„Wir sind die Herren der Ringe“
Dr. Mohammad Shahab Sanjari kommt aus dem Iran. Er studierte Elektrotechnik in Darmstadt und erhielt für seine Promotionsarbeit über Messungen in Speicherringen den GSI-Doktorandenpreis 2013. Er lebt mit seiner Familie in Frankfurt. Das Interview führte Carola Pomplun aus der GSI-Öffentlichkeitsarbeit im August 2014.
Herr Dr. Sanjari, Sie haben für Ihre Doktorarbeit den ersten jemals verliehenen GSI-Doktorandenpreis gewonnen. Worum ging es dabei genau?
Meine Aufgabe war es, die Messung von Teilchen zu verbessern, die in einem Speicherring kreisen. Diese Teilchen werden in einem Hohlraum, einer sogenannten Kavität, mithilfe von elektromagnetischen Wellen beschleunigt. Nun gab es die Idee, so eine Kavität umgekehrt zu benutzen. Man lässt das Teilchen hindurchfliegen, ohne dass die beschleunigenden Wellen darin sind. Dann induziert das Teilchen in der Kavität eine Welle, die resonant schwingt und sich verstärkt. Die Welle können wir messen und so das Teilchen identifizieren.
Und Sie haben dieses Messsystem gebaut?
Natürlich nicht ich alleine. Aber das Ziel meiner Doktorarbeit war es, so ein funktionierendes System zu erstellen. Ich habe es in Zusammenarbeit mit meinem Doktorvater an der Goethe-Universität Frankfurt, Professor Alwin Schempp, meinen Kollegen hier bei GSI und mit externen Firmen entwickelt und aufgebaut. Es steht nun in unserem GSI-Experimentierspeicherring. Die Messung damit ist schneller als mit den herkömmlichen Systemen, es ist viel empfindlicher. Damit kann man beispielsweise den Zerfall von Kernen auf einer kleinen Zeitskala untersuchen und die Lebensdauern bestimmen. Das hat eine große Relevanz für die Astrophysik.
Und wie geht es weiter?
Da es sehr gut funktioniert, sollen ähnliche Systeme auch in der FAIR-Anlage, etwa im Sammlerring CR und im Hochenergiespeicherring HESR, verwendet werden. Deshalb nennen wir uns scherzhaft manchmal die „Herren der Ringe“. Ich war auch schon bei unseren Kooperationspartnern in China und habe dort an einem Speicherring so eine Messkammer aufgebaut. Nach der Promotion habe ich bei GSI eine Stelle in der Abteilung „Stored Beams“ bekommen und plane das System nun im Rahmen meiner Arbeit weiterzuentwickeln. Neben der jetzigen Messung von longitudinalen Wellen möchte ich es um die Messung von transversalen Wellen erweitern.
Sie möchten also noch eine Weile in Deutschland bleiben. Ist das Leben hier sehr unterschiedlich zum Iran?
Ich mag Deutschland, weil das Leben sehr einfach und transparent ist. Es funktioniert alles, was eine Gesellschaft braucht. Die Menschen sind ehrlich und offen. Natürlich hilft es, wenn man die deutsche Sprache beherrscht und Worte wie ‚Äbbelwoi‘ kennt! Nur das Wetter gefällt mir nicht so gut. Monate ohne Sonne sind schwer für mich. Und das Land ist zu flach, dagegen ist es im Iran sehr bergig. Ich versuche jedes Jahr ein- bis zweimal in den Iran zu fliegen, um meine Familie zu sehen. Meine Familie hat mich bei meinen Plänen immer unterstützt. Sie waren natürlich nicht begeistert davon, dass ich so weit weg gehe, aber sie haben gesagt, es sei meine Entscheidung.
Sie sind im Iran aufgewachsen. Wie kam es überhaupt, dass Sie nach Deutschland gekommen sind?
Das war eigentlich Zufall. Ich wollte nach dem Abitur noch eine zweite Fremdsprache neben Englisch lernen. Für den Französischkurs war ich zu spät. Es gab aber ein Angebot für Deutsch, und so habe ich ein Jahr lang einen intensiven Deutschkurs gemacht. Meine Mitstudenten haben vorgeschlagen, dass ich mich auch in Deutschland für mein Studium bewerben könnte. Die erste Uni, die zugesagt hat, war die Technische Universität Darmstadt. Dort habe ich mein Elektrotechnikstudium begonnen. Es gab allerdings ein paar Hürden zu überwinden. Im Iran sind Flüge sehr teuer und das Geld nicht viel wert. So musste ich das Flugticket im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Koffer voll Geld kaufen, das ich fast auf dem Fußboden verteilt hätte. Die Aufnahmeprüfung war an dem Morgen, an dem mein Flieger in Deutschland gelandet ist, weil ich das Visum nicht vorher bekommen habe. Ich war völlig fremd hier und musste mich vom Frankfurter Flughafen nach Darmstadt durchschlagen. Da bin ich das erste Mal S-Bahn gefahren und es ist gleich schiefgegangen. Ich kam zu spät und durfte die Prüfung nicht mehr mitmachen. Zum Glück konnte ich sie nachholen. Im Studium habe ich dann manchmal die Professoren überrascht, weil ich im Iran ganz andere mathematische Lösungswege gelernt hatte als in Deutschland üblich. Aber das korrekte Ergebnis gab mir natürlich recht.
Aber es gab auch gute Erlebnisse mit der S-Bahn, richtig?
Eines Tages fuhr ich dort neben einem jungen Mann, der ein Buch über Elektrotechnik las, das ich auch kannte. Wir kamen ins Gespräch, tauschten unseren Kontakt aus und freundeten uns an. Er hat mir von GSI erzählt und mir einen Werkstudentenjob in der GSI-Hochfrequenztechnik während des Studiums vermittelt. Daraufhin habe ich mich nach meinem Master in Elektrotechnik zu der Promotion in Physik bei GSI entschlossen. Ohne die S-Bahn wäre ich nicht bei GSI.
Dieses Interview erschien im GSI-Magazin target. Abonnement und mehr Informationen.
Leser:innenkommentare (2)
Amalia B
Vielen Dank für diesen Bericht. Das Feld des Elektrotechnikers ist ein interessantes, das sich stetig weiterentwickelt. Ich bin gespannt was der Dr. Mohammad Shahab Sanjari in der Zukunft noch so macht.
Cousar Nasiry Hanis
Very inspiring, Thank You Dr. Sanjari.