Zehn Jahre Wissenschaft auf Twitter

DLR-Twitter-Themen
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Herzlichen Glückwunsch ans Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum zehnjährigen Twitter-Jubiläum! Am 27. August 2008 war das DLR die erste deutsche Wissenschaftsorganisation, die einen Tweet absetzte. Ich war damals Online-Redakteur beim DLR in Köln und wollte, nachdem ich einige Monate lange ganz viel in Podcasts über Twitter gehört hatte, den Dienst selbst einmal ausprobieren. Damals sprach man vom „Microblogging“ und Twitter stellte seinen Nutzer*innen stets die Frage: „What are you doing?“ Die Antwort (und der erste Tweet des @DLR_de):

Schon einige Monate zuvor hatte wir erste Videos auf Youtube hochgeladen. Dabei handelte es sich zunächst um kommunikative Experimente. Es gab ehrlich gesagt keinen offiziellen Auftrag vom Leiter der Kommunikationsabteilung dazu. Es gab erst recht keine (abgestimmte und freigegebene) Social Media-Kommunikationsstrategie wie heute. Es war wohl eher Spieltrieb und Rumprobieren. Heute hat das DLR auf seinem Hauptaccount 90.000 Follower, beim frechen Kanal DLR_next für junge Leute sogar 150.000 Folgende. Twitter scheint aus dem Kommunikationsmix im Moment nicht wegzudenken zu sein.

Twitter-Archäologie: Shuttle, ISS und Todessterne

Altes Twitter-LogoNach zehn Jahren kann die Wissenschaftskommunikation das Genre Social Media meinetwegen gerne als arriviertes Medium ansehen. Niemand braucht mehr von „neuen Medien“ zu sprechen. Das Internet und Web 2.0 sind nicht die Medien der Zukunft, sondern der Gegenwart. Wie viel da nämlich in den vergangenen zehn Jahren passiert ist, das würde ich gerne mal am Beispiel der frühen Jahre des DLR-Twitteraccounts in diesem Blogbeitrag zusammen stellen. Ich bin dafür tief ins Twitter-Archiv hinab getaucht und habe einige historische Tweets aus den ersten drei Jahren (Mitte 2009 bis Ende 2011) ausgegraben.

Gleich am ersten Tag wurden wir freundlich von der internationalen Raumfahrt-Community auf Twitter begrüßt. Ende 2008 und Anfang 2009 begleiteten wir die SpaceShuttle-Mission, die das europäische Columbus-Forschungsmodul zur ISS brachte, nicht nur im Blog, sondern auch auf Twitter. Schon früh brachten sich die Raumfahrtinteressierten per Twitter mit Korrekturen zu unseren Webseite-Inhalten ein. Und wir fragten die Follower auch nach ihrer Meinung, zum Beispiel welche Experimente ich bei einem Parabelflug ausführen könnte. Im Februar 2009 erstellte dann auch die Fraunhofer-Gesellschaft ihren Twitter-Account.

Die Raumfahrt ist vielleicht deswegen besonders gut für die Echtzeitkommunikation auf Twitter geeignet, da hier Live-Ereignisse wie Rakten-Starts, Kapsel-Landungen, Weltraumausstiege, Vorbeiflüge an Himmelskörpern etc. wirklich quasi live verfolgt werden können. So auch im März 2009, als die Raumstation ISS von einem Stück Weltraumschrott bedroht wurde und die Astronauten sich sicherheitshalber in die Sojus-Kapsel flüchten mussten, um für eine Notfall-Evakuierung (zu der es dann nicht kam) bereit zu stehen. Ebenfalls 2009 begannen wir, die sichtbaren Überflüge der ISS per Twitter anzukündigen: Die Raumstation ist gerade im Sommer oft als hell leuchtender Punkt zu sehen, der in einigen Minuten über den Nachthimmel hinweg zieht.

Auch andere Himmelsereignisse wurden schon Anfang 2009 diskutiert, wie zum Beispiel Feuerbälle am Nachthimmel. Aber wie Twitter so ist – es geht auch mal lustig zu. Lars Fischer forderte am 21. April 2009 vom DLR einen Wissenschaftplaneten. Oder einen Todesstern. Doch die waren leider aus. Im Mai 2009 wurden dann die neuen europäischen Astronauten (darunter Alexander Gerst) in einem Livestream vorgestellt.

