Aufbruch in den Süden

Erste Station der Reise: Kapstadt

Ein Beitrag von Peter Köhler (Glaziologie)

Ich bin auf dem Weg zu einer Antarktis-Expedition. Im Detail nehme ich teil an der Expedition AntLand2021-22, durchgeführt vom Alfred-Wegener-Institut. Ich war noch nie in der Antarktis und ich freue mich sehr auf diese Dienstreise, habe aber auch großen Respekt vor dem, was mich Down Under erwartet. In diesem Blog möchte ich in unregelmäßigen Abständen darüber berichten, was mir auf dieser Reise so passiert ist.

Los geht es dieses Jahr mit einer der COVID-19 Pandemie geschuldeten 14-tägigen Quarantäne in Kapstadt. Diese Vorsichtmaßnahme soll helfen, um innerhalb der Antarktis eine COVID-19 Erkrankung zu vermeiden, da es bei schweren Verläufen schwer bis unmöglich ist, die erkrankten Personen ausreichend medizinisch zu versorgen. Wir, die 27 Teilnehmer, die mit dem 1. Flug ab Kapstadt in 2 Wochen die permanent besetzte deutsche Forschungsstation Neumayer-III erreichen sollen, sind nun in einem Hotel in Strandlage außerhalb Kapstadts einquartiert und verbringen die Zeit mit unterschiedlichsten Dingen. Vor dem Fenster und unterhalb des Balkons rauscht unablässig das Meer, laut genug, dass wir selbst die Autos auf der davor entlangführenden Straße nicht mehr hören. Nur der eine oder andere Motorradfahrer dringt mit seinem Lärm zu uns durch. Wir leben nun 7 Tage in „Einzelhaft“, d.h. wir haben wirklich keinerlei Kontakt nach außen, außer dem täglichen Temperatur messen. Der Zimmerservice bringt die notwendigen Nahrungsmittel für unsere drei regelmäßigen festen Mahlzeiten und unsere individuellen Bestellungen von der Mini-Bar. Der Großteil des Teams arbeitet später in diversen Funktionen für die Logistik, z.B. als Pistenbullifahrer auf der Traverse von Neumayer-III zur nicht permanent besetzten Station Kohnen auf dem Inlandeis. Für die wenigen Wissenschaftler, die hier mit dabei sind, gestaltet sich die Zeit, wie wir sie seit März 2020 sehr gut von zu Hause kennen. Nur heißt es nun Hotel-Office statt Home-Office. Dafür ist der Ausblick aus dem Hotelfenster auf den Tafelberg auf der anderen Seite der Tafelbucht für alle grandios. Er erhebt sich 1000m über dem Meer und ergibt insbesondere beim Sonnenuntergang eine grandiose Kulisse.

Peter Köhler im „Hotel-Office“: Zwei Wochen Quarantäne in Kapstadt vor Abflug in die Antarktis.

Sonst ist noch nicht so viel passiert. Aber vielleicht ist es ganz spannend, wenn ich berichte, was alles bisher nicht so wirklich geklappt hat. Hier also meine persönliche Pannenliste aus den ersten drei Reisetagen:

Panne 1: Ich starte in Bremen mit einem Zubringerflug nach Frankfurt, ab wo der Direktflug nach Kapstadt am Sonntagabend startet. Normalerweise ist der Weg zum Flughafen für jemanden aus dem Flüsseviertel in der Bremer Neustadt kein Problem. Man geht zur Straßenbahn, und selbige bringt einen in 5-10 min zum Ziel. Am Sonntag aber zeigt mir die Anzeige an der Haltestelle, dass meine Straßenbahn 10 Minuten Verspätung hat. Noch kein Problem, weil ich der telefonischen Auskunft vom Flughafen („lieber 2.5-3 Stunden vor Abflug kommen, weil alles dauert ja nun länger“) zumindest teilweise folgte, und so noch mehr als 2 Stunden Zeit habe. Leider wird die Wartezeit auf der Anzeige größer, und nicht kleiner. Ok, irgendein Verbindungsproblem. Da ich leider auch schon bei einer früheren Dienstreise, die ich an selber Straßenbahnhaltestelle begonnen hatte, eine Vollsperrung erfahren hatte, bei der gar keine Straßenbahn mehr kam, und ich mit viel Gepäck 3 Straßen weiter zum Taxistand gerannt bin, gehe ich dieses Mal auf Nummer sicher, und lege die 2 km zum Flughafen mit meinen 2 Rucksäcken und der Umhängetasche mit Computern zu Fuß zurück. Ich weiß letztendlich gar nicht, wann die Straßenbahn kam, denn ich war vor ihr am Flughafen, bin aber schon mal etwas erhitzt. Die anschließenden Stunden unter Mund-Nase-Schutzmaske im Flughafen werden dadurch nicht einfacher, aber ich will nicht klagen, meinen Flug habe ich ja bekommen (und 90 Minuten vor Abflug hätten auch gereicht).

