Deine WhatsApp-Fragen zum Klimagipfel

Die Erde vom Satelliten aus gesehen. Bild: NASA
Die Erde vom Satelliten aus gesehen. Bild: NASA

Die 23. Ausgabe der UN-Klimakonferenz (COP23) findet vom 6. bis zum 17. November 2017 in Bonn statt. Aus diesem Anlass rufen wir zum Mitmachen bei unserer WhatsApp-Aktion #DeineKlimagipfelFrage auf. Dazu bitten wir alle Interessierten, unseren kostenlosen WhatsApp-Newsletter zu bestellen. Über WhatsApp kann uns jeder eine Frage zum Klimagipfel stellen – entweder per Sprachnachricht oder als Text. Wir sammeln diese Fragen und wählen daraus besonders häufig gestellte Themen aus. Unser COP23-Experte Reimund Schwarze vom UFZ wird in der zweiten Konferenzwoche täglich eine dieser Frage aus Bonn beantworten. Wir schicken seine Antworten vom 13. bis zum 17. November täglich über unseren WhatsApp-Newsletter an alle Empfänger raus und werden sie auch hier dokumentieren.

Bisherige Fragen und Antworten

WhatsApp-Frage zur Klimakonferenz
WhatsApp-Frage zur Klimakonferenz

1. Frage (Montag, 13. November 2017): „Was wird in Bonn eigentlich genau besprochen? Müsste es nach dem Paris-Deal nun nicht einfach darum gehen, dass alle Länder ihre Verpflichtungen umsetzen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen? Wenn man jetzt von „Verhandlungen“ liest, dann klingt das irgendwie so, als sollte das Paris-Abkommen aufgeweicht werden. Droht diese Gefahr?

Reimund Schwarze: „In Bonn werden in der Hauptsache die Regeln für die Klimakonferenz im nächsten Jahr festgelegt, bei der zum ersten Mal ein Abgleich der nationalen Zusagen mit dem national Geleisteten erfolgen soll. Natürlich werden bei einem solchen internationalen Zusammentreffen der Nationen alle Themen auch noch einmal aufgerufen, aber wesentliche Beschlüsse dazu sind in Bonn nicht zu erwarten.

Diese relative ‚Beschlusslosigkeit‘ dieser Konferenz darf nicht fehlgedeutet werden: Sie ist durch das im Paris-Abkommen festgelegt Beschlussverfahren vorbestimmt. Das Paris-Abkommen wird also nicht aufgeweicht. Dass im Vorfeld die Dringlichkeit weitergehenden Handelns und die Bedeutung des 1,5-Grad-Ziels von vielen Seiten betont wird, gehört zu diesen Verhandlungen als Einstimmung dazu. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weitere Anstrengungen erst im nächsten Jahr auf der Tagesordnung stehen. Auch bei der Festlegung von Regeln dafür, ist der politische Wille voranzukommen auf dem Weg zu ‚deutlich unter 2-Grad‘ von entscheidender Wichtigkeit.“

2. Frage (Dienstag, 14. November 2017): „Warum wird bei den COP-Konferenzen das Klimaniveau von 1851-1900 als „vorindustrielles Niveau“ angenommen, obwohl es nicht einmal mit einer Genauigkeit von +/- 0,01°C bekannt und zudem nicht wirklich vorindustriell ist? Wäre es nicht sinnvoller, das „vorindustrielle Niveau“ darüber zu definieren, dass es 0,xx°C unter einem Klimaniveau, in dem weltweit schon viele Messstationen in Betrieb waren, liegt (z.B. 0,45°C unter dem Niveau von 1961-1990)? So scheint es ja in verschiedenen Studien einige Uneinigkeiten darüber zu geben, wie viel sich die Erde seit dem „vorindustriellen Niveau“ überhaupt schon erwärmt hat – ich las Werte von etwa 0,95 bis 1,15°C – und dementsprechend auch darüber, wie groß die Chancen, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, sind.

Reimund Schwarze: „Gute Frage. Das ‚vorindustrielle Niveau‘ der Erderwärmung ist der Referenzpunkt für die Zielsetzungen des Paris-Abkommens, aber weder im Abkommenstext noch vom Weltklimarat exakt definiert. Häufig, aber auch etwas beliebig wird es mit der Erfindung der Dampfmaschine in England (1784) in Verbindung gebracht oder pauschal in die „Mitte des 18. Jahrhunderts“ gelegt, obwohl die industrielle Revolution und die Nutzung der Kohle viel früher einsetzten. Es gibt wissenschaftlich gut begründete Vorschläge, das Niveau der Jahre 1720-1800 als Basis zu nehmen, aber das würde nicht nur die geschätzte Erderwärmung durch den Menschen erhöhen, sondern auch die Unsicherheit, weil die Messdaten dafür weitgehend fehlen.

