Arbeiten, meditieren, genießen – Mantra einer Physik-Doktorandin

Arzoo Sharma works on her PhD at GSI/FAIR in Darmstadt. © private
Arzoo Sharma © privat

Arzoo Sharma hätte nie gedacht, dass sie in Deutschland bei GSI/FAIR promovieren würde. Im Interview spricht sie über kulturelle Unterschiede zu ihrem Heimatland Indien und die Vor- und Nachteile einer Promotion im Ausland. „Die Reise war anfangs eine Herausforderung, aber mit der Zeit hat sie sich als großartig erwiesen. Mein Mantra: arbeiten, Herausforderungen annehmen, lernen, reisen, genießen, und vor allem meditieren“, sagt sie.

Das Interview führten Christof Holzmann und Anna Mues, die am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) „Wissenschaft – Medien – Kommunikation“ studieren. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Medien und Öffentlichkeitsarbeit“, in der KIT und GSI/FAIR kooperieren, führten Studierende im Wintersemester 2022/2023 Interviews mit jungen Forschenden bei GSI/FAIR.

Wie bist du zu GSI gekommen?

Arzoo Sharma arbeitet bei der NUSTAR-Kollaboration am DESPEC-Experiment (DEcay SPECtrocopy). © privat
Arzoo Sharma arbeitet bei der NUSTAR-Kollaboration am DESPEC-Experiment (DEcay SPECtrocopy). © privat

Ich hätte nie gedacht, dass ich für meine Promotion ins Ausland gehen würde, weil der Ort, aus dem ich in Indien stamme, ziemlich klein ist und ich nicht genügend Geld hatte, um ins Ausland zu gehen. In Indien ist es nicht so einfach, einen Doktortitel zu erlangen, weil wir viele nationale Aufnahmeprüfungen absolvieren müssen. Ich komme vom Indian Institute of Technology (IIT Ropar). Die IIT-Institute gehören zu den renommiertesten Wissenschaftsinstituten in Indien. Ich kam als Doktorandin zu meinem Doktorvater, Dr. Pushpendra P. Singh, der seinen Postdoc bei GSI gemacht hat. Er hatte bereits bei GSI an einigen anspruchsvollen Forschungs- und Entwicklungsprojekten mitgearbeitet. Ich hatte bereits während meines Studiums Erfahrungen mit Datenverarbeitung gesammelt. Das half mir später bei der Arbeit an einem der Projekte, die mich nach Deutschland führten. Ich besuchte GSI zum ersten Mal im Jahr 2019. Dies ist nun mein zweiter Besuch hier, ich bin im März gekommen und bleibe bis Ende Dezember. Ich bin glücklich, an diesem gemeinsamen Projekt zu arbeiten.

Was sind deine aktuellen Projekte bei GSI?

Ich promoviere im Bereich NUSTAR, das steht für Nuclear Astrophysics and Reactions. Das ist eine Experimentiersäule der gerade im Bau befindlichen FAIR-Beschleunigeranlage, die sich mit der Erforschung von astrophysikalischen Ereignissen beschäftigt.  Mit NUSTAR möchten wir zum Beispiel herausfinden, wie die chemischen Elemente, aus denen wir bestehen, im Universum entstanden sind. Dafür untersuchen wir exotische Atomkerne, die instabil sind. Eine Möglichkeit, etwas über sie herauszufinden, ist es ihren Zerfall zu beobachten. Das machen wir im DESPEC-Experiment (DEcay SPECtrocopy). Wir erzeugen exotische Atomkerne und messen die Gammastrahlen, die sie bei ihrem Zerfall aussenden und die uns etwas über die Eigenschaften der Kerne verraten.

Meine Aufgabe dabei war es, einen Scanner zu entwickeln, mit dem man den Detektor charakterisieren und quasi eichen kann, bevor er zum Einsatz kommt. Während meines Aufenthalts habe ich auch an der Charakterisierung eines segmentierten Detektoraufbaus gearbeitet, der erkennt, wo die exotischen Atomkerne innerhalb des Detektors stoppen. Das klingt vielleicht alles sehr abstrakt, aber für solche Geräte gibt es auch konkrete Anwendungen. Sie könnten z.B. auch bei der Bildgebung in der Krebstherapie weiterhelfen.