Panne 2: Zwei Wochen mit unbestimmter Koffeinversorgung sind für einen Kaffeetrinker eine Reise ins Risiko. Ich hatte daher beschlossen eine Drückkanne und Kaffeepulver mitzunehmen, um mir, unabhängig von den Zuständen vor Ort, sicher und zu jeder Zeit einen Kaffee genießen zu können. Leider habe ich die metallene Kaffeedose mit TAZ-Logo, die mir auch Tage nach Öffnung der Packung zu einen einwandfreien Kaffeegenuss verhelfen soll, ins Handgepäck gesteckt – ganz unten und sicher verpackt. Das führt nun bei der Sicherheitskontrolle dazu, dass ich wirklich alles auspacken darf, weil die Röntgenmaschine das Innere der Dose nicht erblicken kann. Nicht nur die 5 elektronischen Datenendgeräte (Arbeits-Laptop, Arbeits-Tablet, Rechner zum Auslesen einer Wetterstation, ein Android-Tablet und Handy zum schnellen und direkten Einlesen von Metadaten (GPS-Position etc.) aller Messlokationen in die Datenbank sensor.awi.de, sondern auch alles, was oberhalb der Kaffeedose in meinem Rucksack liegt.

Panne 3: In Frankfurt kommen wir direkt an einem Terminal für Überseeflüge an. Es sind noch 3 Stunden bis Abflug und meine letzte Mahlzeit war gegen Mittag zu Hause. Leider sind fast alle Essensbuden in diesem Terminal geschlossen. Ich überlege kurz, den recht langen Weg ins andere Terminal zurückzulegen, um noch an feste Nahrung zu gelangen, aber nachdem ich feststellen muss, dass ich hierfür den Sicherheitsbereich verlassen muss und somit eine erneute Handgepäckkontrolle über mich ergehen lassen müsste, beschließe ich, Alternativen beim Kiosk zu suchen. Mit Sushi im Kühlregal werde ich fündig. Ich spare mir somit den langen Weg und arbeite mich durch Wasabi und Co. Später trifft sich beim letzten Getränkeausschank ein Großteil der Mitreisenden und man sieht endlich auch mal wie die anderen ohne Maske so aussehen.

Panne 4: Im Langstreckenflug will ich das Unterhaltungsprogramm der Airline nutzen und bringe meine Over-Ear Kopfhörer in Stellung, die ich durchaus mit dem Hintergedanken angeschafft habe, dass sie sicher komfortabler sind als die kleineren In-Ears, die ich zuvor genutzt habe. Um Konform mit der Regelung bei Start und Landung zu sein (Flugmodus, kein Bluetooth), verbinde den Kopfhörer via Kabel mit der Buchse in der Rückenlehne des Sitzes vor mir. Das Klangbild, das sich mir ergibt, ist schrecklich. Was ist hier los? Ich versuche diverse Geräte und das Ergebnis ist immer gleich schlimm. Leider muss ich gestehen, dass ich bei diesen Kopfhörern, die ich durchaus schon sein einigen Monaten besitze, die kabelgebundene Übertragung noch nie ausprobiert habe. Kann sein, dass hier einfach ein Systemfehler vorliegt. Ich weiß es nicht. Ich reduziere mein Unterhaltungsvergnügen nach dem Start zu diesem 12-stündigen Flug auf meine mitgebrachte Musik auf dem Tablet, die in der Luft ja wieder via Bluetooth meine Ohren erreichen können. Später in der Nacht wühle ich noch aus meiner Tasche ein Paar In-Ear Kopfhörer hervor, die ich für den Notfall eingesteckt habe und schaue mir „Black Widow“ an, den neusten Marvel Film mit Scarlett Johannson. Da ich sonst quasi nix aus Marvel kenne, habe ich vermutlich nur die Hälfte verstanden, zum Zeitvertreib in der Luft ganz ok. Witzigerweise schauen zwei direkte Sitznachbarn am nächsten Morgen den gleichen Film, und wenn man seine Augen nicht starr geradeaus fixiert (oder selbst seinen Bildschirm nutzt, aber ich habe morgens vor 10 Uhr in der Regel wenig Lust auf Kino), dann schaut man automatisch rechts und links immer mit halbem Auge mit. So habe ich den Film quasi 3x gesehen – und zuvor in der Nacht auch noch den letzten Teil von Star Wars und irgendwas mit Vin Diesel, beides lief in der Reihe vor mir. Die Lösung meines Kopfhörerproblems: Der Stecker muss richtig einrasten und zum Schluss um 90° gedreht werden, danach ist der Sound wie er sein soll – einwandfrei. Das hat mir heute das elektronisch verfügbare Manual erklärt. Meine Erkenntnis: Man sollte wirklich alles testen, und zwar nicht nur grob, sondern möglichst genau so, wie man es später unter Einsatzbedingungen braucht.

