In unserem Blog berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie sie die Corona-Krise erleben und bewältigen. Dr. Christian Sturm ist Projektleiter von mCBM@SIS18. Bei diesem Projekt wurde ein großer Teil der Technologie des zukünftigen FAIR-Detektors CBM als Vorexperiment an der bestehenden Beschleunigeranlage aufgebaut. Es werden Prototypen und Vorserienmodule aller CBM-Detektorsysteme mit ihren Datenauslesesystemen genutzt. Mit mCBM kann bereits jetzt in kleinem Maßstab das Zusammenspiel von Detektorsystemen, Datenauslese und Datentransport zur Computerfarm des Green IT Cube getestet werden, das später bei FAIR als Großexperiment zum Einsatz kommt. Das Interview wurde während unserer Experimentierzeit im März/April 2020 geführt.
Woran arbeitest du gerade?
Wir haben jetzt gerade Experimentierzeit, das heißt, wir beobachten mit der kleinen Version des zukünftigen CBM-Detektors was passiert, wenn wir schwere Teilchen mit höchster Energie und Intensität auf ein Target (zumeist Goldtargets) schießen. Dieses Vorexperiment ist sehr wichtig, da wir mit CBM neue Rekorde aufstellen werden. Wir wollen später 10 Millionen Kollisionen pro Sekunde online auswerten, um extrem seltene Ereignisse zu beobachten.
Wie hat die Corona-Pandemie deinen Arbeitsalltag verändert?
Unsere Arbeitsalltag wurde ziemlich auf den Kopf gestellt. Normalerweise arbeiten während der Experimente 20 bis 30 Kolleginnen und Kollegen hier vor Ort. Sie kommen von den verschiedenen Universitäten hier in der Umgebung, aber auch aus Indien, Russland, Polen und Rumänien. Doch unsere internationalen Kollaborationspartner dürfen jetzt nicht einreisen und auch die Beteiligten von den Universitäten Münster, Frankfurt, Gießen und Heidelberg können jetzt nicht vor Ort dabei sein.
Aber wir hatten Glück und unsere Experten haben es in kürzester Zeit möglich gemacht, dass alle Beteiligten von zuhause aus dabei sein können. Zum Beispiel die Datenaufnahme muss nun nicht mehr am Rechner direkt vor Ort gestartet werden, sondern kann von außen per Verschlüsselung und Passwort initiiert und überwacht werden. Auch Detektorkomponenten können von den Spezialisten von außerhalb konfiguriert werden. Das ermöglicht den Externen viele ihrer üblichen Aufgaben zu übernehmen. Für die Kommunikarion steht in unserem Experiment-Kontrollraum ein PC, der eine permanente Standleitung zwischen allen Beteiligten ermöglicht.
Auch das Leben auf dem Campus hat sich natürlich total verändert. In der Kantine gibt es nur Take-Away-Essen, aber man bekommt immer ohne Probleme einen Parkplatz. Die sozialen Kontakte fehlen, aber die Services und Infrastrukturen von GSI werden aus meiner Sicht immer noch sehr reibungsfrei und mit exzellenter Qualität zur Verfügung gestellt. Wir wurden und werden hervorragend unterstützt.

Screenshot aus einer Videokonferenz: Internationale mCBM-Forscher diskutieren und unterstützen das bei GSI laufende Experiment aus der Ferne. Foto: C. Sturm/CBM-Kollaboration
Wie organisiert ihr Eure Arbeit?
Alle Meetings werden nur noch virtuell per Videokonferenz durchgeführt. Das funktioniert gut. Sogar Kollaborationsmeetings mit großer Teilnehmerzahl haben wir schon so abgehalten. Aber das ist natürlich anstrengender, gerade wenn man miteinander denken muss, wenn es um technische Details zum Experiment geht oder um Problemlösungen, fehlt der menschliche Kontakt. Durch verbesserte Technik können wir da aber sicherlich noch einiges verbessern: Wir planen eine gute Kommunikationsanlage für den mCBM-Kontrollraum anzuschaffen, damit man überall im Raum frei sprechen und mit den Kolleginnen und Kollegen außerhalb kommunizieren kann. Es lohnt sich hier etwas zu investieren, da dies auch in Zukunft eine große Hilfe sein wird.