Wie ist das Leben so weit weg von zu Hause in Indien?

Als ich zum ersten Mal hierherkam, war es schwierig für mich. Ich hätte nie gedacht, dass ich je an einem so anderen Ort leben würde. Zuerst hatte ich einige Probleme mit dem Essen, aber jetzt genieße ich es. Auch der Akzent war für mich anfangs schwierig zu verstehen. Es hat viel Zeit gekostet, den Aufenthalt hier zu organisieren, denn es gibt eine ganze Reihe von Formalitäten, die jeder erfüllen muss, um eine Finanzierung oder einen Aufenthalt zu erhalten. Ansonsten war alles in Ordnung, und die Leute bei GSI sind sehr hilfsbereit. Als ich 2019 kam, gab es nur sehr wenige Leute aus Indien, aber ich hatte drei Freunde von dort, was mir in dieser Zeit sehr geholfen hat. In diesem Jahr ist die Zahl der indischen Studierenden und Mitarbeitenden gestiegen. Ich kenne viele von ihnen aus verschiedenen Einrichtungen und sie sind sehr gute Freunde von mir. Alles in allem war es für mich eine sehr schöne Erfahrung, mit so vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten aus verschiedenen Kulturen zusammenzuarbeiten.

Was tust du, um von deiner Arbeit abzuschalten?

Ich habe viele verschiedene Interessen, und ich wechsle gerne zwischen verschiedenen Dingen hin und her. Ich spiele gerne Badminton, lese und mache Zumba und Yoga. Normalerweise lese ich Fantasy oder indische Drehbücher. Außerdem koche und reise ich gerne. Meistens koche ich für mich selbst, und in dieser Zeit denke ich darüber nach, was ich hätte tun sollen, um etwas zum Funktionieren zu bringen. Bei der Stressbewältigung helfen mir diese Dinge besonders: Yoga, Meditation und Gespräche mit Freunden. Die Freunde, mit denen ich spreche, promovieren alle gerade, so dass sie meine jeweiligen Phasen sehr gut verstehen können.

Was sind deine Pläne nach GSI und nach dem Abschluss deiner Doktorarbeit?

Auch nach meiner Promotion würde ich gerne weiter an diesem Projekt arbeiten. Es gibt viele verschiedene Einrichtungen, in denen derartige Projekte durchgeführt werden, und ich würde diese vielleicht gerne besuchen. Ich möchte an Projekten arbeiten, die der Menschheit direkt helfen können. Außerdem würde ich gerne Beschleuniger und Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt besuchen und erkunden.

Kannst du es empfehlen den Doktortitel in einem anderen Land zu machen?

Ich würde empfehlen, an einem Programm teilzunehmen, um im Ausland zu promovieren. Die Teilnahme an einem PhD-Programm in Indien hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Es ist hilfreich, in Indien zu promovieren, weil man viele Leute kennenlernt, aber es kostet Zeit. In Indien braucht man etwa fünf bis sechs Jahre für eine gute Doktorarbeit in der Kernphysik und deshalb lernt man, geduldiger zu sein. Ich bin sehr glücklich, hier bei GSI zu sein. Ich kann gar nicht beschreiben, wie viel ich hier gelernt habe, nicht nur in Bezug auf meine Arbeit, sondern auch durch das Kennenlernen neuer Menschen, die Bedeutung von Teamarbeit und die effizientere Organisation von Dingen. Ich bin jetzt fast am Ende meiner Doktorarbeit. Da es sich um ein internationales Labor handelt, habe ich viele Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen gelernt. Das war hervorragend. Und gleichzeitig habe ich von ihren Kulturen gelernt und sie mit meiner Kultur verglichen. Das war eine wunderbare Erfahrung.

Vielen Dank für das Interview, Arzoo! Wir wünschen dir das Beste für deine Zukunft.

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