Larsen C: Ein Schritt weiter Richtung Eisberg

Der Riss im Larsen C-Schelfeis, hier fotografiert von Wissenschaftlern der NASA-IceBridge-Mission. Foto: NASA/John Sonntag
Darstellung des Risses im Larsen C-Schelfeis. AWI/D. Jansen
Darstellung des Risses im Larsen C-Schelfeis. AWI/D. Jansen

Es gibt Neuigkeiten vom Larsen C-Schelfeis an der Antarktischen Halbinsel. Der Riss, den wir in zwei vorherigen Blogeinträgen vorgestellt haben (1. Beitrag / 2. Beitrag) ist im Dezember um weitere 18 Kilometer gewachsen. Nun hängt der vordere Schelfeisteil und zukünftige Eisberg nur noch auf einer Strecke von etwa 20 Kilometer am Hauptteil fest. Wie lange wird das noch halten? Und was passiert mit dem Schelfeis nach der Kalbung? Bleibt es stabil oder wird es sich weiter zurückziehen? Um diese Fragen drehen sich zur Zeit die Gedanken der Forscher des MIDAS Projektes (www.projectmidas.org) an der Uni Swansea, an dem ich als Projektpartner beteiligt bin.

In den letzten Monaten war es nicht einfach, den Riss zu beobachten, da es keine Satellitenaufnahmen in ausreichender Auflösung ohne Wolkenbedeckung gab. Ausgerechnet jetzt gibt es schlechtes Wetter an der Halbinsel! Um möglich zeitnah die neueste Entwicklung der Rissspitze zu beobachten, mussten deshalb andere Daten her.

Anders als optische Instrumente auf Satelliten, die im Grunde ein Foto von der Erdoberfläche machen, können Radarsatelliten auch durch Wolken schauen. Das liegt daran, dass sie nicht auf das reflektierte Sonnenlicht angewiesen sind. Sie senden selbst ein Radarsignal aus, das die Wolken durchdringt und erst an der Erdoberfläche reflektiert wird. Daher haben wir uns die Daten von den Sentinel 1 Satelliten der ESA (European Space Agency) angesehen, um den Riss auch bei Wolkenbedeckung weiter zu verfolgen. Diese Daten sind auf den ersten Blick nicht so einfach zu interpretieren wie ein normalen Foto. Es gibt aber die Möglichkeit, zwei zeitlich aufeinander folgende Bilder zu vergleichen und Änderungen aufzuspüren, die zwischen den beiden Aufnahmen passiert sind. Solche Änderungen können zum Beispiel durch das Wachstum des Risses ausgelöst werden. Diese Methode funktioniert allerdings nur, wenn sich die gesamte Oberfläche des Schelfeises nicht zu sehr verändert, zum Beispiel durch starkes Schmelzen oder auch große Mengen an Neuschnee.

Ende Dezember konnte man den Riss plötzlich auf den Radarbildern viel deutlicher erkennen als zuvor, aber er schien sich in der Länge nicht verändert zu haben. Die Vergleichsmethode funktionierte nicht, da es im Dezember starkes Oberflächenschmelzen gab. Nun endlich im Januar gab es ein Paar Radarbilder, das Änderungen zeigte und die Gewissheit: Der Riss ist um weitere 18 Kilometer gewachsen.

Wenn man sich die Entwicklung des Risswachstums über die letzten Jahre anschaut, erkennt man, dass er immer schneller wächst, je länger er wird. Das erklärt sich dadurch dass Kräfte, die zum Wachstum führen können, wie zum Beispiel ablandiger Wind oder das ständige Auf und Ab der Gezeiten, eine immer größere Angriffsfläche und einen längeren Hebel bekommen. Wir können also davon ausgehen, dass es bald zu einem Kalbungsereignis kommt und warten gespannt. Bricht der Eisberg ab, ist die Front des Larsen-C-Schelfeises so weit zurückgebrochen wie nie zuvor. Dann wird sich zeigen, ob sich das Schelfeis wieder erholt oder ob sich die Kalbungsfront weiter zurückzieht.

Daniela Jansen

 

 

Leser:innenkommentare (10)

  1. Ute

    Hallo Daniela, danke für den interessanten blog!
    Eine sehr unwissenschaftliche Frage bitte: was sind das für Spuren auf dem Schelf (wie mit der Nähmaschine gezogen)?

    Danke schön, viele Grüße

    Ute

    1. Daniela

      Hallo Ute,

      Ein Schelfeis bildet sich dadurch das einzelne Gletscher in eine Bucht fließen und dort zusammengerdrückt werden um dann gemeinsam Richtung Ozean abzuflließen. Diese Spuren die man auf dem Satellitenbild sehen kann sind Nahtstellen zwischen solchen Einheiten (also Nähmaschine passt schon ;). An den Rändern der Gletscher entstehen oft Spalten, die heben diese Nahtstellen noch mehr hervor.
      Viele Grüße,
      Daniela

  2. Josephine

    Liebe Daniela,

    habt ihr Ideen was mit dem riesigen Eisberg passieren könnte, falls er abbricht? Wohin wird er wohl treiben? Basierend auf Strömung und Wind? Ist er so stabil, dass er als ein Stück abbrechen könnte oder wird er sich eher in viele kleine Teile zerlegen?

