Bei der von GSI entwickelten Tumortherapie mit Ionenstrahlen wie auch bei anderen Strahlentherapien werden vor der Behandlung von Personen sogenannte Behandlungspläne erstellt. Ihre Richtigkeit wird an Modellen überprüft, um einen korrekten und sicheren Ablauf zu garantieren. Die Untersuchung einer neuen Testmöglichkeit ist nun im wissenschaftlichen Fachjournal „Physics in Medicine and Biology“ publiziert worden. Das Besondere: Dea Aulia Kartini und Gianmarco Camazzola, GET_INvolved-Teilnehmerin und Sommerstudent bei GSI und FAIR, stehen auf der Autor*innenliste. Carola Pomplun traf die beiden zum Interview.
Dea Aulia Kartini kommt ursprünglich aus Indonesien und studiert Physik in Thailand. Im Moment arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit. Im Rahmen des GET_INvolved-Programms von FAIR und GSI ist sie bereits zum dritten Mal in Deutschland und forscht in der GSI-Abteilung Biophysik an der radiobiologischen Verifikation von Bestrahlungsplänen.
Gianmarco Camazzola hat sein Heimatland Italien verlassen, um in Heidelberg seinen Master-Abschluss in Physik zu machen. Während des Summer Student Programs 2019 war er acht Wochen lang bei GSI und FAIR zu Gast und hat in der Abteilung Biophysik mitgearbeitet. Über GET_INvolved kehrte er nun zurück und plant, auch seine Promotionsarbeit hier durchzuführen.
Wie kam es, dass Ihr beide zu GSI und FAIR gekommen seid?
Dea Aulia Kartini: Nach ihrem Besuch bei GSI und FAIR in 2017 hat Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn von Thailand in Bangkok den Aufbau einer Anlage für Protonentherapie initiiert. In diesem Zusammenhang hat mein jetziger Professor nach einer Studentin gesucht und mir dann auch einen Aufenthalt hier in Deutschland vorgeschlagen. Ich kannte GSI vorher nicht, aber nun bin ich schon zum dritten Mal hier.
Gianmarco Camazzola: Während meines Bachelor-Studiums an der Universität Trient, als ich ein paar Veröffentlichungen las, ist mir die Vorreiterrolle von GSI in der Medizinphysik aufgefallen. Später, als ich für meinen Master an der Universität Heidelberg war, hat mir ein früherer Sommerstudent vom Summer Student Program bei GSI und FAIR erzählt. Daraufhin habe ich mich beworben und konnte in 2019 teilnehmen. Das war eine wirklich tolle Erfahrung. Deshalb habe ich mich nun für GET_INvolved und auch für eine Promotionsstelle hier beworben und hoffe, wenn alles klappt, nächstes Jahr beginnen zu können.
An was forscht Ihr genau?
DAK: Ich versuche, die Verifikation von Bestrahlungsplänen für die Tumortherapie zu verbessern. Um einen Bestrahlungsplan biologisch zu prüfen, nutzt man sogenannte Phantome. Das sind Zellkulturen, die in gleicher Weise „behandelt“, also bestrahlt werden, wie man es auch bei der Person machen würde. Anschließend schaut man sich das Zellüberleben an, um die Richtigkeit der Planung zu beurteilen. Für Forschungsanwendungen, beispielsweise für die Weiterentwicklung von Software für die Behandlungsplanung, ist das natürlich ebenso relevant. Die bisherigen Phantome nutzen einzelne Zelllagen dafür, die nennt man auch Monolayer. Ich erforsche eine Methode mit dreidimensionalen Phantomen. Das könnte die Genauigkeit verbessern und eine Beurteilung des Zellüberlebens in der Tiefe und in der lateralen Verteilung erlauben. Die entsprechenden Experimente habe ich vorbereitet und mithilfe des Forschungsteams auch durchgeführt. Im Anschluss haben wir eine Veröffentlichung dazu verfasst, auf der auch Gianmarco als Mitautor steht.
GC: Einige meiner Aufgaben haben sich mit Deas Forschung überlappt, aber ich habe mehr auf der Software-Seite gearbeitet: Berechnungen und der Datenanalyse. Die Teilchensorte und -energie, der Sauerstoffsensibilisierungsfaktor oder die relative biologische Wirksamkeit – all das muss im Bestrahlungsplanungssystem TRiP98, das hier verwendet wird, eingebaut sein. Und nach dem Experiment muss man schauen, ob die gewonnenen Daten mit der Vorhersage übereinstimmen. Ich habe Deas Dosimetrie-Ergebnisse mit den Daten der TRiP98-Berechnung verglichen. Das war zum Teil meine Aufgabe als Sommerstudent, aber glücklicherweise durfte ich damals auch ein wenig in die Laborarbeit hineinschnuppern und Dea über die Schulter schauen.
