Gletschersicherheitskurs

Self-rescue out of a crevasse while the others are building a rescue anchor in the snow.

Beitrag und Fotos von Ladina Steiner.

Da ich ein Neuling in der Welt der Polarexpeditionen bin, wird vom AWI ein vorbereitender Gletschersicherheitskurs empfohlen. Der Kurs in den österreichischen Alpen ist speziell auf die Bedürfnisse von Wissenschaftlern abgestimmt, welche Feldforschung in abgelegenen Polarregionen betreiben.

Video zum Gletschkurs

Während wir die herrliche Tiroler Landschaft und einige späte Heidelbeeren am Ende des Pitztals geniessen, wandern wir gemütlich zum Taschachhaus (2434m.ü.M.) des Deutschen Alpenvereins, wo wir die nächsten vier Tage bleiben werden. Nach einem leckeren dreigängigen Menü machen wir uns mit der Gletscherausrüstung (Helm, Steigeisen, Eispickel, Klettergurt, Karabiner, Eisschraube, Schlingen und Seil) vertraut und lernen einige Basisknoten für die Selbstrettung. Mit dem Kopf schon voll von all diesen neuen Inputs, üben wir die gelernten Knoten in der angegliederten «Kletterhalle», gefolgt vom Erlernen der Selbstrettung am Seil. Sehr effektiv scheinen der «Prusik» und der «Achter» Knoten, um effizient am Seil hochklettern zu können…und gleichzeitig das Risiko zu minimieren, in einer Notsituation von überforderten Kollegen vom Seil abgeschnitten zu werden, falls man in eine Gletscherspalte gefallen wäre.

Wanderung auf den Taschachferner in den Tiroler Alpen (Pitztal).

Die Sonne scheint angenehm warm am nächsten Septembertag und wir geniessen eine schöne Wanderung hoch zum Taschachgletscher. Dort bekommen wir ein Gefühl dafür, wie es ist, mit Steigeisen, Klettergurt, Eispickel und Seil auf dem Eis zu gehen und wieviel Spass das macht. Leider (für Leute wie mich, die immer zu warm haben) muss man zum Schutz vor Sonne und Eisverletzungen beim Gehen auf dem Gletscher lange Shirts und Hosen tragen. An einer grossen Gletscherspalte angekommen, lernen wir, wie man einen Rettungsanker (Eisschraube) auf dem Eis anbringt, um die Kollegen im Falle eines Gletscherabsturzes sichern zu können. Den Rest des Tages bekommt jeder die „Chance“, in die Gletscherspalte zu „fallen“, während die anderen die Person diese retten und bergen müssen.

Üben der Rettungsanker im Eis.

Am nächsten Tag ist unser Ziel, auf den oberen schneebedeckten Teil des «Sexegertenferners» zu wandern. Der Weg dorthin führt über einen sehr coolen und nicht allzu steilen Klettersteig. Die Verhältnisse im oberen Teil des Gletschers sind schwieriger, weil die Gletscherspalten nicht mehr sichtbar sind und das Gehen am Seil plötzlich ernst wird und nicht mehr nur eine Übung ist. Der Bau eines Rettungsankers im Schnee ist anders als im Eis, da die Eisschraube im Schnee nutzlos ist. Also lernen wir eine andere Methode: die Verwendung des Eispickels als Anker im Schnee… sehr cool! Der Eispickel muss mehrere Dezimeter tief in den Schnee gegraben und von diesem bedeckt werden, damit er das Gewicht mehrerer Personen tragen kann. Durch das Anbringen eines Karabiners und einer Schlinge kann der Anker benutzt werden. Wir trauen dieser Methode nicht so recht und testen darum ihre Sicherheit, indem alle sieben Personen gleichzeitig schwer ins Seil hängen…nichts rührt sich 😊

Peter Köhler (AWI) wird aus einer Gletscherspalte gerettet.

Nun, da wir dem Schneeanker vertrauen, muss die Selbstrettung aus der Gletscherspalte geübt werden. Einer nach dem anderen fällt (diesmal wirklich fallend, an einem zweiten Sicherungsseil befestigt) in die Gletscherspalte, während die beiden anderen aus der Seilschaft sehr schnell handeln müssen. Die Person in der Mitte beginnt mit dem Bau eines Schneeankers (Eispickel). Währenddessen muss die letzte Person das gesamte Gewicht mit dem Eispickel im Schnee halten. Das war eine riesen Erfahrung und fühlt sich an, als ob der untere Teil des Körpers vom Rest abgerissen wird und man wurde erst befreit, als der Schneeanker fertig gesetzt war und die Person in der Mitte sich vom Hauptseil befreit hatte. Danach kann die Person in der Gletscherspalte geborgen werden. Die «Gletscherspalten-Person» beginnt währenddessen, sich selbst zu retten, indem sie mit Hilfe des Prusikknotens und Schlingen das Seil selber hochklettert. Nach einem sehr interessanten und anstrengenden Tag steigen wir über den Gletscher und den Klettersteig ab und kehren müde zum Taschachhaus zurück.

Reza Ershadi (Universität Tübingen) sichert Kollegen, nachdem er den Eisanker gesetzt und sich vom Hauptseil befreit hat.

Am letzten Tag machen wir uns mit dem Inhalt der AWI-Überlebenskisten vertraut, die bei Neumayer III an jedem Fahrzeug angebracht werden, welche die Umgebung der Forschungsstation verlassen. Im Falle eines Notfalls draussen im eisigen Nirgendwo sollte man in der Lage sein, Erste Hilfe zu leisten, den Verletzten zu wärmen, ein Zelt aufzubauen, heisses Wasser zu kochen und mit dem Satellitentelefon um Hilfe zu rufen. Wir simulieren und üben eine solche Situation neben dem Taschachhaus und lernen dabei eine Menge!

Schliesslich steht noch das Abseilen auf dem Programm. Dieses wird in der Antarktis genutzt, um vom Rand des Schelfeises aus das Meereis zu erreichen, z.B. um die Pinguinkolonie in der Atka-Bucht, einige Kilometer nördlich von Neumayer III, zu besuchen. Mit dieser Kulisse im Hinterkopf wandern wir entspannt zurück ins Tal. Pinguine wir freuen uns auf euch 😊

Leser:innenkommentare (2)

  1. Yvonne Steiner

    So spannend, liebe Ladina, eine tolle Erfahrung!
    Liebi Grüess von meiner Yoga-Woche auf Kreta,
    Yvonne

    1. Ladina

      Hei Yvonne, vielen Dank! Das wird bestimmt sehr sehr interessant, ich freue mich sehr. Geniesse deine Ferien,
      liebe Grüsse Ladina

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