Im Glossar des 5. Weltklimarat-Berichts (AR5) wird der Durchschnitt der Jahre 1851-1900 festgesetzt, ohne dass die Verbindung zum Begriff ‚vorindustrielles Niveau‘ streng wäre. Ein noch zeitnäheres Datum, wie das in der Frage vorgeschlagene (1960+X, d.h. nach der Einführung der weltweiten Temperaturmessung) wäre sicher das Beste, weil weniger unsicher und auch besser verknüpft mit den Klimamodellen der Wissenschaft. Völkerrechtlich bezieht sich das Paris-Abkommen aber auf das zwischenstaatlich geteilte Verständnis zum Zeitpunkt der Verhandlungen (2015), also den Zeitraum 1850-1900. Dieser ist im IPCC-Glossar genannt ist, ohne dass dies irgendwo im Vertragstext genau so formuliert sein müsste. Das nennt man ergänzende Vertragsauslegung und zeigt, wie wichtig, die Bezugnahme auf den ‚Stand der Wissenschaft‘ und den Weltklimarat in den aktuellen Verhandlungen zur Umsetzung des Paris-Abkommens ist.“

3. Frage (Mittwoch, 15. November 2017): „Die USA haben das Pariser Klimaabkommen gekündigt. Welche Rolle spielt das und spielen die USA nun eigentlich auf der Bonner Konferenz?“

Reimund Schwarze: ‚Die Regierung der USA hat durch Präsidentschaftsdekret das Pariser Klimaabkommen gekündigt, aber eine starke U.S.-Klimaschutzbewegung, bestehend aus fünfzehn Bundesstaaten, nahezu 500 Städten und über 2000 sonstigen Unterzeichnern aus dem Bereich der Wirtschaft und Universitäten haben eine „Wir-bleiben-dabei“-Erklärung unterschrieben und darin konkrete Zusagen zur Emissionsminderung und Finanzierung der UN gegeben. Sie fordern jetzt von der UN, dass dieses „Amerikas Versprechen“ als gleichrangiger nationaler Beitrag der USA gewertet werden soll. Ob das völkerrechtlich möglich ist, ist fraglich. Aber die Chefin des Klimasekretariats der UN, Patricia Espinosa, hat erklärt, diesem Anliegen „hier in Bonn“ Gehör zu verschaffen, möglicherweise durch einen Vertreter der Bewegung im Abschlussplenum der Staatengemeinschaft.

Was die Rolle der Trump-Regierung angeht, so sah man bisher in der Bonner Konferenz nur Ausweichen und Wegducken. Sonst immer mit einem der größten nationalen Pavillons vertreten und in zahlreichen Veranstaltungen präsent, zeigte sich die USA nur in einem einzigen öffentlichen Auftritt am Montag mit dem Thema „Saubere Kohle“. Die Veranstaltung verlief nach Protesten nur in einem handverlesenen kleinen Kreis und zeigte selbst im Block der Kohlelobbyisten Risse und Widersprüche, z.B. in der Frage der Rolle des Menschen bei der Entstehung des Klimawandels.

Die U.S.-Delegation in den Verhandlungen selbst ist klein und rangniedrig, so dass ein „Nachverhandeln“ des Paris-Abkommens, wie von Trump eingefordert, schon aus diplomatischen Rangregeln im Ansatz unmöglich ist, d.h. auch seitens der USA nicht angestrebt wird. Damit wiederholt Trump den Fehler der Bush-Regierung beim Austritt aus dem Kyoto-Protokoll, überhaupt keine Alternative anzubieten und Verhandlungen auszuschlagen. Anders als Bush wird er diese Haltung meiner Einschätzung nach mit dem starken Gegenwind im eigenen Land allerdings kaum acht Jahre durchhalten können.‘

4. Frage (Donnerstag, 16. November 2017): „Wie wird eigentlich der CO2-Verbrauch eines Landes genau gemessen? Liefert die Energieträger-Industrie diese Zahlen oder Behörden wie das Umweltbundesamt? Wie ist das zum Beispiel bei Kohlekraftwerken: Laufen da CO2-Meßgeräte an den Schornsteinen mit oder berechnet man das auf Grundlage der im Kraftwerk verfeuerten Kohlemenge? Und wie ist das im Straßenverkehr: Nimmt man die Benzinmenge von den Tankstellen oder Ölkonzernen und berechnet dann die CO2-Menge? Sprich: Wird das wirklich gemessen oder eher anhand von Rechenmodellen abgeschätzt? Und gibt es da Unterschiede in verschiedenen Ländern (z.B. Deutschland / China / Entwicklungsländer)?“

