Heiße Stripperfolien und andere Materialien für FAIR

Generalprobe: Mit flüssigem Stickstoff kühlt Katharina ihr Messgerät. Bild: GSI

Dienstag, 12. August. Heute experimentiert das Materialforschungsteam für den Bau der neuen Teilchenbeschleunigeranlage FAIR. Neben den Forschungsinhalten erfahre ich mehr über die Strahlzeit-Hausmeister, Windows7-Probleme und Telefonstreiche.

In der Strahlzeit sind nicht nur Experimente der Grundlagenforschung angesetzt. Es finden viele Maschinenexperimente, Material- und Detektoren-Tests und Versuche der Strahldiagnose statt. Das alles sind Vorbereitungen für den Bau der neuen Beschleunigeranlage FAIR, mit dem viele GSI-Wissenschaftler beschäftigt sind. Diese Versuche haben Priorität und finden tagsüber statt. Deshalb begannen meine Berichte bisher meistens erst gegen Abend, wenn der Beschleuniger für die nächtlichen Forschungsexperimente eingestellt wurde.

Nachhilfe im Kontrollraum

Pascal (h.), Katharina (m.) und Patrick (v.) in der Schicht. Bild: GSI
Pascal (h.), Katharina (m.) und Patrick (v.) in der Schicht. Bild: GSI

15:00 Uhr. Heute komme ich in den Kontrollraum des M-Zweigs. Die Doktorandin Katharina Kupka leitet die Schicht. Bei ihr sind Patrick, Diplomand an der TH Friedberg, und Pascal, Bachelor-Student an der TU Darmstadt. Daniel Severin, der zur Stamm-Mannschaft der Materialforschung gehört, hat gerade noch ein bisschen Nachhilfe an der Tafel gegeben, da Pascal bald seine Prüfung schreibt. „Kann ich euch jetzt alleine lassen? Wenn ihr Hilfe braucht, ich bin in meinem Büro“, verabschiedet er sich.

Langweile ist gut

Wie verändert sich die Kohlenstofffolie? Bild: GSI
Wie verändert sich der Kohlenstoff? Bild: GSI

Katharina lässt Patrick an die Rechner. Er lernt heute alle Systeme zu steuern. Er fährt die Probe aus der Bestrahlungsposition in die Messposition und nach der Messung wieder zurück. Das dauert immer einige Sekunden. „Gerade ist es ein bisschen langweilig, aber das ist ein gutes Zeichen“, sagt Katharina. „Das heißt, dass alle Geräte funktionieren und der Strahl stabil ist.“ Wenn das nicht der Fall ist, kann es auch mal stressig werden. „In der letzten Strahlzeit stürzte die Software ab, weil wir kurz vorher auf Windows7 updaten mussten. Unter dem neuen Betriebssystem sind unsere Spezialprogramme nicht von Anfang gelaufen. Das war doof. In dieser Strahlzeit läuft bisher alles gut, aber es ist ja auch erst der zweite Tag“, sagt sie und klopft vorsorglich auf den Holz-Schreibtisch.

Heiße Stripperfolien

Katharina erklärt mir ihr Experiment an der Tafel. Bild: GSI
Katharina erklärt mir ihr Experiment an der Tafel. Bild: GSI

Katharina ist eine der Doktorandinnen, die Teile für FAIR testen. Ihre Versuche drehen sich um sogenannte Stripperfolien. Das sind dünne Folien aus Kohlenstoff, die dafür sorgen, dass die zu beschleunigenden Ionen Elektronen aus ihrer Hülle abgeben – eben „strippen“. Die Folien sind durch den Strahl einer sehr großen Belastung ausgesetzt. „Ich will herausfinden, welche Folien am längsten halten. Jetzt teste ich gerade, wie sie sich aufheizen und mit der Zeit verändern.“ Katharina hat die Folien schon im Uranstrahl und im Goldstrahl bei 50 Hertz (50 Schüsse pro Sekunde) untersucht. Jetzt vergleicht sie ihre Werte mit dem Goldstrahl bei zwei Hertz, der gerade aus dem Beschleuniger kommt. „Da ich die Schicht leite, muss ich im Prinzip alle Probleme am Experimentierplatz selbst lösen können, zum Beispiel eine Vakuumpumpe wieder in Gang bringen. Aber im Notfall sind immer noch unsere Strahlzeit-Hausmeister da.“ So werden Daniel Severin und Markus Bender liebevoll bezeichnet, die den M-Zweig betreuen.

PC-Spiele und Telefonstreich

Chips, Kekse und die FAIR-Tasse dürfen nicht fehlen. Bild: GSI
Chips, Kekse und die FAIR-Tasse dürfen nicht fehlen. Bild: GSI

„Will jemand einen Kaffee? Ich gehe welchen holen“, sagt Pascal. Keks- und Chipstüten sind schon offen. „Willst du?“, fragt mich Katharina und hält mir die Tüte hin. Sie macht immer die Abendschicht, die Nacht übernimmt Doktorand Christian Hubert, der Kunststofftechnik an der Hochschule Darmstadt studiert hat. „Ich behalte lieber einen Schicht-Rhythmus bei, darauf kann ich mich besser einstellen“, sagt er. „Deshalb ist die Nachtschicht für mich ok. Wenn es sehr langweilig wird, zocke ich manchmal Diabolo“, verrät er. „Wir haben aber auch schon Telefonstreiche mit unseren Kolleginnen an X0 gespielt“, sagt er lachend.

Christians Proben. Bild: GSI
Christian zeigt seine Proben und verrät, was er in langweiligen Nachtschichten macht. Bild: GSI

„Dort steht ein altes Telefon, auf dem der Anrufer nicht angezeigt wird. Wir haben mitten in der Nacht mit verstellter Stimme angerufen, meistens mit asiatischem Akzent, da wir mit Wissenschaftlern aus China zusammenarbeiten und die Zeitverschiebung passte. Mit unserem Insiderwissen haben wir unsere Kolleginnen ganz schön ins Schwitzen gebracht! Aber wir haben es nie zu weit getrieben und den Scherz immer kurz darauf persönlich aufgelöst.“

Für seine Doktorarbeit testet auch Christian Materialien, die für FAIR wichtig sind. Bei ihm geht es um Beamdumps, Auffangklötze des Strahls hinter den Experimenten, und sogenannte Kollimatoren. Das sind Teilchenfänger im Strahlrohr, die das Vakuum verbessern. „Einen Großteil der Arbeit macht unsere Betreuerin Marilena Tomut, die uns Strahlzeit erkämpft“, erklärt er. „Denn alle GSI-Abteilungen wollen experimentieren oder Teile für FAIR testen.“ Im Strahlzeit-Plan stehen unter anderem noch Tests für den FAIR-Detektor PANDA, an dem mit Antimaterie experimentiert wird. Die neue Beschleunigeranlage nimmt langsam Gestalt an!

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