Ultraglatt und ultradurchsichtig

30 000 Euro kostet ein Quarzstab. 60 bis 80 werden für PANDA gebraucht. Bild: G. Kalicy/GSI

Donnerstag, 21. August. „Es darf praktisch kein einziges Atom mehr aus der Oberfläche herausragen“, sagt Jochen Schwiening über die Quarzstäbe, die gerade drei Wochen lang getestet werden. Sie bilden ein Herzstück des PANDA-Detektors, der an der neuen Teilchenbeschleunigeranlage FAIR laufen wird. Im Inneren des PANDA-Detektors soll Antimaterie auf Materie treffen. Mithilfe der Quarzstäbe erfahren wir, welche exotischen Teilchen dabei entstehen. Dafür müssen die Stäbe extrem glatt, transparent und rechtwinklig sein.

Der PANDA-Detektor. Bild: GSI
Der PANDA-Detektor. Bild: GSI

Der PANDA-Detektor (Antiproton Annihilation at Darmstadt) ist ein echter Riese. Er wiegt so viel wie 235 Elefanten (700 Tonnen), ist so lang wie ein Sattelschlepper und so hoch wie zwei Stockwerke (18x6x6 Meter). Doch noch gibt es ihn nur virtuell. Er ist eines der großen Experimentaufbauten, die für die neue Teilchenbeschleunigeranlage FAIR entwickelt und gebaut werden. Im PANDA-Detektor sollen bei der Kollision von Antimaterie und Materie Gluonenbälle entstehen. (Mehr zu Gluonenbällen im PANDA-Detektor hier im Video.) Es ist noch nie gelungen sie nachzuweisen. Wie die meisten interessanten Teilchen, zerfallen sie sofort wieder, aber ihre Zerfallsprodukte verraten sie.

Im Zick-Zack-Kurs werden die Photonen im Stab reflektiert. Bild: K. Götzen, G. Kalicy/GSI
Im Zick-Zack-Kurs werden die Photonen im Stab reflektiert. Bild: K. Götzen, G. Kalicy/GSI

„Die Zerfallsprodukte treffen auf die Quarzstäbe und erzeugen in deren Inneren Photonen (Cherenkov-Licht)“, erklärt Jochen Schwiening, Leiter der PANDA-Detektor-Abteilung bei GSI. „Die Photonen werden innerhalb des Stabs reflektiert und so im Zick-Zack-Kurs nach außen geleitet, in Richtung der Lichtdetektoren. Die Photonen liefern Infos über die Antimaterie-Materie-Kollision.“ Im PANDA-Detektor sind die Quarzstäbe fassförmig um den Wechselwirkungspunkt angeordnet und formen so einen sogenannten DIRC-Zähler, wobei DIRC für „Detektion von intern reflektiertem Cherenkov-Licht“ steht.

Dank Honig und Holzspänen

Jochen Schwiening (v.) und sein Team beim Aufbau des Setups. Bild: GSI
Jochen Schwiening (v.) und sein Team beim Aufbau des Setups. Bild: GSI

„Wichtig für uns ist, dass möglichst wenig Photonen in den Stäben verloren gehen“, erklärt Jochen. „Deshalb müssen sie so transparent sein wie möglich. Jede Verunreinigung, wie bei natürlichem Quarzglas, würde Photonen stoppen. Aus diesem Grund nutzen wir Stäbe aus künstlich synthetisiertem Quarz. Außerdem ist es wichtig, dass die Photonen den Winkel, in dem sie innerhalb des Stabs reflektiert werden, exakt beibehalten. Denn der Winkel verrät uns später, durch welches exotische Teilchen das Photon erzeugt wurde und ob eventuell ein Gluonenball existiert hat. Deshalb muss der Stab exakt rechtwinklig und ultraglatt sein. Nur wenige Firmen können auf Atome genau polieren. Sie haben Politur-Flüssigkeiten, deren genaue Zusammensetzung streng geheim ist. In ihnen sind so seltsame Dinge enthalten wie Honig und Holzspäne.“

Interaktive Muster

Die DIRC-Muster sind komplex. Bild: GSI
Die DIRC-Muster sind komplex. Bild: GSI

Auf den Lichtdetektoren am Ende der Stäbe entstehen Muster, abhängig vom Winkel, in dem die Photonen durch die Stäbe wandern. Um sie besser interpretieren zu können, haben die Wissenschaftler eine Datenbank programmiert, mit der sie die Zahlen und Simulationen auf einer Webseite visualisieren können. „DIRC-Muster sind für jeden Teilchenwinkel und -impuls charakteristisch“, erklärt Jochen. „Darum muss man viele Verteilungen, wie Auflösungen oder Lichtausbeute zweidimensional betrachten. Nur dann kann man die Messsignale richtig verstehen.“ Die Visualisierungen sind leider nicht frei zugänglich, ich habe mich aber ein bisschen durchgeklickt und die Visualisierunegn aufgezeichnet. Ich verstehe die Muster zwar nicht, es lässt mich aber erahnen, wie komplex die Datenauswertung sein muss.

