Ein universeller Impfstoff gegen Krebs: Eine Nachricht, die zu gut ist um wahr zu sein

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Schlagzeilen wie „Erste universelle Krebsimpfung in Sicht“ und Aussagen wie „Es könnte ein Impfstoff entwickelt werden, den man gegen alle Krebsarten verwenden kann“ sind Beispiele dafür, was im Wissenschaftsjournalismus falsch läuft. Die Berichte sind weit von der Wahrheit, die in Nature veröffentlicht wurde, entfernt.

Wenn die meisten Leute von einem „universellen Impfstoff gegen Krebs“ lesen, denken sie an einen prophylaktischen Impfstoff, ähnlich derer, die Kindern verabreicht werden um bakterielle oder virale Infektionen wie Masern, Diphtherie oder Grippe zu verhindern. Für diesen Krebsimpfstoff ist aber nicht der Fall. Die Studie berichtet über eine neue Variante für einen therapeutischen Impfstoffs. Dieser wird Patienten gegeben um bereits vorhandene Krebszellen zu stoppen und zu töten.  Während diese Impfstrategie „universell“ für die meisten Krebsarten angewendet werden könnte, wird es keinen Universal-Impfstoff geben, der allen Patienten verabreicht werden kann! Der Impfstoff muss für jede Krebsart spezifisch sein – es ist also eine Form der personalisierten Therapie.

Obwohl die Medien die Ergebnisse der Studie übertrieben darstellen, ist der neue Ansatz interessant und könnte vielen Krebspatienten helfen.

Was zeigen die Forschungsergebnisse?

Krebszellen erwerben Mutationen in ihrem genetischen Code (DNA), was es ihnen erlaubt sich unkontrolliert zu teilen und zu wachsen. Sie stammen von normalen Zellen ab und sehen für das Immunsystem noch genauso aus wie normale Zellen. Deshalb gibt es auch selten eine starke Immunantwort gegen Krebszellen. Das Immunsystem kann normale nur schwer von Krebszellen unterscheiden.

Der Impfstoff der in dieser Studie entwickelt wurde, zielt darauf ab das Immunsystem von Krebspatienten zu aktivierten. Dies soll es ermöglichen den Krebs von innen heraus zu bekämpfen. Der Impfstoff ist gegen sogenannte Neo-Antigene gerichtet. Diese Moleküle werden durch Mutationen neu gebildet, sind spezifisch für Krebszellen und werden nicht von anderen Zellen im Körper produziert. Neo-Antigene sind in der Lage eine anti-Tumor-Immunantwort hervorzurufen.

Um das Immunsystem auf das Neo-Antigen vorzubereiten (das ist als gäbe man einem Jagdhund den Geruch seiner Beute), wurden RNA-Stücke die für die Neo-Antigene kodieren in Nanopartikel verpackt. Diese kleinen fettsäurebeschichteten Teilchen wurden dann in tumortragende Mäuse oder Patienten injiziert. Ein Zelltyp des angeborenen Immunsystems, die dendritischen Zellen, können die RNA-Nanopartikel aufnehmen und eine großangelegte Immunantwort, einschließlich Neo-Antigen-spezifischen CD8+ T-Zellen, einleiten. Diese T-Zellen sind in der Lage Neo-Antigen-produzierende Zellen zu finden und zu zerstören, und somit den Tumor zu bekämpfen.

In Mausmodellen führten sowohl prophylaktische als auch therapeutische Injektionen der RNA-Nanopartikel zur Vorbeugung oder Regression von mehreren bekannten Krebsarten.

Diese vielversprechenden Ergebnisse und eine gute Sicherheitsbilanz in Primaten erlaubte die Übertragung der Methode in Hautkrebspatienten. Von den drei Melanom-Patienten, die bisher mit den Nanopartikeln behandelt wurden, entwickelten alle drei starke Immunantworten gegen ein oder zwei der vier Melanom-spezifischen Neo-Antigene gegen die sie geimpft wurden. In einem Patienten schrumpften die Metastasen, während in einem Anderen der Krebs aufhörte zu wachsen. Der dritte Patient zeigte kein neues Krebswachstum nach der chirurgischen Entfernung der bisherigen Metastasen.