Reimund Schwarze: „Der CO2-Ausstoß eines Landes wird nicht gemessen, sondern statistisch errechnet. Dies geschieht in Deutschland durch das Umweltbundesamt im Rahmen der Berichterstattungspflichten der Klimarahmenkonvention. Das Berechnungsverfahren ist dabei im Grundsatz für alle Sektoren einheitlich [Aktivitätsrate * Emissionsfaktor = Emission]; aber es wird unterschiedlich in den Sektoren umgesetzt. Im Bereich Energiewirtschaft z.B. werden die Verbräuche von Braunkohle und Steinkohle mit dem jeweiligen Kohlenstoffgehalt multipliziert, um den CO2-Ausstoß aus der Energieumwandlung zu ermitteln – denn bei vollständiger Verbrennung wird der gesamte Kohlenstoff als Kohlendioxid freigesetzt. Die dafür zugrunde gelegten Energiestatistiken beruhen überwiegend auf meldepflichtigen Verbrauchsdaten. Nur in Bereichen, deren Energieverbrauch nicht durch amtliche Statistiken erfasst wird (z.B. Heizölverbrauch der privaten Haushalte), werden auch Absatzdaten der Produzenten und Importeure herangezogen, die den Verbrauch in einer bestimmten Periode nicht genau widerspiegeln.

Auch die Emissionen bzw. Bindung von Kohlendioxid in Wäldern werden im sogenannten Nationalen Treibhausgasinventar errechnet. Dazu werden komplexe Rechenmodelle benutzt, die neben Waldbestandsänderungen (Zuwachs und Einschlag) auch regionale Klimadaten sowie Veränderung der CO2-Gehalte in Böden umfassen, die auf Messungen beruhen.

Es gab beträchtliche Unterschiede in den nationalen Treibhausgasinventaren auf der Grundlage unterschiedlicher Berichtspflichten der Industrie- und Entwicklungsländer unter dem Kyoto-Protokoll. Diese werden durch die einheitlichen Berichtspflichten des Übereinkommens von Paris überwunden; allerdings müssen dazu in vielen Ländern erst die nötigen Kapazitäten geschaffen werden.“

5. und letzte Frage (Freitag, 17. November 2017): „Was müsste bis heute Abend in Bonn noch passieren, damit man von einem Erfolg der Konferenz sprechen kann?“

Reimund Schwarze: „Die Erfolgsmessung von Klimaverhandlungen ist schwierig. Das übergeordnete Ziel jeder Verhandlung ist, dass der Prozess voranschreitet, jedenfalls nicht abgebrochen wird. Das aber war bei jeder Klimaverhandlungsrunde bisher der Fall. Selbst das sogenannte „Scheitern von Kopenhagen“ (COP15) erscheint vielen Prozessbeobachtern im Rückblick als ein Erfolg.

In Bonn ist ein solches Scheitern ausgeschlossen, weil nur ein Meilenstein auf dem Weg zu der ersten Bestandsaufnahme der Minderungsambition („facilitative dialogue“) im nächsten Jahr in Kattowitz (COP24) erreicht werden sollte. Um das Ziel zu erreichen, müsste heute nur beschlossen werden, dass es keine Verzögerung oder Vertagung in der Frage des Regelwerks („rule book“) für die Bestandsaufnahme der Minderungsambitionen gibt. Die Gefahr besteht jetzt, Freitag früh, noch, aber kann mit Beschlüssen heute Abend oder am Samstag früh überwunden werden.“

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Das Bundesumweltministerium bietet übrigens ebenfalls einen (allerdings nicht interaktiven) WhatsApp-Newsletter zu COP23 an.

Leser:innenkommentare (2)

  1. Augenspiegel 43-17: Neuer Newsfeed - Augenspiegel

    […] WhatsApp ist übrigens die Gewinnerplattform in der 2017er Ausgabe der ARD-ZDF-Onlinestudie. Während sowohl die Onlinenutzung allgemein als auch die Social Media-Nutzung (Beispiel Facebook) unter den 14- bis 29-Jährigen mittlerweile im Sättigungsbereich angekommen sind, wächst die WhatsApp-Nutzung auch dieses Jahr zumindest bei den älteren Semestern. Zum Bonner Klimagipfel im November starten wir heute übrigens eine Mitmach-Aktion über WhatsApp. […]

  2. Augenspiegel 46-17: Bezahlpflicht für öffentliche Informationen? - Augenspiegel

    […] haben in dieser Woche zum Beispiel eine Nutzer-Frage-Aktion zur Klimakonferenz durchgeführt und damit unseren WhatsApp-Newsletter erstmals wirklich interaktiv genutzt. Sollten […]

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