Es knirscht im Larsen C-Schelfeis

Schmelzwasserfall, zum Teil in der Bewegung eingefroren, an der Schelfeiskante, Larsen A-Schelfeis. Foto: W. Arntz

Vor einiger Zeit haben wir an dieser Stelle über das plötzliche Wachstum eines Risses im Larsen C-Schelfeis berichtet (Link zum alten Beitrag). Die Beobachtung dieses Risses und die Erforschung seiner Auswirkungen auf die Stabilität des Schelfeises ist Teil eines Projektes gemeinsam mit der Glaziologiegruppe der Swansea University, Vereinigtes Königreich (http://www.projectmidas.org/). Dazu gibt es nun Neuigkeiten: Nach einer Phase von etwa zwei Jahren, in denen sich der Riss nur ganz langsam verlängert hat, gab es diesen Sommer innerhalb weniger Wochen noch mal einen großen Satz von etwa 25 Kilometern.

Der Riss hat sich seit Mai um etwa 25 Kilometer verlängert. Die Oberflächenstruktur des Schelfeises hebt die Nahtstellen zwischen den Einheiten die vom Land herabfließen hervor. Die Aufnahme ist vom Dezember 2014 (NASA)
Der Riss hat sich seit Mai um etwa 25 Kilometer verlängert. Die Oberflächenstruktur des Schelfeises hebt die Nahtstellen zwischen den Einheiten die vom Land herabfließen hervor. Die Aufnahme ist vom Dezember 2014 (NASA)

Gut zu sehen ist das Voranschreiten auf dem ersten optischen Satellitenbild nach dem Antarktischen Winter. Man muss wissen, dass in der Zeit von Mitte Mai bis etwa Mitte August kein Sonnenlicht auf das Larsen C-Schelfeis fällt. Daher gibt es während der Polarnacht auch keine optischen Satellitenbilder, die wie ein Foto das reflektierte Sonnenlicht aufnehmen. Deshalb haben wir mit Spannung das erste wolkenfreie Bild nach dem Ende der Polarnacht erwartet. Und auf dem war deutlich zu erkennen, dass der Riss um etwa 25 Kilometer vorangeschritten ist. Leider ist es an der Antarktischen Halbinsel oft sehr wolkig, daher gibt es auch bei sommerlichen Lichtverhältnissen nur ein bis zwei schöne Bilder pro Monat.

Aber warum breitet sich der Riss so unterschiedlich schnell aus? Warum tut sich manchmal über Jahre hinweg nur wenig, und dann mit einem Mal gibt es einen Sprung?

Dass der Riss sich so ungleichmäßig über die Zeit ausbreitet hat, mit der Beschaffenheit des Schelfeises zu tun. Sie ist nicht überall gleich, denn das Schelfeis besteht aus mehreren Einheiten, die jeweils von Gletschern an Land ins Meer fließen. An den Nahtstellen zwischen diesen Bereichen bildet sich teilweise auch Eis aus Meerwasser, das im Vergleich zum Landeis wärmer ist und sich deshalb weicher verhält als das einfließende Eis vom Land. Auf Satellitenbildern lässt sich gut erkennen, dass diese Nahtstellen die Ausbreitung von Rissen aufhalten oder verlangsamen können.

Unsere Beobachtungen der Risswachstums zeigen deutlich, welche Auswirkungen die Beschaffenheit des Eises in den Nahtstellen hat: Im kalten Landeis reagiert das Eis auf Belastung spröde, das heißt ein Bruch breitet sich mit Schallgeschwindigkeit aus, ähnlich wie bei einem Erdbeben. Im weichen Eis der Nahtstelle wächst der Riss langsam und kontinuierlich, so wie sich zum Beispiel ein Riss in Wackelpudding ausbreiten würde.

