Zauberwort „Strahlzeit“

Strahlbetrieb. Bild: GSI

Seit gut zwei Jahren arbeite ich bei GSI und habe schon oft das Wort „Strahlzeit“ gehört. Es ist hier eine Art Zauberwort. Es verströmt Faszination, gleichzeitig aber auch Nervosität und Ehrfurcht. Denn darum dreht sich bei GSI alles: um den Ionenstrahl aus den Beschleunigern. Wegen ihm kommen jährlich 1000 Wissenschaftler aus aller Welt nach Darmstadt. Er ermöglicht die Experimente, die uns neue Informationen über den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums liefern.

Dieser Ionenstrahl ist etwas besonderes, das nur eine Hand voll anderer Beschleunigerinstitute auf der Welt erzeugen können. Er enthält viele Milliarden von Ionen, erreicht bis zu 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit und kann im Prinzip mit allen Elementen des Periodensystems erzeugt werden (Energien und Intensitäten).

Um diesen Strahl zu produzieren, reicht es nicht auf den Einschaltknopf zu drücken. Über 2500 einzelne elektrisch steuerbare Komponenten, wie Magnete, Vakuumpumpen und Messinstrumente müssen eingestellt werden, damit der Experimentierbetrieb läuft. Ein Team von Operateuren steuert die Anlage während des Strahlbetriebs rund um die Uhr im Schichtrhythmus.

Normalerweise laufen die Beschleuniger 300 Tage im Jahr 24 Stunden pro Tag. Parallel können mehrere Experimente mit Ionen versorgt werden. Ständig betreuen Wissenschaftler unterschiedliche Experimente – auch nachts und am Wochenende! Diesen – Zitat eines Wissenschaftlers – „Strahlzeit-Wahnsinn“ werde ich in den nächsten Wochen miterleben. Ich werde mir die Vorbereitung von Zellproben in den Biophysik-Laboren anschauen, nachts mit im Kontrollraum sitzen oder beim Aufbau von Experimenten dabei sein – möglichst ohne dabei im Weg zu stehen! Ich bin gespannt und freue mich hier im Strahlzeit-Tagebuch zu berichten.

Leser:innenkommentare (4)

  1. Christian

    Ich frage mich, ob der Blog BeamOn, je nachdem ob Strahlzeit ist oder nicht, oben im Menü „Unsere Blogs +“ auftaucht oder nicht. Aktuell hätten wir keine Strahlzeit?
    :-)

    1. Lena Weitz

      Hallo Christian! Das ist noch ein kleiner Fehler, den wir gemeinsam mit den Helmholtz-Kollegen in Kürze beheben werden.
      Danke für den Hinweis! Viele Grüße, Lena

  2. Mike Beckers

    Ich bin gespannt! Zu meiner forschenden Zeit war die magische „Strahlzeit“ der Höhepunkt jedes Jahres. Freude, sie zu erhalten! Monatelange Vorbereitungen, um alle Experimente und Proben zu dem Zeitpunkt bereit zu haben, an dem es hieß, die eine Tonne schwere Apparatur mitsamt kistenweise Zubehör zu verladen und nach Hamburg (FLASH) oder Berlin (BESSY) zu transportieren. Vor Ort unter Zeitdruck aufbauen (keine Sekunde der kostbaren Strahlzeit verschwenden!), zugleich aber alles bitteschön submillimetergenau ausrichten. 16-Stunden-Schichten (keine Sekunde der kostbaren Strahlzeit verschwenden!). Die ständige Angst, dass ein Moment der Unachtsamkeit oder ein technischer Defekt das stundenlang aufgebaute Vakuum kaputt machen könnte. Zwischendurch ungesundes Essen an den unmöglichsten Orten. Viel Kaffee. Stundenlanges Starren auf Monitore und Digitalanzeigen. Wenig Schlaf. Rasselnde Pumpen, zischender Stickstoff in eistropfenden Kühlfallen. Datensammeln auf stapelweise Festplatten. Wenn alles vorbei ist, die Hoffnung, dass man den Rest des Jahres mit den Daten etwas anfangen kann, publizieren kann. Um im nächsten Jahr das begehrte Gut „Strahlzeit“ wieder zu bekommen. Gut, dass jemand diesen Wahnsinn hier einmal dokumentiert. Glaubt einem ja sonst keiner.

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