch durch die Wildnis in den USA), oder maximal zu zweit.

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