Eine ganz normale Woche im EGRIP-Camp: Von Toiletten-Löchern, Fußball auf dem Eis und Gästen aus aller Welt

Fußball unter Grönlands nie untergehender Sonne (Photo Julien Westhoff, AWI)
Beladen von frisch angekommenen Lebensmitteln, gelagert in den typischen, dänischen Eiskernboxen.

Fußball-Weltmeisterschaft, Brexit und die neuesten Eskapaden von Donald Trump – alles scheint unglaublich weit weg zu sein. Hier in unserer kleinen EGRIP-Blase reduziert sich der Rest der Welt auf das gelegentliche Öffnen der bevorzugten Nachrichten-App. Arbeit und Freizeit gehen lückenlos ineinander über, die drei großen Pfeiler unseres Camps sind das eigene Zelt, der Dome und der Trench. Auch nach drei Wochen kann man nach einigen Stunden im -15°C kaltem, nur von Neonlicht erleuchtetem Trench, leicht vergessen, dass es noch eine Welt da draußen gibt.

Was tut man also, wenn man die „Unterwelt von EGRIP“ verlassen hat und sich die Augen langsam wieder an das strahlende Weiß gewöhnt haben?

Langweilig wird es selten, dafür gibt es genügend Pflichten rund um das Camp zu erfüllen. Viele tägliche Laster wie Einkaufen und Termine fallen weg, dafür gewinnen die unscheinbarsten Dinge plötzlich an Bedeutung. Muss man auf dem Grönländischen Eisschild zum Beispiel die Toilette aufsuchen, ist das kein Porzellantempel, sondern ein drei Meter tiefes Loch im Schnee. Bei 32 wohl gefütterten Wissenschaftlern füllt sich dieses Loch innerhalb von 2-3 Wochen. Dann heißt es ran an den Spaten und Buddeln. Knapp drei Stunden dauert es, ein Loch mit passendem Durchmesser und ausreichender Tiefe auszuheben. Danach wird der hölzerne Thron und das, etwas Privatsphäre spendende, Zelt neu aufgesetzt, mit Schnee beschwert und die markante rote Flagge wieder in Position gebracht. Eine wehende Flagge ist ein klares Zeichen dafür, noch einige Minuten warten zu müssen.

Helle vom CIC Copenhagen zeigt den Schülern einen frisch polierten Eiskern.

Es gibt aber auch diverse andere Aktivitäten, für deren Ausführung weniger Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. So übernimmt traditionell jeden Samstag eine Gruppe von 3-4 Wissenschaftlern das Vorbereiten des Abendessens. Dieser Tradition folgend haben letztes Wochenende drei deutsche Kollegen und ich („The young Germans“), ein 3-Gänge-Menü aus Flammkuchen, Käsespätzle und Himbeertraum präsentiert. Da dies bei weitem nicht die einzige deftige Mahlzeit hier im Camp ist, muss natürlich auch ein Ausgleich her. Im Gegensatz zu Forschungsschiffen wie RV Polarstern oder festen Forschungsstationen wie Neumayer III gibt es hier leider keinen eigenen Sportraum. Glücklicherweise bieten unsere Zelte aber genug Raum, um darin ohne Problem Sport zu treiben. Wer doch etwas mehr Platz bevorzugt, schnappt sich Langlaufskier oder joggt eine kurze Runde auf der präparierten Landebahn aus Schnee. Auch Frisbee oder Fußball erfreuen sich großer Beliebtheit, trotz – 20°C Windchill.

Das Camp wächst um 14 neue JSEP Zelte.

So auch geschehen vor einigen Tagen, als wir hier im Camp 29 Gäste des Joint Science Education Projects (JSEP) für vier Tage begrüßen durften. 20 Schüler aus Dänemark, Grönland und den USA, betreut von acht Lehrern, Forschern und einer Fotografin, hatten die einmalige Chance einen Live-Eindruck von Glaziologie im Feld zu erhalten. Neben Vorträgen und Diskussionsrunden, lernten die Teenager auch praktische Grundlagen der Feldarbeit, unter anderem wie man einen Schneeschacht gräbt sowie beprobt oder die Albedo misst. Das Highlight für viele der 16-Jährigen war die Tour durch den Science-Trench, bei der sie uns Wissenschaftlern bei der Arbeit beobachten bzw. selbst Hand anlegen konnten.

Dünnschliff einer Probe aus ca. 1200 m Tiefe unter polarisiertem Licht. Verschiedene Farben weisen auf unterschiedliche Orientierungen der Eiskristalle hin.

Besonders viele „Aaahs“ und „Oooohs“ waren am Ende des Trenches zu hören, wo das „Physical Properties-Team“ des AWIs Eis in farbenfrohe Kunstwerke verwandelt. Hier verarbeiten wir Teile des frisch gebohrten Eiskerns zu 300 μm dicken Dü    nnschliffen; polarisiertes Licht bringt dann die Orientierung der einzelnen Eiskristalle zum Vorschein und liefert uns Hinweise über die physikalischen Bedingungen tief im Eis (genauere Informationen dazu in Johanna Kerchs Blogeintrag von letztem Jahr). Dieses Naturschauspiel brachte einige Augen zum Leuchten und vielleicht ist es uns sogar gelungen, die Saat für die nächste Generation von Polarforschern zu legen.

Nicholas Stoll

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