CO2-Forschung und das ewige Warten auf den Abflug

Foto: Tobias Birk

Ein Beitrag von Peter Köhler (Glaziologie).

Alle 3 PCR Tests bei allen 27 Mitfahrenden waren negativ, jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen und einen Transit via Umsteigeflughafen Wolf’s Fang nach Neumayer erlauben. Beim Warten darauf, dass es endlich losgeht, bleibt mir noch Zeit hier einmal in die Wissenschaft abzuschweifen, die mich in meinem heimischen Forscherleben umtreibt, und wie das in Verbindung mit der deutschen Antarktisforschung steht.

 

Alles gepackt, eigentlich kann es losgehen (Foto: Peter Köhler)

 

Ich bin Mitglied der AWI-Sektion Glaziologie, die sich inhaltlich (grob gesagt) mit dem Auftreten und den Eigenschaften von Eis und Schnee befasst. Mein täglich Brot ist die Arbeit am Computer. Ich entwickle Modelle zum globalen Kohlenstoffkreislauf und wende sie auf unterschiedliche Fragenstellungen an. Der Bezug zur Glaziologie ist hier etwas indirekt: Ich bin daran interessiert, wie und warum sich die Konzentration von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre über die Zeit verändert hat. Diese Daten sind für die Vergangenheit, hier die letzten 800.000 Jahre, detailliert nur aus antarktischen Eisbohrkernen verfügbar, die zu einem großen Teil innerhalb des europäischen Projektes EPICA (European Ice Core Drilling in Antarctia, mehr Informationen hier: https://de.wikipedia.org/wiki/EPICA) erhoben wurden. Hierbei wurden 2 Eisbohrkerne gebohrt, einer unter französisch-italienischer Leitung an Dome C bei 75°S, 123°O (kurz: EPICA Dome C oder EDC), ein weiterer unter der Leitung des AWI in Dronning Maud Land an der deutschen Sommerstation Kohnen bei 75°S, 0°O (kurz: EPICA DML oder EDML), dem Ziel der Traverse, die ich in Kürze befahren darf.

Der Kohlenstoffkreislauf ist noch immer nicht in allen Details verstanden. Modelle, die in der Lage sind, die Veränderungen in mehreren messbaren Größen gut zu beschreiben, bilden vermutlich ein besseres Abbild der Realität als Modelle, die das nicht tun. Beim Kohlenstoffkreislauf helfen insbesondere Informationen über die sogenannten Kohlenstoffisotope 13C und 14C maßgeblich mit, dieses Verständnis zu verbessern. 99% des natürlich vorkommenden Kohlenstoffs liegt als 12C vor – d.h. der Atomkern besteht aus 6 positiv geladenen Protonen und 6 ungeladenen Neutronen. Die Isotope 13C und 14C haben mit 7 bzw. 8 Neutronen ein höheres Gewicht. Die Anzahl an Protonen und Elektronen und somit die chemischen Eigenschaften sind die gleichen wie beim 12C, aber durch das höhere Gewicht werden diese schweren Atome bei den meisten Prozessen benachteiligt, da es mehr Energie braucht, um sie zu bewegen.

 

Radiokarbon (14C) in der Erdsystemforschung hilft, die Sonne, das Erdmagnetfeld und den Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen (aus Heaton et al., 2021, doi: 10.1126/science.abd7096).

 

Hinzu kommt beim auch Radiokarbon genannten 14C, dass es instabil ist, d.h. es zerfällt mit einer Halbwertszeit von etwa 5700 Jahren. Da es nur in der oberen Atmosphäre durch die Interaktion von kosmischer Strahlung mit Stickstoffatomen entsteht, existiert ein Gefälle in seiner Konzentration, von hohen Werten in der Atmosphäre zu niedrigeren Werten im tiefen Ozean. Meerwasser, das sehr lange nicht an der Meeresoberfläche war, wo dessen 14C Signatur durch einen Austausch von Gasen an die atmosphärischen Werte angeglichen werden kann, ist in 14C besonders abgereichert. Daher eignet sich 14C als ein Signal, dass das Alter von Wassermassen anzeigt, wobei „Alter“ hierbei den Zeitraum seit dem letzten Austausch mit der Atmosphäre an der Wasseroberfläche beschreibt. Wenn 14C an Proben aus marinen Sedimentkernen gemessen wird, können mit seiner Hilfe Veränderungen in der Zirkulation des tiefen Ozeans rekonstruiert werden.

Warum all diese Detail zum Radiokarbon? Am heutigen Freitag erscheint im Fachjournal „Science“ ein Übersichtsartikel, in dem die neusten Entwicklungen bei der Nutzung von Radiokarbon in der Erdsystemforschung zusammengefasst werden.  Dazu gibt es einen englischsprachigen SCIENCE Podcast von zwei der Autoren des Artikels, E. Bard und T. Heaton:

Link zum Podcast

Neben seiner Bedeutung zum Verstehen des Kohlenstoffkreislaufes wird 14C noch zur Datierung kohlenstoffhaltiger Artefakte benutzt. Hierzu bedarf es einer Kalibrationskurve, mit deren Hilfe die gemessenen 14C-Werte in Altersangaben umrechnet werden. Eine aktualisierte, verbesserte Radiokarbon-Alterskalibration wurde im vergangenen Jahr unter dem Namen „IntCal20“ publiziert, und ist mittlerweile der weltweit verwendete Standard für derartige Anwendungen. Weiterhin eignet sich 14C auch dazu, Veränderungen in der Sonnenaktivität und im Erdmagnetfeld während der vergangenen 55.000 Jahre besser zu verstehen – weiter zurück in die Vergangenheit kann mit 14C auf Grund seiner Halbwertszeit nicht geschaut werden.

Letztendlich hilft 14C somit auch, Klimamodelle besser zu machen. Das bedeutet, dass die Vertrauenswürdigkeit von Modellen, die auch für zukünftige Klimaprojektionen genutzt werden, durch Tests mit Daten aus der Vergangenheit, wie z.B. 14C, verbessert werden. Womit wir wieder beim Thema des vorangegangenen Blogs wären: COP26 und IPCC.

Aber ab der nächsten Woche gibt es dann wirklich Geschichten aus dem Eis.

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