    Viele Grüße,
    Josephine

  3. Daniela

    Liebe Josephine,
    wenn der Eisberg abbricht wird er sehr wahrscheinlich weiter Richtung Norden driften, entlang der Antarktischen Halbinsel. Das ist die vorherrschende Strömungsrichtung in dieser Region. Nördlich der Halbinsel kommen Eisberge dann in den Antarktischen Zirkumpolarstrom und driften eher Richtung Nord-Ost. Das hat man per Satellit schon für viele kleinere und größere Eisberge beobachtet.
    Auf dem Weg wird der Eisberg beginnen zu schmelzen, aber er kann durchaus noch tausende von Kilometern zurücklegen. Ich gehe davon aus dass er relativ stabil bleiben wird. Eisberge, die direkt von Gletscherzungen abbrechen, zerfallen meist irgendwann in viele kleine Teile, weil sie schon vorher so viele Spalten haben. Das Eis an der Schelfeiskante ist hingegen kompakter.
    Viele Grüße,
    Daniela

  4. Ralf Lohrmann

    Früher hat man immer vom ewigen Eis gesprochen, dass an den Polkappen herrscht aber heute wissen wir, dass
    es nicht ewig ist. In der Frühzeit der Erde waren die Polkappen ohne Eis und vielleicht wird es irgendwann wieder
    so sein. Verursacht durch Menschen. So werden wir abbrechende Eisschollen wie diese wohl immer öfter
    beobachten können.

    1. Olaf Eisen

      In der Tat greift der Mensch durch den Ausstoß von Treibhausgasen und v.a. veränderte Landnutzung substantiell in das Klimageschehen ein. Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach, wie sie scheint.

      Zur Erdgeschichte:
      Es gab über die letzten 4.5 Milliarden Jahre immer wieder Zeiten ohne Eis an den Polen, aber auch Perioden, in denen die Erde nahezu vollständig vereist war (Schneeball-Erde). Ein eigentliches Eiszeit-Zeitalter gibt es erst wieder seit ca. 34 Millionen Jahren, als die Vereisung der Antarktis begonnen hat. Die Nordhemisphäre folgte erst vor wenigen Millionen Jahren, seither sind wir in einer Eiszeit, in welcher sich Kalt- und Warmzeiten (Glazial und Interglazial) mehr oder weniger regelmäßig abwechseln. In den letzten ca. 800.000 Jahren gab es alle ungefähr alle 100.000 Jahre ein Interglazial, derzeit das Holozän. Durch den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre, derzeit auf über 400 ppm CO2, scheit es durchaus möglich, dass der Beginn des nächsten Glazials nicht in ca. 10.000 Jahren eintritt, sondern weiter in die Zukunft geschoben wird.

      Zu Eisbergabbrüchen:
      Das Abbrechen von Eisbergen ist ein völlig normaler Vorgang an Eisschelfen. Schließlich fließt von Land her immer neues Eis nach. Brächen keine Eisberge ab, so würden die Schelfe unbegrenzt wachsen. Ein Problem für das Verständnis dieses Prozesses sind unsere kurzen Beobachtungsreihen. Wie oft brach eines der Larsen-Eisschelfe an der Antarktischen Halbinsel im jetztigen oder in früheren Interglazialen bereits auseinander? Gibt es hier evtl. so etwas wie einen normalen Rhythmus? Dies kann nur indirekt nachgewiesen werden, mit entsprechenden Unsicherheiten. Unbestritten ist jedoch, dass die Temperaturen an der Antarktischen Halbinsel in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen sind, weshalb wir hier einen Zusammenhang vermuten bzw. nicht ausschließen können.

  5. Bernhard

    Sehr interessanter Blog, Danke. Liebe Daniela, wie mächtig ist das Eis derzeit an der Abbruchkante über bzw. unter Wasser? Nach dem Abbruch wird sich der unter Wasser liegende Teil wahrscheinlich vergrössern, oder? Viele Grüsse, Bernd

    1. Olaf Eisen

      Lieber Bernd,
      Das Schelfeis ist an der Bruchkante zum Eisberg etwa 200 m dick, in der Mitte sogar noch etwas dicker.
      Da das Schelfeis nicht nur aus Eis sondern auch noch aus einer Firn- bzw. Schneelage besteht, ist es weniger dicht als Eis allein. Deshalb erwarte ich dass etwa ein siebtel des Schelfeises über die Wasserfläche herausragt, in diesem Fall also etwa 29 m. Diese Höhe nennt man auch „Freibord“.
      Wenn sich der abgebrochene Eisberg Richtung Norden bewegt kommt er in wärmere Regionen. Dass wird er wahrscheinlich an der Oberfläche schmelzen. Das Schmelzwasser versickert im Schnee und kann wieder gefrieren, das führt schließlich dazu, dass die mittlere Dichte des Eisberges größer wird. Deshalb schaut dann wahrscheinlich nach einiger Zeit nur noch ein neuntel des Berges aus dem Wasser heraus.
      Viele Grüße,
      Daniela

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