Freitag, 25. Juli. Die vorerst letzte Strahlzeit für die Abteilung Biophysik beginnt. Während ihre Zellen mit Kohlenstoffionen aus dem Linearbeschleuniger beschossen werden, rasen durch den Ringbeschleuniger schon Wasserstoffionen (Protonen) für ein Experiment am Fragmentseparator. Der Beschleuniger läuft im Parallelbetrieb – es werden also zwei Experimente mit unterschiedlichen Ionensorten versorgt.
23:00 Uhr. Ich bin auf dem Weg zum Online-Mikroskopie-Experiment, bei dem Zellen live bei der Bestrahlung mit einem Mikroskop beobachtet werden. Bisher fanden die Biophysik-Experimente immer auf dem hinteren Teil des GSI-Geländes statt, weil sie vom Ringbeschleuniger mit Ionen beliefert wurden, die auf 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt waren. Heute biege ich schon früher ab, Richtung Experimentierplatz X6. Denn für die Online-Mikroskopie reichen 15 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aus und die Ionen werden direkt aus dem Linearbeschleuniger geliefert. Der Ringbeschleuniger ist nicht nötig.
Grün leuchtende Zellen
Burkhard Jakob und Elham Abdollahi aus der Biophysik sitzen im Kontrollraum. Sie untersuchen die Reparaturmechanismen der Zellen nach Bestrahlung: „Die DNA in der Zelle ist unterschiedlich dicht gepackt. Lange wurde angenommen, dass Reparaturenzyme nicht in die dicht gepackten Stellen vordringen können und DNA-Schäden dort deshalb nicht repariert werden. Wir gehen Hinweisen darauf nach, dass doch Reparaturen stattfinden.“
Dafür hat er Fluoreszenzfarbstoffe unter anderem an die DNA angedockt. Mit einem speziellen Mikroskop sucht er sich einige der grün leuchtenden Zellen aus und zeichnet deren Veränderung während der Bestrahlung auf. Jakob, der eigentlich Chemiker ist, wirkt konzentriert und leicht angespannt. „Das ist sicher meine hundertste Strahlzeit“, sagt er. „Trotzdem ist es nie dasselbe.“
Nach der Strahlzeit ist vor der Strahlzeit
9:00 Uhr. Am nächsten Morgen ist im Kontrollraum schon wieder Hochbetrieb. Jakob hat noch bis um 7:00 Uhr morgens experimentiert (ich habe nur bis um 2:30 Uhr durchgehalten). Bis heute Mittag stehen weitere Experimente auf dem Plan. „Dann haben wir erst einmal Pause“, sagt Thomas. „Aber nach der Strahlzeit ist vor der Strahlzeit.“ Ob der Protonenstrahl für das Fragmentseparator-Experiment wohl schon eingestellt ist? „Protonen sind leichter abzulenken als die schweren Ionen, die hier üblicherweise beschleunigt werden“, erklärt mir Thomas. „Sie reagieren schon auf kleinste Veränderungen von Magneten. Deshalb braucht es viel Fingerspitzengefühl bei der Einstellung des Beschleunigers. Das ist keine kleine Herausforderung.“
Vier Peaks machen glücklich
10:00 Uhr. Von den Zellexperimenten begebe ich mich also zur Grundlagenforschung der Kernphysik. Im Kontrollraum des Fragmentseparator-Experiments liegt Spannung in der Luft. Wissenschaftler aus Japan, Malaysia, Spanien, Frankreich, Schweden, Deutschland und Slowenien sind an dem Experiment beteiligt. Sie stehen gebannt vor den Monitoren. Für mich als Laie ist wenig zu erkennen, aber Emma Haettner zeigt auf einen Computerbildschirm. Eine Kurve mit vier Peaks ist zu sehen. „Das sieht schon sehr gut aus“, sagt die Physikerin. „Genau so brauchen wir das für unsere Messungen.“
Der Protonenstrahl läuft wie gewünscht. Jetzt positionieren die Experimentatoren gerade das Target, also die Zielscheibe, auf die die Ionen prallen, im Strahl. In den nächsten Tagen werde ich einige Stunden hier verbringen und herausfinden, was genau die vier Peaks bedeuten, was ein Eta-Meson ist und warum der Tag-Nacht-Rhythmus den Strahl im Beschleuniger verschiebt.
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