Sommer im Ewigen Eis

Halo über dem Camp (Foto: Nicolas Stoll)
Halo über dem Camp (Foto: Nicolas Stoll)

Vor wenigen Tagen bin ich mit zwei dutzend weiteren Forschern auf dem Grönländischen Eisschild gelandet. Die meisten von uns bleiben bis Mitte August und beenden damit die diesjährige Saison des EGRIP- Projektes. Man fühlt sich schnell Zuhause, frische Pizza und ein warmer Aufenthaltsraum im sogenannten „Dome“ sind nach ca. 2.5 Stunden Flug im Laderaum einer amerikanischen Hercules Maschine höchst willkommen. Wir sind eine bunt gemischte Truppe aus Amerikanern, Deutschen, Dänen, Briten, Japanern und diversen anderen Nationen. Vom Masterstudenten bis zum gestandenen Professor sind wir alle hier um einen kleinen Teil dazu beizutragen, das Verhalten des Northeast Greenland Ice Stream (NEGIS) besser zu verstehen. 

Flug zum EGRIP-Camp (Foto: Nicolas Stoll)
Flug zum EGRIP-Camp (Foto: Nicolas Stoll)

Diese „Autobahnen“ transportieren riesige Mengen Eis Richtung Ozean, wo es schlußendlich schmilzt. Somit haben Eisströme das Potential, massiv den zukünftigen Meeresspiegelanstieg zu beeinflussen. Ihr genaues physikalisches Verhalten und wie es sich in Zukunft ändert, ist immer noch unklar und die Hauptmotivation hinter dem EGRIP-Projekt und der Erforschung von NEGIS mithilfe verschiedener Methoden. Meine beiden AWI-Kollegen und ich sind interessiert an den kleinsten Teilen des Eisstromes, dazu analysieren wir die Eigenschaften und Orientierungen der Eiskristalle des 2250m dicken Eises unter uns. Dieses wird mit einer speziellen Bohrtechnik Stück für Stück an die Oberfläche geholt, geschnitten, sortiert und analysiert.

 

Ankunft auf dem Grönländischen Eisschild (Foto: Nicolas Stoll)
Ankunft auf dem Grönländischen Eisschild (Foto: Nicolas Stoll)

Doch dazu haben wir noch knappe 6 Wochen Zeit, erstmal wird sich aufgewärmt und das Camp und besonders der Dome erkundet. Dieser ist eine aus Holz errichtete Kuppel mit 3,5 Etagen: sobald man zur Tür hereinkommt begrüßt einen ein angenehm warmer Ess-, Koch- und Gemeinschaftsbereich. Hier wird zusammen gegessen, diskutiert und Samstag Abends auch getanzt. Die zweite Etage ist nur zur Hälfte nutzbar und beherbergt die Garderobe; hier hängen dutzende Daunenjacken, Fleecepullis und schwere gefütterte Polarstiefel. Die oberste Etage ist die gemütlichste, diverse Sofas und Sessel erlauben einen entspannten Blick auf die weiße Weite um uns herum. Über eine Holzleiter erreicht man außerdem eine kleine Kuppel, hier hat Bo, der momentane Leiter des Camps, sein Büro und gleichzeitig einen Überblick über das gesamte Gelände. 

Der Gemeinschaftsraum im Dome (Foto: Nicolas Stoll)
Der Gemeinschaftsraum im Dome (Foto: Nicolas Stoll)

Aus dem Dome sieht man ca. 7 km bis zum Horizont, einige Flaggen und Versorgungshütten sind zu sehen – ansonsten ist es weiß. Weiß auf dem Boden und oft auch weiß in der Luft. Schneefälle waren bisher eher leicht, trotzdem schrumpft unsere kleine Welt dann doch noch weiter zusammen und man sieht kaum mehr das eigene Zelt. Abseits des Generators ist es ruhig, ab und zu ist eine Windböe oder ein Skidoo zu hören. So werden vorbeifliegende Flugzeuge oder vermeintlich gehörte Vögelgeräusche zu Attraktionen und heiß diskutiert. In diesen Momenten wird einem schnell bewusst, dass wir uns, trotz der gemütlichen Skihütten-Atmosphäre im Dome und der reibungslosen Zusammenarbeit mit den Kollegen, abseits von jeglicher Zivilisation und in einer der lebensfeindlichsten Gegenden unserer Erde befinden. 

Mein Zelt für die nächsten sechs Wochen (Foto: Nicolas Stoll)
Mein Zelt für die nächsten sechs Wochen (Foto: Nicolas Stoll)

Gegensätzlich dazu fühlt es sich momentan sehr nach Sommer an, mit Temperaturen von teilweise knapp unter 0°C haben die wenigsten gerechnet. Es ist schön, die Sonne im Gesicht zu spüren, in nur drei Schichten Kleidung draußen zu sein und die ersten Testflüge einer Drone mitzuerleben, welche in Zukunft Wasserdampf in bis zu 500 m Höhe beproben soll. Für unsere Eisproben ist dies allerdings etwas zu warm und wir hoffen, zumindest aus wissenschaftlich Gründen, auf ein baldiges Ende dieses kleinen „Sommers im ewigen Eis“.

Nicolas Stoll

Kommentar hinzufügen

Verwandte Artikel