Sehr erfolgreiche Experimente, hochwertige Ionenstrahlen für die Forschung – die Experimentierzeit auf dem GSI- und FAIR-Campus lieferte trotz der Corona-Pandemie positive Ergebnisse. In zahlreichen Bereichen konnte die bestehende Beschleunigeranlage Forscherinnen und Forschern vielfältigste Ionenstrahlen zur Verfügung stellen und den Weg für neue Entdeckungen und exzellente Forschungsmöglichkeiten der Zukunft öffnen. In unserem Blog berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie sie die Krise erleben und bewältigen.
Dr. Daniel Severin ist der sogennante Strahlzeitkoordinator bei GSI und FAIR. Er koordiniert die akzeptierten Experimente und ist die Schnittstelle zwischen den Forschenden und dem Betriebspersonal der Maschine. In der Vorbereitung erstellt er einen detaillierten Zeitplan, der möglichst alle technischen und experimentellen Randbedingungen berücksichtigen und es ermöglichen soll, eine größtmögliche Zahl von Experimenten in der zur Verfügung stehenden Beschleunigerbetriebszeit durchzuführen. Dazu gehören während des Betriebs die Durchführung der täglichen „Mittagssitzung“ sowie weitere Absprachen zwischen Experimenten und Betrieb, wobei immer auch kurzfristige Anpassungen nötig sind. Das Interview führte Carola Pomplun während der Experimentierzeit März/April 2020.
Wie hat sich dein Arbeitsalltag aufgrund der Coronakrise verändert?
Normalerweise besteht mein Alltag aus vielen Metern Fußweg, denn ich muss viel zwischen unserem Hauptkontrollraum (HKR) und den Experimentierplätzen und Beteiligten hin- und herlaufen. Aktuell arbeite ich nur noch von zuhause, alle Absprachen laufen über Telefon oder Videokonferenzen, auch die tägliche Mittagssitzung und mein täglicher Bericht an die Geschäftsführung. Das war ein sehr schneller Anpassungsprozess.
Die meisten angesetzten Experimente werden von internationalen Forschungskollaborationen mit vielen externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Ländern durchgeführt, die dafür zu GSI/FAIR angereist wären. Aufgrund der Reisebeschränkungen ist das nicht mehr möglich, so dass ein Teil der geplanten Experimente entfällt. Wir haben aber entschieden, mit den noch durchführbaren Experimenten, die nur unser Personal vor Ort benötigen, weiterzumachen. In einigen Fällen nehmen die externen Forschenden über Fernzugriff teil oder unterstützen das Personal vor Ort mit Anweisungen und Anleitungen zu speziellen Geräten wie beispielsweise Datenaufnahmesystemen. In anderen Fällen werten sie die gewonnen Daten direkt aus und geben Rückmeldung, wie das laufende Experiment angepasst werden muss.
Welche Schutzmaßnahmen habt ihr für die Personen vor Ort ergriffen?
Wir versuchen, den Personalaufwand vor Ort zu minimieren, so dass nur die unabdingbaren Personen für Betrieb und Experimente überhaupt auf dem Campus sind. Die Abstandsregelungen halten wir auch an unseren Arbeitsplätzen ganz strikt ein. Im HKR beispielsweise sitzt das Personal immer im Abstand von mehreren Metern. Für Besuche ist der Bereich komplett gesperrt. Auch in den Messbereichen der Experimente arbeiten maximal zwei Personen pro Raum, wenn der Abstand eingehalten wird. Wo doch mehrere Hände gebraucht werden, beispielsweise bei Installationen oder Reparaturen, versuchen wir es auf zwei Personen zu beschränken, die dann mit Schutzausrüstungen wie Mundschutz und Handschuhen arbeiten.
Generell haben wir die Zahl der Experimente stark reduziert und können auch jederzeit den Strahlzeitplan anpassen, wenn es die Personalsituation erfordert. Normalerweise wird während der Strahlzeit im Schichtbetrieb gearbeitet. Aktuell kann es aber sein, dass die Gruppen einzelne Schichten nicht abdecken können, weil Personen zuhause bleiben müssen, beispielsweise um Angehörige und Kinder zu betreuen. Dann unterbrechen wir und lassen das Experiment ggf. lieber im Anschluss zusätzliche Tage weiterlaufen. Sollte es die Situation erfordern, könnten wir jederzeit auch komplett abschalten. Von vielen Kolleginnen und Kollegen habe ich die Rückmeldung erhalten, dass sie sich sicher und gut beschützt bei der Arbeit fühlen. Es herrscht großes Verständnis und ein sehr verantwortungsvoller Umgang mit der Situation.
Was war die größte Herausforderung, die es zu bewältigen galt?

Blick in den GSI-Ringbeschleuniger SIS18. Foto: J. Hosan, GSI/FAIR
Das Wochenende, an dem die Restriktionen von der Landesregierung ausgerufen wurden, war nicht leicht. Es herrschte eine große Verunsicherung, wie es weitergeht. Das betraf neben den privaten Situationen der Kolleginnen und Kollegen natürlich auch den Weiterbetrieb unseres Experimentierprogramms. Ich habe sehr viele Telefonate, insbesondere mit den externen Experimentgruppen, geführt. Wir haben hausintern und mit den Externen – durchaus kontrovers – diskutiert, ob wir bestmöglich weitermachen oder ganz abbrechen sollen. Ob es überhaupt technisch machbar und auch verantwortbar ist weiterzumachen. Meine Wahrnehmung von GSI und FAIR ist, dass wir uns sehr gut an geänderte Umstände anpassen können, und zwar auf breiter Basis durch die gesamte Belegschaft. Ich bin der Meinung, dass wir einen guten Mittelweg gefunden haben, der von allen getragen wird.
Die laufenden Experimente liefern aktuell gute Ergebnisse in hoher Qualität, so dass der Weiterbetrieb sich wirklich lohnt. Man muss sich klar machen, dass eine Verschiebung der Betriebszeiten nicht so einfach möglich ist, da auch die Pausenzeiten, in denen der Beschleuniger nicht läuft, immer streng mit Wartungsarbeiten, Neuinstallationen und Reparaturen durchgeplant sind. Umso mehr Experimente wir also jetzt noch bearbeiten können, umso einfacher wird die Planung der nachfolgenden Experimente, etwa im nächsten Jahr. Aber natürlich werden alle genehmigten Experimente, die aktuell nicht durchgeführt werden können, nach einer Reevaluation zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.
Was wünschst du dir für die kommende Zeit?
Das Beste wäre natürlich, wenn wir morgen einen Impfstoff gegen Corona hätten und sich alles wieder entspannen würde. Für GSI und FAIR erhoffe ich mir, dass wir einen Modus beibehalten können, bei dem alle sich sicher fühlen, so dass wir weiterhin produktiv etwas für die Gesellschaft tun können. Bei dem wir zeigen, dass man mit verantwortungsvollem Sicherheitsumgang trotz widriger Bedingungen weitermachen kann.
Wir können viel aus dieser Situation lernen, zum Beispiel neue Möglichkeiten entdecken, wie man auf virtuellen Wegen zusammenarbeiten kann. Ich bin schon ein wenig stolz darauf, wie produktiv bei uns die Fachgruppen und Abteilungsleitungen in der Krise zusammenarbeiten und mit nötiger Rücksicht auf die Bedürfnisse in einem guten Miteinander alles Machbare ermöglichen. Am schönsten wäre es aber trotzdem, wenn Corona bald vorbei wäre!
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