Durch die Luft

Die Pionen fliegen durch den ALADIN-Magneten (blau-gelb) und dann durch die Luft. Bild: GSI
Die Pionen fliegen durch den ALADIN-Magneten (blau-gelb) und dann durch die Luft. Bild: GSI

Jeden Tag wird das HADES-Experiment zwischen 11.30 bis 13.30 Uhr für ein bis zwei Stunden Pause machen. Dann wird der Pionen-Strahl an PANDA geliefert. Das ist praktisch für die PANDA-Gruppe, da sie so nach jeder Messeinheit einen Tag Zeit für Verbesserungen und Änderungen am Setup haben. Im Cave finden gerade die Aufbauarbeiten statt. Noch sind die Quarzstäbe und die Lichtdetektoren in einem Stahlkasten und mit einem Tuch abgedeckt. Jedes Staubkorn würde die Messung verändern.

Welche Quarzstab-Form ist die beste und günstigste?  Bild: K. Götzen, G. Kalicy/GSI
Welche Quarzstab-Form ist die beste und günstigste? Bild: K. Götzen, G. Kalicy/GSI

Deshalb berühren die Physiker die Stäbe nur selten und dann höchstens mit Reinraumtüchern und Handschuhen. „Wir öffnen die Abdeckung gleich“, sagt Carsten Schwarz, der für die Elektronik zuständig ist. „Aber wir bereiten zuerst alles so vor, dass das Alignement mit den Lasern dann ganz schnell geht. Auf einen Millimeter genau müssen wir den Aufbau ausrichten.“ Der PANDA-Messstand teilt sich das Cave mit anderen Geräten, zum Beispiel dem NeuLAND-Detektor. Vor dem Ende des Strahlrohrs steht außerdem noch der ALADIN-Magnet, ein Koloss, der in diesem Cave für viele andere Experimente genutzt wurde. Jetzt ist er ausgeschaltet, hat also keinen Einfluss. „Die Pionen fliegen durch den ALADIN-Magneten und dann durch die Luft bis zu unserem Aufbau. Das ist kein Problem“, erklärt Carsten.

Ein Aquarium voll Speiseöl

Carsten Schwarz (in Rot) und PANDA-Wissenschaftler. Bild: GSI
Carsten Schwarz (l.) und PANDA-Wissenschaftler. Bild: GSI

„Bis vor Kurzem haben wir noch das Aquarium als Expansionsvolumen genutzt“, sagt Carsten und zeigt auf eine schwarze Box. „Dieser Behälter war mit einer sehr transparenten Sorte Speiseöl gefüllt. Darin konnten sich die Photonen ausbreiten wie in den Quarzstäben. Für die ersten Tests war das gut genug und wesentlich günstiger als die wertvollen Quarzstäbe.“ Sie testen nicht nur die Eigenschaften der Quarzstäbe sondern vergleichen auch Stäbe mit Quarzplatten, die Kosten sparen würden. Denn ein Stab kostet um die 15 000 Euro und im Detektor werden etwa 180 Stäbe gebraucht. Durch die Verwendung der breiteren Quarzplatten, von denen eine Platte jeweils fünf Stäbe ersetzen würde, könnten die Kosten jedoch fast halbiert werden.

Grzegorz Kalicy kennt sich gut mit der Optik der Stäbe aus. Bild: M. Patsyuk/GSI
Grzegorz Kalicy kennt sich gut mit der Optik der Stäbe aus. Bild: M. Patsyuk/GSI

Die Ausleseelektronik und die Software, die die Daten verarbeitet, sind ebenfalls Teil der Tests. Der gesamte Aufbau wurde zuvor auch schon am CERN geprüft. In den Jahren 2011 und 2012 hat die PANDA-Gruppe dort Strahlzeit bekommen. Und auch für nächstes Frühjahr hat sie wieder Strahl am CERN beantragt.

CERN, USA, Darmstadt

Die Auswertung der Tests wird hauptsächlich von Postdocs und Doktoranden gemacht. Grzegorz Kalicy, der für die Optik der Stäbe zuständig war, ist seit Kurzem mit seiner Doktorarbeit fertig. „Ich gehe jetzt erst einmal in die USA, weil ich dort eine Postdoc-Stelle bekommen habe“, erzählt er. „Danach will ich aber zurück zu FAIR und den PANDA-Detektor aufbauen. Ich habe jetzt so viel dafür gearbeitet und viel Herzblut in das Projekt investiert, da will ich auch dabei sein, wenn es los geht.“

Leser:innenkommentare (1)

  1. Sommerzeit – Sommerstudentenzeit - Beam On

    […] teste die Arbeitsweise einer Detektorelektronik für das Antiprotonen-Experiment PANDA“, berichtet Konstantinos Paraschou aus Griechenland. Jeder Sommerstudent wird einer […]

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