Diese Ergebnisse sind bemerkenswert, zumal die Therapie nur milde Nebenwirkungen ähnlich der Symptome einer Grippe auslöst. Dennoch müssen wir auf die Ergebnisse aus größeren Studien warten, um zu sehen, ob dieser Effekt sich bewahrheitet bevor wir von einem „Durchbruch“ reden.

Was verraten uns die Medien nicht?

Während die Nachrichten schnell dabei waren über die guten Ergebnisse dieser kleinen klinischen Studie zu schreiben und zu spekulieren, dass das Verfahren bei allen Krebsarten universell einsetzbar wäre, haben die meisten aber die Nachteile verschwiegen.

Der „universell einsetzbare“ Ansatz wird nicht wirklich für den Kampf gegen alle Krebsarten funktionieren.

Um impfen zu können müssen die spezifischen Neo-Antigene von jedem Krebstypen bekannt sein. Aber diese sind nicht nur zwischen verschiedenen Krebsarten, sondern auch zwischen verschiedenen Patienten, die an der gleichen Krebsart leiden, unterschiedlich. Nehmen wir zum Beispiel diese Studie: keiner der drei Melanom-Patienten reagierte auf alle vier Neo-Antigene gegen welche er impft wurden. Jeder entwickelte selektive Immunantworten gegen ein oder zwei Neo-Antigene. Sie reagierten unterschiedlich auf Grund der verschiedenen Mutationen die ihr Tumor vorweist. Für den Erfolg dieser Behandlungsart ist es also entscheidend die Mutationen jedes Tumors zu kennen. Um dies zu erreichen, muss jeder Tumor auf Mutationen überprüft werden (z.B. durch Genom-Sequenzierung) und die Impfung muss dementsprechend angepasst werden.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass Krebszellen nicht alle gleich sind. Sie sind innerhalb eines Tumors heterogen. So können einige Krebszellen Neo-Antigene produzieren, während andere dies nicht tun. Also selbst wenn wir erfolgreich ein Neo-Antigen angreifen können, heißt das noch nicht, dass wir in der Lage sind, den gesamten Tumor zu bekämpfen. Es bleiben vielleicht resistente Krebszellen zurück.

Leider produzieren nicht alle Tumore Neo-Antigene. Diese Studie impfte drei Melanom-Patienten gegen vier bekannte Antigene. Das Melanom ist der Krebs-Typ mit der höchsten Mutationsrate aller Krebserkrankungen, weshalb eine hohe Anzahl von Neo-Antigenen für Melanome bekannt sind. Viele davon wurden ausgiebig erforscht, um zu testen welche eine effektive tumorspezifische Immunantwort auslösen können. Um die Wirksamkeit des neuen Impfstoffes zu testen haben die Forscher gut charakterisierte Neoantigene gewählt. Während dies für Melanom-Patienten eine gute Nachricht ist, bedeutet es allerdings auch, dass ein Impfstoff für andere Krebsarten zu entwickeln viel schwerer, wenn nicht unmöglich wird, wenn keine effektiven Neo-Antigene gefunden werden.

Nicht jede Mutation ist immunogen – was bedeutet, dass nicht alle Mutationen in Krebszellen zur Produktionen von Neo-Antigenen führen, die durch das Immunsystem erkannt werden können. Während also alle Krebszellen Mutationen aufweisen werden wir nicht in der Lage sein, alle von ihnen für Impfstrategien zu verwenden.

Schlussendlich bleibt zu sagen, dass dieser Impfansatz eindeutig Erfolgspotenzial bei einigen Krebsarten aufweist. Er wird aber nicht ein universelles Heilmittel gegen Krebs sein. Leider ist die Studie in den Schlagzeilen unverhältnismäßig aufgeblasen wurden, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass dies falschen Hoffnung aufkommen lässt. John Oliver hat zu diesem Thema ein großartigen Beitrag über Wissenschaftsjournalismus gemacht. Wenn ihr daran interessiert seid woher die Probleme in der Berichterstattung kommen – hier klicken.

Foto von einem Patienten während des impfen. Flickr. License: CCBY 2.0

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