Der Blick aus dem Fenster erleichtert die Zeit in der Quarantäne ein wenig. Foto: Peter Köhler

In Kapstadt werden wir von dem Reiseveranstalter abgeholt, der auch für unsere Weiterreise in die Antarktis zuständig ist. Somit können wir als Gruppe an der langen Schlange vorbei durch die Passkontrolle gelotst werden. Anschließend warten wir auf die Busse, die uns ins außerhalb gelegene Hotel bringen. Hier geht es nach kurzer Ansprache und Registrierung direkt in unsere Zimmer, die ich den Tatsachen entsprechend gern „Einzelhaft“ nenne. Wer die Quarantäne bricht, und etwa an den Strand vor dem Hotel geht, wird die Antarktis dieses Mal nicht betreten, sondern vom weiteren Expeditionsbetrieb ausgeschlossen. Die ersten Tage im Hotel sind geprägt davon, dass wir und der Zimmerservice versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden:

Panne 5: Zimmerservice: Ich bestelle mit ausliegendem Zettel Getränke von der Minibar. Es kommt: nix. Ich rufe die damit verbundene Telefonnummer an. Es geht niemand ran. Ich melde meinen trockenen Zustand weiter und erfahre, dass andere ihre Lieferung durchaus bekommen haben. Den Grund für das Ausbleiben bei mir weiß ich bis heute nicht. Das Essen kommt, aber nicht immer zu den Zeiten, die angegeben sind, und auch nicht immer, was wir vorab vom Menüplan ausgewählt hatten. Z.B. hätte es gestern Abend als Nachtisch „Berry Cheesecake“ geben soll. Ich hatte Eis und eine Art Creme. Heute kam das warme Mittagessen um 11:45, geplant war 13:00. Damit der Fisch nicht kalt wird, habe ich ihn trotz mangelnden Hunger gegessen. Beim Frühstück können wir am Tag zuvor die Zusammenstellung wählen. Ich hatte mal fast alles gewählt, auch weil ich einen Überblick bekommen wollte. Leider habe ich das Müsli bisher nicht genossen, weil die Milch gefehlt hat. Heute kam dann der zum 2. Mal bestellte Rotwein. Ein ganze Flasche. Leider nicht zum Preis, der gestern angekündigt wurde, weil das Management wohl festgestellt hat, dass dies der Preis pro Glas, nicht pro Flasche, war. Diese war dafür mit Korken, aber es gab keinen Korkenzieher. Zum Glück habe ich die Servicekraft noch auf dem Flur erreicht und den Öffner und das fehlende Weinglas nachgeordert, und beides kam auch in überraschend kurzer Zeit. Scheinbar ist aufgefallen, dass einiges noch nicht rund läuft. So bekam ich am Nachmittag einen Anruf von der Rezeption, ob denn alles in Ordnung ist. Ich würde sagen, wir gewöhnen uns aneinander.

Und: Die Kaffeemaschine mitzunehmen war eine sehr gute Idee. Die Alternative auf den Zimmern heißt Kapselmaschine à la George Clooney. Laut Auskunft anderer auch ok, aber schon allein der beiliegende Kaffeerohstoff reicht für meinen Bedarf leider nicht für eine Mahlzeit.

Leser:innenkommentare (1)

  1. Schneiderin

    Ach,Peter in der Einzelhaft,Du hast „wenigstens“viel Zeit zum Informieren an die Aussenwelt! DANKE !Weiterhin ALLES GUTE!Erika und Sigi

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