Vom Sinn (oder Unsinn?) einer „Naturschutzrechtlichen Ausnahme zum Nachstellen und Fang von Tagfaltern”

Foto: André Künzelmann, UFZ

Auch wenn man es zurzeit noch nicht so recht glauben kann – in einigen Wochen beginnt der Frühling und ab April gehen wieder zahlreiche Schmetterlingsfreunde im ganzen Land „ihre“ Transekte ab. Als Transekte bezeichnen wir festgelegte Routen, auf denen die Transektzähler von April bis September möglichst wöchentlich alle Schmetterlinge registrieren. Sie tun dies ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Der Datenfundus im “Tagfalter-Monitoring Deutschland“ wächst seit elf Jahren kontinuierlich und ermöglicht uns Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ immer komplexere und aussagekräftigere Auswertungen z.B. zu den Auswirkungen von Landnutzungs- und Klimawandel auf die Biodiversität. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die unterschiedlichen Schmetterlingsarten auch korrekt erkannt und bestimmt werden, wobei einige schwierig zu unterscheidende Arten auch als “Artkomplex“ zusammengefasst werden können. Um die notwendige Datenqualität gewährleisten zu können,  sind die Transektzähler idR mit Kescher und Beobachtungsglas ausgestattet. Fragliche Falterexemplare werden eingefangen, um einen Blick auf die charakteristischen Merkmale der Flügelzeichnung werfen zu können und oft auch um ein Foto anzufertigen. Die Fotos dienen als eindeutige Belege, anhand derer ggf. später Experten das Bestimmungsergebnis nachvollziehen können. Nach der “erkennungsdienstlichen Behandlung“ flattern die Falter unbehelligt davon.  Alles also kein Problem, oder? Nicht ganz, denn das Fangen von Schmetterlingen ist in Deutschland grundsätzlich erst einmal verboten.

Bis auf die häufigsten Arten sind alle heimischen Schmetterlinge gemäß Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt(nach § 1 BArtSchV iVm Anlage 1 BArtSchV). Zudem gibt es im § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes grundsätzliche Ausführungen über die Verbote bezüglich besonders geschützter Tiere (§ 7 Abs. 2 BNatSchG iVm BArtSchV). Damit ein Transektzähler nun wie oben beschrieben die Falter korrekt bestimmen kann, ist eine Ausnahmegenehmigung nötig. Da das Tagfalter-Monitoring Daten zum Zweck der Forschung sammelt und es viele positive Reaktionen auf unsere Berichte und Publikationen zum Thema gibt und da die Behörden auch direkt von den Daten profitieren können, wird eine Ausnahmegenehmigung meist problemlos erteilt.

BLOG_Fang_1
Foto: André Künzelmann, UFZ

So weit, so gut. Aber wie funktioniert das nun konkret? Im ganzen Land sind Jahr für Jahr ca. 500 Zählerinnen und Zähler aktiv und jede/r Einzelne benötigt eine solche Ausnahmegenehmigung. Da Naturschutz in Deutschland Sache der Bundesländer ist, gibt es in jedem Bundesland auch andere Regelungen für die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung. In einigen (wenigen) Bundesländern kann für ein bundesweites Projekt, wie das unsrige, ein Sammelantrag beim zuständigen Landesministerium gestellt werden. In den übrigen Bundesländern werden Ausnahmegenehmigungen auf der Ebene der Kreise ausgestellt. Alle Behörden möchten detaillierte Informationen darüber haben, wer wann wo Falter fängt und sie machen stets zur Auflage, dass die Daten der Genehmigungsbehörde zur Verfügung gestellt werden. Die Genehmigungen sind je nach Behörde mehr oder weniger detailliert, manchmal gibt es sogar die Auflage, dass Arten der Roten Liste nicht gefangen werden dürfen. Da muss man als Zähler schon ein gutes Gefühl dafür haben, ob der Falter, den man gerade unter die Lupe nehmen möchte eine Art der Roten Liste sein könnte…

Für uns am UFZ ist der Jahresbeginn deshalb stets eine Zeit des „Behördenmarathons“. Wir stellen für die Ämter individuelle Zählerlisten, Übersichtskarten und Anträge in diversen Ausführungen zusammen und bemühen uns, dann für alle aktiven Zähler zum Saisonbeginn eine aktuelle „Fanggenehmigung“ bereit halten zu können. Zum Glück gibt es Behörden, die diese Genehmigungen für mehrere Jahre ausstellen. Die Mehrheit erwartet jedoch eine jährliche Beantragung. An dieser Stelle wäre es für uns eine immense Erleichterung, wenn die betreffenden Ämter ihr Verfahren überprüfen und für beide Seiten erleichtern könnten. Schließlich verfolgen alle Beteiligten – die engagierten Bürger, die Forschungseinrichtung und die Schutzbehörden – ein gemeinsames Interesse, nämlich die Mehrung von Wissen zum Erhalt der Natur.

Nachdem wir uns dies von der Seele geschrieben haben, eilen wir zurück, zu den vielen Anträgen, die noch rechtzeitig vor dem Saisonstart eingereicht werden wollen…….

