Aus dem Alltag eines Polarforschers auf Expedition in Grönland

AWI-Wissenschaftlerin und Blogautorin Ina Kleitz. Foto: Jan Eichler
AWI-Wissenschaftlerin und BlogauAWI-Wissenschaftlerin und Blogautorin Ina Kleitz. Foto: Jan Eichlertorin Ina Kleitz. Foto: AWI
AWI-Wissenschaftlerin und Blogautorin Ina Kleitz. Foto: Jan Eichler
AWI-Wissenschaftlerin und Blogautorin Ina Kleitz. Foto: Jan Eichler

Ich, Ina Kleitz, nehme an der EastGRIP-Expedition teil und habe mich dafür auf das grönländische Eis gewagt. Wenn mich jemand fragt, was ich als AWI-Glaziologin in Grönland so tue, ist die erste Antwort natürlich: Ich arbeite. Ich arbeite sogar sehr viel.

Wie sieht also so ein typischer Tag im EastGRIP-Camp aus? Ich beginne den Tag mit einem Frühstück im Dom. Da trifft man zuerst auf die Neuankömmlinge, die erwartungsgemäß eh noch nicht gut schlafen können. Nach dem Frühstück muss ich mich zunächst ordentlich in Schale werfen – schnell addieren sich etwa fünf Kleidungsschichten. Da ich am AWI arbeite, habe ich das Glück, mit jeder Art von Polarkleidung ausgestattet zu werden. Von dem Inhalt der riesigen blauen Reisetasche benötigt man am Ende etwa ein Drittel der Klamotten.

Dieses Warnschild soll die Wissenschaftler daran erinnern, eine Sonnenbrille aufzusetzen. Foto: Ilka Weikusat
Dieses Warnschild soll die Wissenschaftler daran erinnern, eine Sonnenbrille aufzusetzen. Foto: Ilka Weikusat

Für mich am wichtigsten sind Polarjacke mit Fellbesatz (der bei ausreichend Wind immer schön im Mundwinkel klebt) und die Polarhose, deren Hosenträger gar nicht kurz genug sein können und trotzdem noch rutschen. Und natürlich die riesigen gelb-orangenen Snowboots. Der Rest des Körpers wirkt erstaunlich zierlich, wenn man erstmal diese Schuhe anhat. Es fällt auf, dass jeder sie schön findet, der sie nicht anziehen muss. Nach dem hundertsten „Oh my god, these boots are awesome!“ kann man nur noch müde mit den Augen rollen. Ansonsten sollte man selbstverständlich die Sonnenbrille nicht vergessen: Die schützt die Augen vor dem blendend weißen Licht und erhöht den Coolness-Faktor erheblich.

Wenn ich dann aussehe wie ein Michelin-Männchen, mache ich mich auf dem Weg in den Science-Trench, um den Tag damit zu verbringen, Proben vorzubereiten und auf Korngrößen und c-Achsenorientierungen zu untersuchen. Der Weg in den Trench wird auch gern mal auf dem Hintern rutschend zurückgelegt, da der Weg in die Höhle durch die starke Frequentierung in eine nicht enden wollende Eisbahn verwandelt wurde.

Inzwischen eine Rutschbahn - die Schräge hinab in den Science Trench. Foto: Ilka Weikusat
Inzwischen eine Rutschbahn – die Schräge hinab in den Science Trench. Foto: Ilka Weikusat

Ich mag die Arbeit im Trench, das Polieren der Probenoberflächen ist meist schön meditativ und in der Regel haben alle dort gute Laune. Falls es beim Bohren hakt, sind wir meist weit genug entfernt und haben ausreichend Eis in unseren Boxen, um von der Frustration des Bohrteams nichts mitzubekommen.

Zwischendurch kann man seine Hände in einer warmen Zelle auftauen. In dieser werden sowohl Messrechner, als auch Thermoskannen, Süßigkeiten und Labormaterial gebunkert. Die Wände sind genauso bekritzelt wie in einer Gefängniszelle, aber die Stimmung ist deutlich besser.