Welche Arbeiten konnten aufrechterhalten werden, welche mussten stoppen?
Bis jetzt kann man sagen, dass wir unsere Messungen sehr gut durchführen konnten. Das liegt vor allem daran, dass ein kleines Core-Team von drei bis vier Kollegen vor Ort ist, das sehr engagiert arbeitet. Meine Kollegen und ich halten das Experiment hier am Laufen, wobei wir strenge Sicherheitsvorkehrungen einhalten, um das gesundheitliche Risiko zu minimieren. Falls es technische Probleme am Detektor gibt, können wir sie vor Ort mithilfe der Spezialisten, die virtuell dabei sind, lösen. Nur neue Komponenten aufzubauen, ist nicht möglich. Für uns ist das natürlich anstrengend, aber es klappt besser als gedacht und sicher können wir in Zukunft vieles von dieser Verfahrens-
weise beibehalten.
Welche Maßnahmen hast du persönlich ergriffen, um weiter arbeiten zu können und gleichzeitig die gesundheitlichen Risiken zu minimieren?
Wir tragen Gesichtsmasken, die wir teilweise selbst gebastelt haben, um andere vor uns zu schützen. Außerdem halten wir viel Abstand. Aber das wichtigste ist, dass sich jeder im kleinen Core-Team seiner Verantwortung bewusst ist und darauf achtet, auch privat kein Risiko einzugehen. Darauf können wir uns verlassen.

Mit Masken und ausreichendem Abstand ist auch eine Arbeitsbesprechung am mCBM-Experiment möglich. Foto: G. Otto, GSI/FAIR
Vor welchen Herausforderungen standet ihr? Gab es ein besonders kniffeliges Problem?
Die größte Herausforderung war es, in kürzester Zeit die Remote-Steuerung und die neuen Kommunikationswege zu installieren. Zum Glück haben unsere Software-Experten das sehr schnell realisiert. Für unsere Kollegen in Indien und Russland macht die Zeitverschiebung das Arbeiten schwierig. Sie sind zum Teil im Lockdown zu Hause gefangen, arbeiten nachts und bisweilen mit schlechter Internetverbindung. Die Motivation aller beteiligter Kolleginnen und Kollegen ist sensationell! Auf ihr Spezialwissen könnten wir nicht verzichten.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir natürlich, dass diese schwierige Zeit möglichst bald vorüber ist und freue mich darauf Kollegen, Familie und Freunde bald wieder persönlich zu treffen. Ich freue mich darauf, bald wieder vor Ort zusammen arbeiten zu können und auch Gäste aus der ganzen Welt auf dem Campus willkommen heißen zu können. Bis dahin wünsche ich mir, dass wir unsere Experimente noch die nächsten Tage (mit etwas mehr Ruhezeiten) weiterführen können, da uns noch eine wichtige Fragestellung am Herzen liegt. Ich hoffe, dass es danach möglich ist, neue Technik aufzubauen, da wir dann an einer großen Umstellung arbeiten. Ich hoffe, dass spätestens 2021 alle wieder gesund zurück auf dem Campus sind und wir unsere nächsten geplanten Experimente durchführen können.
Sehr erfolgreiche Experimente, hochwertige Ionenstrahlen für die Forschung – die Experimentierzeit auf dem GSI- und FAIR-Campus lieferte trotz der Corona-Pandemie positive Ergebnisse. In zahlreichen Bereichen konnte die bestehende Beschleunigeranlage Forscherinnen und Forschern vielfältigste Ionenstrahlen zur Verfügung stellen und den Weg für neue Entdeckungen und exzellente Forschungsmöglichkeiten der Zukunft öffnen.
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