Leser:innenkommentare (7)

  1. Karl-Heinz Jelinek

    Ja, es ist ein nerviges Thema, mit dem man sich als Schmetterlingskundler immer wieder zum Jahreswechsel herumschlagen muss! In NRW gibt es 53 Kreise und kreisfreie Städte. Angenommen jemand wollte das ganze Land während eines Jahres untersuchen, so bräuchte er 53 Genehmigungen von den jeweils zuständigen Unteren Naturschutzbehörden und eine Sondergenehmigung für den Nationalpark. Da füllen sich schnell ganze Aktenordner im Regal wo eigentlich die Fachliteratur stehen sollte!

  2. Toni Kasiske

    Grundsätzlich ist es natürlich sinnvoll, gewisse Arten(-gruppen) unter Schutz zu stellen. Dies trifft umso mehr auf K-Strategen wie höhere Säugetiere zu, die va. einen längeren Lebenszyklus, weniger Nachkommen und eine geringere Fluktuation der Populationsgrößen aufweisen können. Inwiefern hier ein Unterschutzstellen von Insekten überhaupt sinnvoll oder effektiv sein kann, ist sicherlich ein Thema für sich (und bedarf sicherlich ersteinmal einer detaillierten wissenschaftlichen Überprüfung). Generell jedoch sehe ich der quasi Pauschalschutz nahezu aller Tagfalter als einen verzweifelten Versuch, einen Artenrückgang zu verhindern, ohne sich jedoch wirklich intensiv Gedanken zum jeweiligen Thema gemacht zu haben. Es ist hauptsächlich ein vergeuden sinnvoller Zeit und Ressourcen in den bürokratischen Prozess – Zeit und Ressourcen, welche auch von behördlicher Seite in sinnvollen Artenschutz investiert werden könnte. Der Evaluation der angewandten Instrumente, der Suche nach geeigneten Schlüssel- bzw Zielarten oder aber der Ausarbeitung sinnvoller Habitat-Schutz-Strategien. Über 70% der Fläche (nämlich Land- bzw forstwirtschaftlich genutzte Fläche) sind von Eingriffsregelungen und großen Teilen der Artenschutzgesetze ausgenommen. Aber es wird verboten, einen kleinen Feuerfalter zu fangen – die Verhältnismäßigkeit spricht Bände.

  3. Knud Schulz

    Mir will nicht ganz einleuchten, dass so viele Fanggenehmigungen erteilt werden bzw. “müssen”. Eigentlich sollte man die fraglichen Arten entsprechend gut fotografieren und dann hinterher am PC sorgfältig bestimmen. So mache ich das seit vielen Jahren auf meiner Monitoring-Zählstrecke. Es ist doch wohl nicht unzumutbar, eine entsprechend geeignete Kamera (System-K. oder Bridge-K.) dabei zu haben! Sicher, alle 100 % der fraglichen auftauchenden Falter wird man vielleicht nicht immer ablichten und dann für die Listen bestimmen können, aber diese geringe Unsicherheit verfälscht das Ergebnis nicht generell. Und zusätzlich habe ich selbst auch stets mein “Insektenfernglas” (Pentax Papilio 6,5 oder 8,5×21, Minimalabstand 50 cm) dabei. Das funktioniert beispielsweise sehr gut bei den Dickkopffaltern. Außerdem – man muss sich klarmachen; die Individuen werden beim aktiven Falterfang in jedem Fall geringer bis erheblich geschädigt! Dies ist meine Sicht als Zoologe.

    1. Rolf Hohmann

      Ja, das verstehe ich auch nicht, dass heutzutage noch so viel gefangen wird.
      Mit der modernen Fototechnik, das sollte ausreichen.
      Ich bekomme von vielen Leuten aus Deutschland Schmetterlingsfotos zum Bestimmen geschickt.

  4. Karl-Heinz Jelinek

    Gerade bei den Dickkopffaltern der Gattung Pyrgus gibt es doch eher Schwierigkeiten mit einer exakten Bestimmung. Des weiteren sind die Falter der Pirieden-Gattung Leptidea im ohne Genitalpräparation überhaupt nicht zu trennen. Ähnliches gilt für die “schwierigen” Scheckenfalter. Auch bei einigen Bläulingen gibt es erhebliche Schwierigkeiten, ebenso bei einigen Zygaeniden. Von Nachtfaltern und Mikros will ich erst gar nicht anfangen . . .

  5. Ernst Annaheim, 4653 Obergösgen

    Irgendwie im Zusammenhang mit dem Kleinen Kohlweissling – bin ich schliesslich auf ihren interessanten Blogs
    gelandet. Hier sind wahre Entomologen am Werk, einfach toll, was alles unternommen wird für die Falter.
    Als ehem. Briefmarken-Motivsammler “Schmetterlinge aus aller Welt”, frage ich mich ernsthaft hat es unter
    den Schmetterlings-Experten auch noch einige wenige “papierige Schmetterlings-Liebhaber,” oder bin ich bald
    der Einzige.
    mfG
    E. Annaheim, Switzerland

  6. Josef Settele

    Schön zu lesen, dass es doch noch mehr der Falter-Marken-Sammler gibt. Auch ich betreibe das seit vielen Jahren und hatte versucht, die Falter auf den Marken immer systematisch zu ordnen (z.B. eine Seite nur mit Lycaena dispar, ein Album nur mit Bläulingen); aber in der letzten Zeit kam ich nicht mehr hinterher, so daß ich die Marken nun doch nach Ländern sortiere, um die Übersicht zu behalten und dran bleiben zu können.
    Herzliche Grüße
    Sepp Settele, Halle

Schreibe einen Kommentar zu Josef Settele Antworten abbrechen

Verwandte Artikel