Bei Tag der Luft- und Raumfahrt am 20. September 2009 waren unter den 100.000 Besucher*innen beim DLR in Köln auch einige Twitter-Nutzer*innen. Über die Interaktionen hatte ich in einem DLR-Blogbeitrag ausführlich berichtet. 250 Interaktionen an einem Tag – damals war das wirklich viel. Den 1000. Follower konnten wir dann aber erst am 2. Oktober 2009 begrüßen. Im November 2009 zerlegten wir den bis dahin zweisprachigen Kanal in einen deutschen und einen englischsprachigen Account.

2010: Vulkan-Asche, Raketenstarts und DLR_next

Aufmerksamkeitsschub bei gesamtgesellschaftlich relevanten Themen 2010Als im Frühjahr 2010 der unaussprechliche isländische Vulkan seine Asche über ganz Europa verteilte und Flugzeuge nicht fliegen durfte, lag die Aufmerksamkeit auf dem Forschungsflugzeug des DLR, das eben diese Vulkanasche messen konnte. Die Medien standen Schlange am DLR Oberpfaffenhofen. Aber auch viele an Urlaubsflughäfen gestrandete Menschen wollten sich online darüber informieren, wann sie endlich heim fliegen konnten. Der DLR-Twitter-Kanal war an diesen Tagen im April 2010 die aktuellste Möglichkeit, sich über den Stand der Dinge zu informieren, wie uns später auch Online-Journalist*innen bestätigten. Spätestens mit diesem Tag war dieser Kanal aus dem DLR-Kommunikationswerkzeugkasten nicht mehr wegzudenken. Dieser Fall hat mir damals wieder gezeigt, wie wichtig es in der Kommunikation von so komplizierten Themen wie der Wissenschaft ist, die gesamt-gesellschaftliche Relevanz der Forschung deutlich zu machen. Dies wurde von den Nutzenden auch positiv aufgenommen, die Zahl der Follower stieg rasant an.

Neben der Live-Berichterstattung von Raketen- beziehungsweise Satellitenstarts, gab es 2010 auch den Launch der DLR Blogs zu feiern. Im Spätsommer zeigte ich dann dem Kollegen Dr. K.-A. vom ebenfalls frisch gelaunchten DLR_nextdieses Twitter“ und wusste gar nicht, was das auslösen würde.

2011: Podcast-Feedback, SpaceTweetup, ROSAT-Absturz

SpaceTweetup von ESA und DLR 2011, Bild: @unkreativnetEnde 2010 startete der Wissenschaftspodcast Raumzeit als gemeinsames Projekt von ESA und DLR. Im Jahr 2011 gab es unglaublich viel positives Feedback von Hörenden – insbesondere über Twitter. Im September 2011 veranstalteten ESA und DLR gemeinsam das erste europäische SpaceTweetup. Bei dem Twitter-Treffen kamen 60 Teilnehmer aus 14 Ländern und feierten mit vielen Astronauten ein grandioses Event.

Ende 2011 war die Echtzeitkommunikation auf Twitter wieder im Risikokommunikationsfall gefragt: Der alte deutsche Forschungssatellit trat aus der Umlaufbahn unsteuerbar wieder in die Erdatmosphäre ein. Erst wenige Stunden vor dem Wiedereintritt konnten einzelne Erdregionen als mögliche Niedergangsorte ausgeschlossen werden. Auch hier waren die minutenaktuellen Information der Experten vom DLR in Bonn und der NASA für uns am einfachsten per Twitter zu kommunizieren. Nach einer durchgemachten Nacht stand fest: ROSAT war in den indischen Ozean gestürzt.

Video: Helmholtz, CC-BY 3.0

So viel zur Frühphase der institutionellen, deutschen Raumfahrtkommunikation auf Twitter – wir können gespannt sein, wie sich die digital-interaktive Wissenschaftskommunikation weiterentwickeln wird.

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