Neumayer, Pinguine, und Schneeschächte

Kaiserpinguin, Foto: Peter Köhler

Ein Beitrag von Peter Köhler (Glaziologie).

Lost in Transition

Neumayer-III: Wir haben es geschafft, endlich erlaubte das Wetter einen Transit via Umsteigeflughafen Wolf’s Fang zur deutschen Überwinterungsstation in der Antarktis. Also es war so: Der Abflug in Kapstadt um kurz nach halb sieben am Morgen hat gut geklappt. Als wir 5 Stunden später im Eis landen, auf der Umsteigestation Wolf’s Fang, da ist schon klar, dass der Weiterflug nach Neumayer heute nicht mehr stattfinden wird, da am Ziel das Wetter zu schlecht ist. An Wolf’s Fang werden später im Jahr Touristen ein- und ausgeflogen, aber wir kommen zu einem Zeitpunkt, an der die Infrastruktur noch nicht richtig steht. Wir werden gebeten, die Landschaft zu genießen, Fotos zu schießen und ein wenig spazieren zu gehen. Ein Großteil der Gruppe geht auch in einem mehrstündigen Marsch auf den nächstgelegenen Nunatak (eine aus dem Eis herausragende Bergspitze), während das Supportteam hier ein fast fertiges Weatherport zu unserem Aufenthaltsraum umfunktioniert. Aus dem Lager kommen 14 gelbe Polar-Dome Zelte hervor, die, mal eben aufgebaut, unsere Doppelbettennachtlager sein werden. Als Notfallausrüstung hat ja jeder eh einen Schlafsack mit Isomatte dabei, diese kommen nun zum Einsatz.

Am nächsten Tag geht es für 16 von uns direkt nach dem Frühstück weiter, während die anderen, insbesondere die Wissenschaftler, inklusive mir, noch einen weiteren halben Tag hier verbringen und uns beim Fahrradfahren (gibt es wirklich, mit Ballonreifen und Spikes) ertüchtigen und die Sonne genießen. Unser Abflug gegen 14 Uhr ist aber nur eine Ehrenrunde über den Flughafen, dann müssen wir nach 10 Minuten direkt hier wieder landen, da es ein Problem mit der Hydraulik gibt, die die Skier am Flieger bewegt. Also zurück in unser Mannschaftszelt, wieder Nahrung aufnehmen, alles Gepäck erneut ausladen, und die neugelegte Stromleitung führt dazu, dass wir nun im Camp Wolf’s Fang quasi fast heimisch werden. Computer werden aufgeklappt, Nintento Switch gespielt und dem Schicksal einer weiteren Nacht im Zelt tapfer ins Auge geschaut. Wenigstens haben wir nun deutlich mehr Platz und jeder kann ein Einzelzelt für die Nacht beziehen. Wir warten auf ein weiteres Flugzeug, dass tagsüber einige Briten (die hier 4 Nächte gestrandet waren) an die Station Halley gebracht hat, und das uns dann am Samstag ans Ziel bringt. Mittlerweile macht sich aber schon bemerkbar, dass etlichen Leutchen einige Taschen fehlen, weil sie schon an Neumayer sind, oder die Taschen noch hier, aber die Leutchen schon fort.

 

Erste Eindrücke aus der Antarktis: Zwischenstation Wolf’s Fang. Fotos: Peter Köhler

 

Ankunft an Neumayer

Mit einer Twin Otter haben wir es letztendlich geschafft, den letzten Weg der langen, dreiwöchigen Anreise zurückzulegen – aber auch erst im 2. Anlauf (der erste wurde noch vor Start wegen Schlechtwetter abgebrochen). An Neumayer sind nun zu den hier lebenden 10 ÜberwintererInnen wir 27 dazugekommen, und es ist etwas gefüllt. Noch immer fehlt anfangs Fracht, aber es wird dran gearbeitet. Jeder richtet sich ein. Die meisten sind wiederkehrende Gäste hier, die entweder selbst schon einmal überwintert haben, oder aber regelmäßig wieder kommen, um zum Beispiel Wartungsarbeiten durchzuführen. Die komplett neuen Gäste bekommen eine Sicherheitseinweisung, einen Rundgang durch alle Decks und Zwischendecks, inklusive der Notausgänge. Tags darauf lernen wir, wie wir Skidoo fahren, und was dabei zu beachten ist. Da dies mein Transportmittel auf der Traverse sein wird, lerne ich auch noch den Check diverser Flüssigkeiten. Abends fahren wir zu dritt mit 2 Skidoos aufs Meereis, und sehen Pinguine, zwei große Kolonien mit mehreren tausend Exemplaren, und eine lange Straße wandernder Tiere auf dem Weg vom/zum offenen Wasser, wo es zur Nahrungssuche geht. Die Pinguine werden hier auch von Biologen untersucht, davon wann anders hoffentlich mehr. Außerdem gibt es große Tafeleisberge, eingefroren im Meereis. Sehr schöne erste Eindrücke.