Unsere Beobachtungen zeigen, dass der Riss noch aktiv ist und immer weiter wächst. Dies wird letztendlich zum Kalben eines großen Tafeleisberges führen. Das ist ein natürlicher Prozess für ein Schelfeis, denn sonst würde es ja immer weiter ins Meer hinauswachsen. Wir können nicht vorhersagen, in welchem Tempo der Riss voranschreiten wird oder wann das tatsächliche Kalben des Eisberges stattfindet. Falls es innerhalb der nächsten fünf Jahre geschieht, könnte es Modellrechnungen zufolge jedoch sein, dass sich die Kalbungsfront dauerhaft zurückzieht. Deshalb werden wir gespannt weiterbeobachten, was sich auf dem Larsen C-Schelfeis tut.

Daniela Jansen

 

Leser:innenkommentare (5)

  1. Artur Holzweg

    Hallo,
    Ich wollte fragen wann es neue Bilder von Larsen C geben wird und wo man die sich anschauen kann?
    Müsste nicht der Riss noch weiter wachsen da das Eis noch kalt ist obwohl der Arktische Winter schon zuende gegangen ist?
    Wie verhält sich der Riss im Arktischen Sommer wenn die Wenn Schmelzwasser dazu kommt?

    1. Andreas Wernecke

      Hallo Artur,
      ich komme nicht vom AWI (oder aus Swansea) und weiß daher nicht woher die Autoren ihre Daten haben. Ein umfangreiches Datenportal kannst du auf jeden Fall unter http://glovis.usgs.gov/ finden. Dort gibt es auch MODIS Daten die hier verwendet wurden, sonst sind aber auch z.B. Landsat-8 (auch optisch) oder Sentinel-2 Daten (ein aktives Radar) sehr gut geeignet für diese Anwendung.

      Das Eis ist im Winter (oder halt kurz danach) nur in den obersten ~10 m kälter als im Sommer, da der Schnee sehr gut isoliert (und das bei mehreren hundert Metern Eisdicke). Die mechanischen Eigenschaften werden dadurch nahezu überhaupt nicht beeinflusst. Allgemein wird die Temperatur zu einem guten Teil in dem Niederschlagsgebiet bestimmt (hier also am Land auf der Halbinsel).

      Schmelzwasser hat wahrscheinlich einen Einfluss auf das Abbrechen von Schelfeisen (sog. Hydro-fracturing bei dem Schmelztümpel wie Keile das Eis auseinander treiben, wie groß der Einfluss von diesem Prozess ist, ist noch umstritten). Ob es bei einem bereits sehr langem Riss wie hier einen großen Einfluss hat, kann ich nicht sagen. Ich würde aber eher vermuten (Achtung: Spekulation), dass jetzt andere Faktoren (wie etwa Wind und Strömungen die an dem Eis ziehen oder halt nicht) eine größere Rolle spielen.

      Viele Grüße

  2. Wolf

    Hallo, ]
    ich habe ein Ferienhaus im Sueden Brasiliens und bin etwas besorgt dass der Eisschelf aprupt wegbricht und einen Tsunami an unserer Kueste, bzw. Strand verursacht. Hat man damit Erfahrung? Ist meine Familie in Gefahr?

    http://www.camboriuapart.com.br

    1. Olaf Eisen

      Ein Schelfeis schwimmt schon im Wasser. Von daher würde ein Zerfall in den meisten Fällen nicht zu einem Tsunami der notwendigen Größenordnung führen. Was regelmäßig vorkommt sind Kalbungsereignisse von Eisbergen, bei denen höhere Wellen erzeugt werden, z.B. in Grönland. Diese richten zumeist nur im Fjord selber etwas Schaden an. Im Fall des Larsen C ist dieses nach Osten gerichtet und nicht nach Norden in den Nordatlantik. Zudem ist Brasilien mit mehreren 1000 km recht weit entfernt, so dass die eine solche Gefahr eher als gering einzustufen ist.

  3. Larsen C: Ein Schritt weiter Richtung Eisberg - AWI-Eisblog

    […] Halbinsel. Der Riss, den wir in zwei vorherigen Blogeinträgen vorgestellt haben (1. Beitrag / 2. Beitrag) ist im Dezember um weitere 18 Kilometer gewachsen. Nun hängt der vordere Schelfeisteil und […]

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