Eine Kollegin im Trench gab mir den Tipp, die eingefrorenen Finger doch kurz an den Hals zu legen, dann werden sie besonders schnell wieder warm. Bringt mir allerdings nix, da der Rest des Körpers dann kalt ist.

Hat man dann den Arbeitstag geschafft, quält man sich den Weg wieder hinauf und bewegt sich in seinen Polarklamotten wie ein Wikinger, der im Kampf soeben 100 Eisbären erlegt hat. Man wird dann auch genauso viel essen, wie eben dieser Wikinger es getan hätte. Man fühlt sich von seinem eigenen Körper dezent veräppelt. Vor nicht mehr als einer Stunde hat man einen halben Moschusochsen verschlungen, aber im Magen macht sich schon wieder gähnende Leere breit.

Generell verbringt man einen Großteil seiner Zeit damit, auf die Mahlzeiten zu warten, die sich nach kurzer Zeit als absolutes Highlight des Tages erweisen. Schon nachdem man morgens die erste Probe vorbereitet hat, schielt man verstohlen auf die Uhr und fragt sich, warum noch nicht Mittagszeit ist.

Blick in den Speise- und Aufenthaltsraum des Expeditionscamps. Foto: Ilka Weikusat
Blick in den Speise- und Aufenthaltsraum des Expeditionscamps. Foto: Ilka Weikusat

Abgesehen vom Essen gibt es im Arbeitsalltag natürlich noch andere Höhepunkte: über das gemütliche Beisammensein am Samstagabend, bei dem alle versuchen, sich zu benehmen, wurde in diesem Blog schon berichtet. Ein anderes Highlight ist die Ankunft eines Flugzeuges, das sowohl neue Campbewohner als auch Versorgungsgüter bringt. Schon Stunden vorher lassen viele die Arbeit liegen und fragen nervös, ob denn der Flieger in Kangerlussuaq, welches als Basislager fungiert, gestartet ist. Irgendwann sieht man dann tatsächlich einen kleinen schwarzen Punkt am Horizont auftauchen, der dann auch bald zu einem relativ großen, eher gräulichen Punkt wird und sich als Hercules („… welche Maschine?“ – eine LC-130H Hercules airlifter!!!) entpuppt.

Man lässt also alles stehen und liegen, um die Neuankömmlinge zu begrüßen und tut so, als würde man die Paletten mit Versorgungsgütern nicht sehen, um ja nicht noch Kisten schleppen zu müssen.

Blick in eines der Schlafzelte. Foto: Ilka Weikusat
Blick in eines der Schlafzelte. Foto: Ilka Weikusat

Dennoch: Nachdem die Paletten geleert und alle Campbewohner satt und müde sind, möchte jeder nur noch in seinen Schlafsack kriechen. Man schläft in sogenannten Weatherports, also in dem Fall etwas stabilere, knallrote und vor allem beheizbare Zelte, die Platz für zwei bis sechs Personen bieten. Im Inneren dieser Weatherports gibt es keine Lichtquelle und durch das schummerig rote Licht fühlt man sich etwas an zwielichtige Etablissements erinnert. Die Einrichtung ist jedoch weniger „stilvoll“: man findet dort wacklige Doppelstockbetten, wahlweise Tisch, Stuhl und ein Regal. Die Fenster sind so gut es geht abgedichtet, dennoch ist es hell genug, um in den ersten Nächten dort kein Auge zuzumachen.

Ich habe mir vorgenommen zu schlafen, wenn ich wieder in Deutschland bin. Das muss reichen, man möchte ja hier nichts verpassen ;)

Ina Keitz

und zum Schluss noch eine Torte der gefühlten Wahrheit.

Leser:innenkommentare (1)

  1. Wilfried Paszkowski

    Wer sagt denn, deutsche Wissenschaftler und Forscherinnen hätten keinen Humor?
    Da wird selbst das Leben auf dem Eisschild erträglich.
    P

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