 

Endlich am Ziel angekommen: Die Neumayer III Station und die Kante des Ekström-Schelfeises.

 

Wissenschaft

Ich lerne nun, wie man einen Schneekern bohrt, um über Volumen- und Gewichtsmessungen zur Schneedichtebestimmung zu kommen. Die Messung der Dichte ist notwendig, um aus Schneepegelmessungen die Abschätzung der Schneeakkumulation zu erhalten, denn Schnee ist unterschiedlich dicht, und bisher gibt es keine Möglichkeit Schneedichte durch Fernerkundung zu bestimmen. Das heißt diese Messungen sind wichtig, um sowohl Satellitenmessungen, die nur die Schneeoberfläche (und deren Änderung) erfassen, wie auch Computersimulationen zum antarktischen Klima zu evaluieren.

Am AWI wurde  von Remi Dallmayr ein neues Gerät entwickelt, mit dem die mittlere Schneedichte der oberen 100cm in wenigen Minuten bestimmt werden kann. Hierfür wird das Gerät mit 2 Röhren senkrecht in den Schnee gerammt; in die dickere Röhre wird nach Entfernen des Schnees ein Gerät eingeführt, dass unter dem 2. kleineren Rohr den Schnee der Probe sauber vom Untergrund abtrennt. Das Gerät wird senkrecht nach oben herausgezogen, die Schneemenge gewogen und mit Hilfe der bekannten Rohrgeometrie in Dichte umgerechnet.

Die Alternative hierzu ist schweißtreibend und zeitaufwendig und heißt Schneeschacht. Man gräbt eine 1m tiefe Grube in den Schnee und beprobt eine senkrechte Seitenwand, das heißt man entnimmt auch hier Schneemengen mit Röhren oder Dosen, deren Volumen bekannt ist. Mit Hilfe des Gewichtes des Schnees ist die Dichte (kg pro Kubikmeter) einfach zu bestimmen. Bei Windstärken von 5-6 Bf, die es am Mittwoch hatte, ist (a) erstmal die Grube von gestern wieder zugeweht (= nochmal ausheben, aber das ist viiieel leichter als eine frische Grube mit verdichtetem Schnee zu buddeln), (b) die Arbeit im Feld bedingt einfach. Alles ist schwieriger: Waage ablesen, Protokoll schreiben, weiter buddeln. Wenigstens hat uns ein Pinguin Gesellschaft geleistet und blieb in unmittelbarer Nähe zum Grabungsort liegen, und hat auf unser Arbeitsende und vielleicht ja auch auf besseres Wetter gewartet.

 

Schneedichtemessungen in der Nähe der Station. Fotos: Peter Köhler.

 

 

 

 

 

 

Leser:innenkommentare (1)

  1. Reiner Gerke

    Es ist ganz einfach so, dass die Antarktis (und die Arktis) die Menschen nicht mag, Forscher ganz besonders nicht. Sie macht Euch das Leben so schwer wir irgend möglich. Darüber können weder Polarlichter noch gleissendes Sonnenlicht noch eine Schneeballschlacht an den Polartagen hinwegtäuschen. Jeder Meter Lebensraum muss schwer erkämpft und verteidigt werden. Die erste Neumayer-Station ist schon lange dahin, Neumayer II wird grad von der Schneelast in 20m Tiefe zerquetscht, Neumayer III stemmt sich regelmäßig gegen das Absinken. Auch wenn ihr mit viel Erfolg EDEN ISS betreibt, Euer Leben an der Eiskante ist auch ein Leben am Limit. Man muss nicht unbeding den Blog von Dr. Kathrin Höppner über ihren Ausflug gelesen haben, bei 46° Minus,im Orkan mit dichtem Scheetreiben 1500m zum Spuso und zurück. Aber ihr Bericht beeindruckte mich immer noch schwer. Dabei geht es Euch richtigt gut, Ihr seid topfit, mit Technik, Lebensmitteln und Fähigkeiten gut ausgestattet, ich meine im Verhältnis zu Scott und Amundsen. Noch besser geht es eigentlich nur, wenn man mit einem dicken Packen Scheine eine Antarktis-Kreuzfahrt bucht, manche bieten sogar einen Landgang an. Dafür blasen sie zum Dank Schweröl-Abgase und andere Emissionen in die klare Polarluft. Dieser Tourismus sollte wirklich verboten werden, weiträumig. Natürlch würde ich mir die Antarktis auch gern antun. Aber im Sturm mit Schneetreiben im Whiteout beim Skifahren eine sichere Hütte zu finden, ist für mich Nervenkitzel genug.
    Für Euch ist ja bereits der Sommer angebrochen, hier drückt das griese Grau aufs Gemüt. Trotzdem herzliche Grüße und bitte weiterhin so informative Blogs

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