Ist es das erste Mal, dass eine GET_INvolved-Studentin bzw. ein Sommerstudent auf einer wissenschaftlichen Publikation stehen?
DAK: Meines Wissens ist es bezüglich GET_INvolved das erst Mal.
GC: Beim Summer Student Program kann ich es nicht mit Sicherheit sagen. Ich glaube aber, dass es zumindest noch nicht sehr oft vorgekommen ist.
Inwiefern war und ist die Corona-Pandemie ein Problem für Eure Arbeit?
DAK: Für mich war es ein sehr großes Problem. Ich wollte schon im März kommen, hatte ein Visum beantragt, aber dann wurden wegen Corona alle Grenzen geschlossen. Dann wartete ich auf einen Anruf aus der Botschaft. Im Juli hieß es dann, dass ich kommen kann. Da habe ich innerhalb einer Woche alles zusammengepackt und war dann ganz schnell in Deutschland. Hier waren alle ganz überrascht, dass ich in so kurzer Zeit kommen konnte. Und jetzt ist es kompliziert für mich als indonesische Ausländerin, zurück nach Thailand zu gehen, obwohl ich ja eigentlich dort wohne. Sie haben sehr strenge Regeln für den Einlass, die nicht einfach zu erfüllen sind. Das ist alles gerade ziemlich schwierig.
GC: Bei mir war es nicht ganz so schwierig, da ich ja ohnehin schon in Heidelberg war. Allerdings musste ich von März bis August nach Italien zurück. Daher konnte ich nicht im Labor arbeiten, sondern nur von Zuhause am Computer. Das ging aber ganz gut.
Wie gefällt es Euch denn eigentlich in Deutschland?
DAK: Für mich ist es wie ein drittes Zuhause, nach Indonesien und Thailand. Ich bin sehr gerne hier. Die Arbeit und das Team hier sind toll, das Leben ist gut und ich treffe gerne neue Menschen. Einzig die Bürokratie ist ein bisschen anstrengend, es gibt so viele Regeln und Gesetze in der EU. Bei uns sind auch die Geschäfte eigentlich immer offen, auch an Sonn- und Feiertagen – im Gegensatz zu Deutschland, wo es feste Öffnungszeiten gibt und an manchen Tagen gar nichts geöffnet hat.
GC: Ich bin ja nun schon das dritte Jahr hier und das wirklich gerne. An das Essen musste ich mich ein bisschen anpassen. Man muss immer dazu sagen, wenn man keine Soße will! An die Bürokratie bin ich zum Glück schon gewöhnt, das ist in Italien nicht anders.
Was macht Ihr in Eurer Freizeit?
DAK: Ich koche und backe sehr gerne, höre Musik oder sehe mir koreanische Serien an.
GC: In meiner Freizeit will ich möglichst keinen Stress haben. Da entspanne ich mich, lese oder schaue Videos an. Und mit meinen WG-Mitbewohnern etwas zu Essen zuzubereiten, macht auch großen Spaß.
Und was steht bei Eurer Arbeit in der nächsten Zukunft an?
DAK: Ich muss nun meine Promotionsarbeit schreiben. Und eine zweite Veröffentlichung ist auch geplant, die brauche ich für mein Stipendium. Ich bin ungefähr zu Hälfte fertig, der Rest wird jetzt gemacht. Dazu gehen auch die Experimente weiter, in Kürze sind wieder Zellbestrahlungen geplant. Wir werden noch andere Zelltypen benutzen, die empfindlicher gegenüber der Strahlung sind.
GC: Ich mache bald mit einer anderen Thematik weiter. Das Ziel ist nun, das Programm TRAX-CHEM, das von GSI zur Simulation der physikalischen und chemischen Phase von Strahlenwechselwirkungen entwickelt wurde, zu erweitern. Die geplante Erweiterung soll die Wechselwirkung der entstandenen Radikale in der biologischen Umgebung, zum Beispiel mit Proteinen, Lipiden, Enzymen usw. untersuchen. Momentan lese ich dazu erst einmal sehr viel. Ich hoffe, das dann in meiner Doktorarbeit umzusetzen.
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