Augenspiegel 34-18: Das Fe(e)diversum

The Internet is a series of tubes. Bild: cocoparisienne (CC-0)
The Internet is a series of tubes. Bild: cocoparisienne (CC-0)

Die Augenspiegel-Kolumne meldet sich aus der Sommerpause zurück. Wie immer geht es hier auch heute um die aktuelle Forschung, Trends in der Wissenschaftskommunikation und Entwicklungen des Web 2.0: „The internet is a series of tubes„, so charakterisierte US-Senator Ted Stevens im Jahr 2006 das Internet. Sein Ausspruch, der kurz daraufhin zu Mem wurde, war damals wohl noch wahrer heute. Das Web war 2006 sehr divers, es gab viele „tubes“: Mensch „surfte“ damals auf vielen verschiedenen Webseiten herum, kommentierte in ersten Blogs und hatte vielleicht sogar RSS-Feeds abonniert. Heute scheinen eine bis zwei handvoll dieser Röhren das Internet auszumachen: Facebook, Google, Amazon, Apple, WeChat und ein paar wenige weitere. Und die großen Anbieter scheinen sich fast alles erlauben zu können.

Tröten statt Twittern: Dezentrales Open Source-Netzwerk Mastodon. Bild: mastodon.social
Tröten statt Twittern: Dezentrales Open Source-Netzwerk Mastodon. Bild: mastodon.social

Auf Twitter bildete sich jedoch in den vergangenen Wochen ein kleines gallisches Dorf des Widerstands. Was war passiert? Im Gegensatz zu Facebook, Instagram und WhatsApp konnte man den Twitter-Dienst ja traditionell mit Apps von Drittanbietern nutzen. Diese (und die NutzerInnen) haben Twitter mit zu dem gemacht, was es heute ist: Drittanbieter brachten lange vor dem Unternehmen Twitter Apps heraus, sie hatten Jahre vor Twitters eigener App zahlreiche Features wie das Stummschalten einzelner Accounts oder Hashtags und sie bieten bis heute viel mehr Komfort für Poweruser (z.B. im Umgang mit mehreren Twitter-Konten). Beziehungsweise sie boten dies bis zum 16. August 2018. Vergangene Woche schaltete Twitter nämlich seine bislang weitestgehend offene Programmierschnittstelle für externe App-Anbieter ab. Beziehungsweise der Vollzugriff auf diese so genannte API wurde hinter einer grotesk teuren Bezahlschranke versteckt. Seitdem kommen z.B. Benachrichtigungen über neue Twitter-Interaktionen nur noch verspätet bei Nutzer*innen von solchen third-party-Apps an.

Der Unmut der Nutzer*innen unter dem Hashtag BreakingMyTwitter führte dann zu einem Umschauen nach freien und offenen Alternativen. Viele Nutzer legten sich daraufhin Accounts bei dem dezentralen Twitter-Clone Mastodon an. Über die Vorteile dieses verteilten Netzwerkes hatte ich im April letzten Jahres hier geschrieben (Update Oktober 2019: Wir mussten unseren Mastodon-Account auf einen neuen Server umziehen). Doch nicht nur Twitter bekommt offene, freie und verteilte Konkurrenz – mit Diaspora, Pixelfeed und PeerTube stehen schon Alternativen zu Facebook, Instagram und Youtube in den Startlöchern. Man spricht schon vom „Fediversum„. Ein Rückbesinnung auf die vor 12 Jahren noch übliche Dezentralität des Internets?


Quelle: Chaosradio

Quelle: Sascha Lobo-Podcast

Tweets der Woche

Und damit kommen wir zu den wissenschaftsrelevanten Fundstücken aus dem Web 2.0 der letzten Wochen:

Videos der Woche

Gleich weiter mit Mathematik: 739.397 ist die größte Primzahl, die immer noch prim ist, wenn man beliebig viele Ziffern vorne oder hinten abschneidet!

Video: Numberphile

Am 4. September überträgt das DLR eine Raumfahrt-Show mit einer Liveschaltung von Alexander Gerst von Bord der ISS:

Video: DLR

Kurz verlinkt

Kommende Woche melde ich mich hier wieder anlässlich eines runden Social-Media-Jubiläums.

Die Augenspiegel-Kolumne

Die Kolumne „Augenspiegel – Webfundstücke rund um die Wissenschaft“ erscheint seit Februar 2014 etwa alle zwei Wochen freitags im Blogportal der Helmholtz-Gemeinschaft. Darin stellt Henning Krause, Social Media Manager in der Helmholtz-Geschäftsstelle, Internetfundstücke aus dem Web 1.0 und dem Web 2.0 vor, die zeigen, wie sich der gesellschaftliche Diskurs um Wissenschaft im Internet abspielt: neue Kommunikationsformen, neue Technologien und Kommunikationskulturen. Bei dieser Kuratierung spielen Blogs, Apps, Facebook, Youtube und Twitter eine Rolle – anderseits auch Internet-Meme, Shitstorms und virale Videos. Etwas ähnliches macht auch das Panoptikum auf Wissenschaftskommunikation.de

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