Die Geschichte einer Entdeckung

Satellitenaufnahme, die zeigt, wie weit der Riss innerhalb eines Jahres vorangeschritten ist. Foto: NASA, bearbeitet von Daniela Jansen
Diese Grafik zeigt eine Satellitenaufnahme vom 3. Dezember 2014. Das Larsen C-Schelfeis wird hier als graue Fläche dargestellt, welches im unteren Bildrand von den Bergen der Antarktischen Halbinsel umrandet wird. Der stetig wachsende Riss ist als rote Linie dargestellt. Sowie er sich einmal ganz durch das Eisschelf zieht, werden etwa zehn Prozent der Eisfläche als ein oder mehrere große Tafeleisberge wegbrechen. Aufnahme: NASA
Diese Grafik zeigt eine Satellitenaufnahme vom 3. Dezember 2014. Das Larsen C-Schelfeis wird hier als graue Fläche dargestellt, welches im unteren Bildrand von den Bergen der Antarktischen Halbinsel umrandet wird. Der stetig wachsende Riss ist als rote Linie dargestellt. Sowie er sich einmal ganz durch das Eisschelf zieht, werden etwa zehn Prozent der Eisfläche als ein oder mehrere große Tafeleisberge wegbrechen. Aufnahme: NASA

Kaum zu glauben, aber in der modernen Polarforschung kann man auch vom Schreibtisch aus spannende Entdeckungen machen. Ein Beispiel ist das nebenstehende Satellitenbild, über das ich vor ein paar Wochen eher zufällig „gestolpert“ bin. Es zeigt einen Riss im Larsen C-Schelfeis, der im vergangenen Jahr plötzlich um 30 Kilometer gewachsen ist, obwohl er vorher jahrzehntelang mehr oder weniger stabil gewesen ist.

Ich beobachte dieses Schelfeis an der Antarktischen Halbinsel schon seit Langem und war an jenem Tag eigentlich nur auf der Suche nach einem wolkenfreien Bild für Adrian Luckman von der Swansea University, Vereinigtes Königreich. Er hatte gerade mit weiteren Kollegen auf dem Larsen C-Schelfeis sein Camp aufgeschlagen und benötigte aktuelle Satelliteninformationen.

In einem vorherigen Projekt hatten wir gemeinsam „warmes, weiches“ Eis für das Anhalten des Risses und seiner Nachbarn ausgemacht. Warmes Eis in der Antarktis? Ja, so bezeichnen wir Eis, das an der Unterseite des Schelfeises festfriert und die Temperatur des -2 Grad kalten Wassers annimmt. Damit ist es deutlich wärmer als das eigentliche Gletschereis und auch viel weicher. Im Vergleich zum Gletschereis verformt es sich eher, als dass es bricht. Diese „Bremsfunktion“ des warmen, weichen Eises aber scheint nun nicht mehr zu wirken.

Wenn sich der Riss in den nächsten Jahren weiter ausbreitet und zum Kalben eines Tafeleisberges führt, würde dieses Ereignis die Kalbungsfront weiter zurücksetzen als jemals zuvor beobachtet.

Warum ist das interessant? Berechnungen mit einem Modell für das Fließen von Schelfeisen ergeben, dass sich das Larsen C eventuell von einem solchen Eisverlust nicht mehr erholen würde, und sich die Kalbungsfront auf Dauer zurückziehen könnte. Ähnliches passierte im Jahr 2002 mit dem Larsen B-Schelfeis, dem nördlichen Nachbarn von Larsen C, als dieses innerhalb kurzer Zeit „zerfiel“ und nahezu seine gesamte Fläche verlor.

AWI-Glaziologin Dr. Daniela Jansen - hier bei einer Expedition in ihr Forschungsgebiet. Foto: AWI
AWI-Glaziologin Dr. Daniela Jansen

Wir haben unsere Beobachtung des Risses und die Modellergebnisse in „The Cryosphere Discussions“ (http://www.the-cryosphere-discuss.net/9/861/2015/tcd-9-861-2015.html) eingestellt, wo sie nun für jeden einsehbar sind und kommentiert werden können.

Einige Fragen können wir dort leider noch nicht beantworten: Warum passiert das gerade jetzt? Was genau führt dazu, dass sich der Riss nun trotz des marinen Eises weiter ausbreitet? Hat es etwas mit der gemessenen Erwärmung in dieser Region zu tun? Auf diese Fragen werden wir uns sicherlich in Zukunft stürzen und weiterhin gespannt die Entwicklung des Risses verfolgen – natürlich vom Schreibtisch aus.

Daniela Jansen

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