Augenspiegel 42-18: Sexismus in der Wissenschaft

Wissenschaftliche Bügelperlen. Bild: Rosemary Wilson
Wissenschaftliche Bügelperlen. Bild: Rosemary Wilson

Es gibt ihn leider in allen Bereichen der Gesellschaft – auch in der Wissenschaft. Sexismus hat viele Formen. Jüngst wurden drei Beispiele aus der Physik öffentlich diskutiert, die mich in der Gesamtschau schockiert haben. Ende September trat ein CERN-Forscher mit Aussagen wie „die Physik wurde von Männern erfunden und aufgebaut“ auf. Er wurde Anfang Oktober suspendiert. Dann wurde zwar nach 55 Jahren endlich mal wieder eine Frau als Physik-Nobelpreisträgerin gekürt. Donna Strickland hatte jedoch – viele JournalistInnen werden sich beim Nebenbei-Googlen während des Livestreams aus Stockholm gewundert haben – zu diesem Zeitpunkt keinen Wikipedia-Artikel – weder auf deutsch noch auf english. Stellt sich raus: Mehrfache Versuche, einen Wikipedia-Artikel für ihre Person anzulegen, waren von der Wikipedia-Community „mangels Relevanz“ abgelehnt wordenzuletzt vor einem halben Jahr. Die nobelpreiswürdigen Arbeiten hatte sie aber natürlich schon vor Jahrzehnten gemacht.

Der dritte aktuell diskutierte Fall von Sexismus in der Physik betrifft Nobelpreisträger Gérard Mourou, der diesen Monat zusammen mit Donna Strickland ausgezeichnet wurde. Zudem gibt es ein Video von Mourous Forschungsgruppe von 2013, in dem unter anderem für einen Laboralltag ungewöhnlich knapp bekleidete Frauen tanzen, um sich dann die Reinraumkittel vom Leib zu reißen. Solch sexistische Darstellungen gehen IMHO gar nicht. Sie sind auch nicht witzig. Und aus Sicht eines Öffentlichkeitsarbeiters kann ich nur sagen: Manche Kommunikationsideen sollten von uns Kommunikator*innen schlichtweg unterbunden werden, wenn das scheinbar leider nicht allen Beteiligten von sich selbst klar ist. Öffentlichkeitsarbeit ist manchmal auch interne Öffentlichkeitsverhinderungsarbeit.

And now for something completely different

Aber kommen wir zu den erfreulicheren Dingen – den Wissenschaftsfundstücken aus dem Web 2.0, die mir in den vergangenen Wochen aufgefallen sind: Der deutschsprachige Wikipedia-Artikel über Wissenschaftskommunikation dümpelte jahrelang so vor sich hin. Er war nicht gut. Er war kurz. Er war veraltet. Er war nicht ausgewogen. Aber irgendwie machte sich auch niemand die Mühe, ihn zu verbessern. Bis eines schönen samstagmorgens im Oktober 2018 Markus Pössel vom Haus der Astronomie in Heidelberg der Geduldsfaden riss. In einer Hauruck-Aktion verbesserte und erweiterte er das Lemma, dass es nur so eine Freude ist. Vielen Dank, Markus! Aber natürlich kann der Artikel noch besser werden – also keine falsche Bescheidenheit: den Bearbeiten-Link anklicken und los geht’s!

Der Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands hat auf seiner Mitgliederversammlung eine Resolution für den Zusammenhalt der Gesellschaft beschlossen: „In Deutschland wie in zahlreichen anderen Ländern bedrohen derzeit maßlose Angriffe auf die demokratischen Institutionen die Grundlagen der politischen Ordnung. Als Historikerinnen und Historiker halten wir es für unsere Pflicht, vor diesen Gefährdungen zu warnen. Streit ist essentiell in einer pluralistischen Gesellschaft, aber er muss bestimmten Regeln folgen, wenn er nicht die Demokratie selbst untergraben soll.“ Chapeau!

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Tiefkühlkost der Woche

Der Astrobiologe Cyprien Verseux leitet zur Zeit die Concordia-Forschungsstation in der Antarktis. Und er scheint gerne zu kochen und gerne zu fotografieren. Hier seine sehenswerten Menü-Vorschläge aus dem ewigen Eis:

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Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint seit Februar 2014 etwa alle zwei Wochen freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos. Etwas ähnliches macht auch das Panoptikum auf Wissenschaftskommunikation.de

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